Digitalisierung von Bestandsdaten erhöht die Betriebssicherheit

Betreiberverantwortung

Beitrag von Dipl.-Ing. (FH), M.Sc. Eva Reckmann, Dennis Diekmann, MONDRIAN Real Estate GmbH & Co. KG und Christian Schlicht, ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG

Eine Schlussfolgerung des BIM ist die Digitalisierung von Bestandsdaten im Rahmen der Betreiberverantwortung. Im folgenden Beitrag werden Potenziale und Ansätze des BIM vorgestellt. Anschließend folgt ein Überblick über die Pflichten des Betreibers sowie die Strukturierung der Betreiberverantwortung. Veranschaulicht wird das Ganze auch anhand eines Beispiels aus der Praxis.

Fokus auf Bewirtschaftung

Betreiberverantwortung impliziert eine Digitalisierungswelle von Bestandsdaten als eine der wesentlichen Schlussfolgerungen aus den Diskussionen über Building Information Modeling (BIM). BIM, wörtlich übersetzt „Gebäudedatenmodellierung“, ist eine Methode zur Optimierung von Planung, Realisierung und Bewirtschaftung eines Gebäudes über die Betrachtungsweise seines gesamten Lebenszyklus, indem alle relevanten Gebäudedaten optimal digital erfasst, kombiniert und vernetzt werden.

Die Diskussion über den Nutzwert von BIM fokussiert sich insbesondere auf die Bewirtschaftung. Die unter diesem Verständnis durchgeführten BIM-Projekte sind aber zurzeit noch selten; konkrete Erfahrungswerte liegen somit leider nur vereinzelt vor.

BIM - Potenziale und Ansätze

Ebenso wie einige Architekten befassen sich allerdings vermehrt Verantwortliche für den Gebäudebetrieb mit dem Potenzial von BIM und den möglichen Herangehensweisen. Während sich die Akzeptanz für ein umfassenden BIM-Verständnis eher zögerlich entwickelt, wächst das Interesse umso stärker für die Verbundthemen der Betreiberverantwortung und der Digitalisierung vorhandener Bestandsdaten, mit dem vorrangigen Ziel, die Vorgaben des Gesetzgebers zu berücksichtigen und den damit verbundenen Pflichten des Betreibers gerecht zu werden. Nachrangig geht es darum, auch die Vorteile einer „Kür“ der Implementierung aller Phasen von BIM zu erfahren.

Betreiberverantwortung als Grundlage

Betreiberverantwortung ist die Summe aller Betreiberpflichten, die dem Betreiber einer Immobilie bzw. einer technischen Anlage in seiner Eigenschaft als Betreiber obliegen. „Die sich daraus ergebende Verantwortlichkeit besteht in seiner Haftung für den Fall, dass er eine der daraus resultierenden Pflichten (grundsätzlich) schuldhaft verletzt. Schuldhaft ist eine solche Pflichtverletzung, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt.“ [1]

Wer also die Vielzahl der für sein Unternehmen relevanten gesetzlichen Vorgaben, Richtlinien und Regelwerke zum Thema Betreiberverantwortung gründlich in den Fokus nehmen möchte, kann diese Sisyphusarbeit ohne fachlich versierte Beratung bei zudem fehlender, geeigneter IT-Unterstützung nur ansatzweise bewältigen. Zu vielfältig sind die Vorgaben, die zudem einer steten Erweiterung und Aktualisierung unterliegen.

Und wer dann noch bei den Themen Wartung, Prüfung und Instandsetzung nicht über Transparenz und geeignete Standardprozesse verfügt, wird in seinem Verantwortungsbereich nur schwer die erforderliche Regelkonformität herbeiführen können. Hier können Online-Regelwerks-Informationssysteme zu den über 2.000 relevanten und verbindlichen Regelwerken sowie technischen Vorschriften auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene unterstützen.

