Das Großprojekt Sanierung IN-Campus

Altlastensanierung auf einem ehemaligen Raffineriegelände

Beitrag von Dr.-Ing. Benjamin Faigle und Dipl.-Ing. Bernhard Volz, ARGE AUDI IN-Campus GbR

Die ehemalige Raffinerie ERIAG der Bayernoil AG soll von seinen Altlasten befreit werden. Dafür wirken unterschiedliche Sanierungsmaßnahmen ineinander, um das Gelände in kürzester Zeit nutzungsorientiert zu sanieren. Erstmalig werden dabei auch PFC-Belastungen im großen Maßstab behandelt. Welche Maßnahmen und Verfahren eingesetzt wurden, um die hochgesteckten Sanierungsziele erreichen zu können.

Planung der Sanierung

Im Rahmen des Rückbaus der ehemaligen Raffinerie ERIAG der Bayernoil AG in Ingolstadt wurde eine Detailerkundungen durchgeführt, die drei wesentliche, raffinerietypische Schadstoffgruppen identifizierte. Für diese wurden spezialisierte, emissionsarme, aber gleichzeitig auch im großen Maßstab leistungsfähige Sanierungsmethoden ausgewählt, sodass eine erfolgreiche Sanierung innerhalb der straffen Zeitvorgaben erreichbar ist. Alle Sanierungsmaßnahmen sind eng miteinander verflochten und erst die Kombination der einzelnen Gewerke führt zum Sanierungserfolg, dem nachhaltigen Erreichen der Sanierungszielwerte.

Der Auftraggeber

Der Auftrag zur Sanierung erging 2017 durch ein Joint-Venture der Stadt Ingolstadt und der AUDI AG als Auftraggeber an die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) AUDI IN-Campus GbR, bestehend aus der ZÜBLIN Umwelttechnik GmbH, der Geiger Unternehmensgruppe und der Strabag Umwelttechnik GmbH. Als Totalunternehmerin zeichnet sich die ARGE für alle Aspekte der Ausführungsplanung und des Genehmigungsmanagements sowie der Durchführung sämtlicher Arbeiten verantwortlich, wodurch sämtliche Schnittstellen der Einzelgewerke in Planung, Genehmigung und Ausführung zentral koordiniert werden können.

Schutz durch Geländeabstromsicherung

Vor Beginn des großtechnischen Sanierungsbetriebes wurde eine hydraulische Abstromsicherung in Betrieb genommen, um das Naturschutzgebiet der angrenzenden Donauauen bis zum Erreichen der Sanierungsziele vor dem Zutritt von mobilisierten Schadstoffen zu schützen. Das mit einer Durchflussrate von bis zu 210 m³ /h geförderte Rohwasser wird in einer vierstufigen Grundwasserreinigungsanlage behandelt und über naturnahe Versickerungsbecken im Bereich der Biotopflächen dem Grundwasserleiter wieder zugeführt.

Schadstoffbeseitigung mit Air-Sparging

Air-Sparging ist ein bewährtes Verfahren zur Sanierung der gesättigten Bodenzone. Es beruht darauf, flüchtige Schadstoffe vor Ort („in-situ“) aus dem Grundwasser in die ungesättigte Bodenzone zu überführen und dort über eine Bodenluftabsaugung aus dem Untergrund zu entfernen: Luft wird unter dem Schadensbereich eingeblasen, und nimmt beim Aufsteigen die Schadstoffe auf. Kurz unter der Geländeoberfläche werden Luft und Schadstoffe abgesaugt und über eine Reinigungsanlage abgeführt.

Auf dem Gelände werden Air-Sparging-Maßnahmen auf insgesamt über 120.000 m² durchgeführt, dabei sind acht Einzelanlagen mit vollautomatischer Steuerung gleichzeitig im Einsatz. Durch einen optimierten, austragsorientierten Betrieb konnte die Austragsfracht um ein Vielfaches gesteigert und die Sanierungsdauer entsprechend verkürzt werden.

Austausch des verunreinigten Bodens

Auf einer Fläche von rund 90.000 m² ist der Boden durch PFC (poly-fluorierte Kohlenwasserstoffe aus Löschmittelzusatzstoffen) und MKW (Mineralölkohlenwasserstoffe aus dem Raffineriebetrieb) verunreinigt.

PFC-belastetes Material oberhalb des Grundwasserspiegels wird im offenen Aushub entfernt und mit sauberem Bodenmaterial wieder verfüllt.

Bei den tiefreichenden MKW-Belastungen in der gesättigten Bodenzone, also bis sieben Meter unter dem Grundwasserspiegel, kommt der emissionsarme Aushub im Schutze des Wabenverbaus zum Einsatz.

Die Technik eines mäklergeführten Rüttlers, die in dieser Ausführung erstmalig zum Einsatz kommt, zeichnet sich neben der hohen Leistungsfähigkeit und der optimierten Genauigkeit im lotrechten Abteufen der Waben durch seine Wirtschaftlichkeit aus.

Bodenwäsche zur Dekontamination

Im Zuge der Sanierung müssen rund 500.000 t kontaminierter Boden ausgehoben und durch unbelastetes Verfüllmaterial ersetzt werden. Gesicherte Entsorgungswege zur externen Verwertung des belasteten Bodens, insbesondere beim hochsensiblen PFC-Material, sind in diesen Dimensionen kaum zu realisieren. Um zusätzlich die Transportvorgänge zu minimieren, wurde eine on-site Lösung zur Bodenbehandlung gesucht.

Aufgrund des vorhandenen Schadstoffinventars und der vorwiegend kiesigen Bodenbeschaffenheit der anstehenden Böden wurde die Bodenwäsche als geeignetes Dekontaminationsverfahren ausgewählt. Dabei werden die Schadstoffe vom Bodenkorn durch intensive Behandlung mit sauberem Waschwasser entfernt.

Aus den zeitlichen Vorgaben des Bauherrn sowie der Verflechtung des Bodenaustausches mit den anderen Gewerken ergab sich eine erforderliche, tägliche Aushubmenge von rund 1.000 t. Im Einschichtbetrieb können alle auf dem Standort anfallenden kiesigen Aushubmassen so aufbereitet werden, dass über 90 % nach Reinigung als Verfüllmaterial (Z 0 / Z 1.1) wieder am Standort verwertet werden können. Weniger als 10 % des Ausgangsmaterials fallen als höherbelasteter Filterkuchen an und werden extern entsorgt.

Das schlammhaltige und mit Schadstoffen angereicherte Wasser nach der Wäsche (Volumenstrom Q = 380 m³ /h) wird an die Schlammaufbereitungsanlage übergeben, in der die Feststoffe < 0,063 mm abgeschieden werden, danach wird das Klarwasser in einer zweiten Anlage von Schadstoffen gereinigt. Über einen geschlossenen Waschwasserkreislauf, der mit Pufferbecken über 8.000 m³ an Wasser umfasst, steht zur Bodenwäsche dauerhaft saubereres Waschwasser zur Verfügung.

Umgang mit dem Stoffstrom

Das gewaschene Material wird beprobt, und darf erst nach Freigabe durch einen externen Gutachter am Standort wiederverfüllt werden. Für die Geländeaufhöhung zur Folgebebauung und dem Ausgleich von entsorgtem, belasteten Bodenmaterial müssen auf die Fläche über 1.000.000 t an unbelastetem Boden angeliefert werden. Dafür wurde gemeinsam mit Behörden und dem Fachgutachter ein umfangreiches Annahmekonzept entwickelt, um den gesamten Stoffstrom mit definierten Freigabeketten transparent zu überwachen und lückenlos zu dokumentieren.

Fazit und Ausblick

Erst in der Kombination unterschiedlicher Verfahren lassen sich die hohen Sanierungsziele erreichen, und das Gelände kann risikolos einer Folgenutzung zugeführt werden. Die Sanierungsmaßnahmen werden voraussichtlich bis Ende 2022 abgeschlossen sein, wobei die Abstromsicherung bei Bedarf auch darüber hinaus betrieben wird. Parallel dazu wird auf bereits sanierten und freigegebenen Teilflächen ein Technologiepark errichtet. Von den 75 ha Gesamtfläche der IN-Campus GmbH werden 15 ha renaturiert und dienen als Ausgleichsfläche für die Natur.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2020 Januar/Februar