Pflichten des Betreibers

Ohne die Kenntnis und eine Digitalisierung der vorhandenen Bestandsdaten lassen sich entsprechende Betreiberpflichten nicht identifizieren, auch nicht über ein Webportal oder durch integrierte CAFM/ERP-Systeme. Betreiberpflichten werden u. a. im Wesentlichen in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) geregelt, die nach der Novellierung in 2015 noch bis April 2019 mehrfach ergänzt worden ist. [2] „Ein Betreiber ist eine natürliche oder juristische Person, der tatsächlich eine Einflussmöglichkeit auf den sicheren Betrieb einer Anlage oder eines Arbeitsmittels ausübt.“ [3]

Demnach ist ein Betreiber verantwortlich für den sicheren Betrieb einer Immobilie. Er kann seine Betreiberpflichten zwar an spezialisierte Fachleute übertragen, eine restlose Befreiung aus der Verantwortung wird er aber nicht erzielen. Im Rahmen der Delegation sind übertragende Pflichten klar zu definieren, die Beauftragten sorgfältig auszuwählen und mit den erforderlichen Mitteln und Kompetenzen auszustatten.

Strukturierung von Betreiberverantwortung

Wer Betreiberverantwortung zielführend strukturieren möchte, muss seine Pflichten klar definieren und systematisch erfassen können. Ein valides Anlagenkataster ist dafür unverzichtbar. Nur derjenige, der seine technischen Anlagen kennt, kann anhand eines Pflichtenabgleichs seine Aufgaben, Qualifikationen und relevanten Dokumente ermitteln. Darüber hinaus müssen auch behördliche und objektspezifische Vorgaben aus z. B. Baugenehmigungen oder Herstellervorschriften beachtet werden.

Zielführend müssen parallel Prozesse für die Datenpflege und für die Regelwerksverfolgung definiert werden. Diese Prozesse können dann nach und nach ihre skalierbare Anwendung in allen Bereichen und Lebenszyklusphasen finden.

Strukturierte Merkmale wie die Klassifizierung der Anlagen nach CAFM Connect (Grundlage DIN 276) und die Zuordnung der Pflichten gemäß den Lebenszyklusphasen nach GEFMA sind somit unerlässlich. Mit dieser Vorgehensweise zu Strukturen und Prozessen ist es jederzeit möglich, bei der Erfüllung der Betreiberpflichten die „Vogelperspektive“ einnehmen zu können, um sich nicht angesichts der Fülle von Aufgaben und Pflichten zu verzetteln.

Bericht aus der Praxis: Das Einkaufscenter PEP in München

Die ECE, der europäische Marktführer im Betrieb von Shopping-Centern, stand vor der Herausforderung eines unternehmensweiten SAP Rollouts. Im Rahmen dieses Projektes sollte auch ein IT-gestütztes Regelwerks-Informationssystem zur Sicherstellung der Betreiberpflichten integriert werden. Ziel war es, ein Stammdatenmodell mit einer sinnvoller Datentiefe zu entwickeln, bei dem sowohl die Datenstruktur skalierbar und in allen Bestandsimmobilien sowie geplanten und künftigen Neubauten einsetzbar ist.

Im Rahmen des Pilotprojektes ‚PEP‘ wurden die TGA-Daten neu erfasst sowie ein Pflichtenabgleich durchgeführt. Bei der Katalogisierung und Klassifizierung der Anlagen kam es vor allem auf die richtige Verknüpfung an, denn diese ist essentiell für die Anbindung an ein Regelwerks-Informationssystem. Ziel ist es, dass alle Tätigkeiten über ihre standardisierten DIN-Nummern verknüpft sind und nicht mehr über eigene Bezeichnungen wie z. B. ‚Feuerlöscher‘. So kann vermieden werden, dass Bezeichnungen abweichen oder Tätigkeiten resultierend aus den Betreiberpflichten nicht mehr identifiziert werden können. Nur die korrekte und strukturierte Stammdatenaufnahme gewährleistet die richtige Klassifizierung.

Ausblick: Distributed Ledger Technologie

Gerade in hochsensiblen Bereichen wie der regelkonformen Einhaltung der Betreiberpflichten auf Basis der aktuellen TGA-Daten, eines verlässlichen Pflichtenabgleichs sowie dessen Dokumentation und der exakten Umsetzung von den relevanten Prozessen, können neue Technologien, wie z. B. die Blockchain, in der Digitalisierung maßgeblich die Forderung nach mehr Datensicherheit leisten.

Wer an der notwendigen Digitalisierungswelle partizipiert, eröffnet für sich konkret den Nutzen auf vielfältige Weise:

  • Gewährleistung einer sicheren Informationsgrundlage für alle Aufgaben und Prozesse in der Bewirtschaftungsphase
  • Zugriff auf manipulationssichere Dokumente
  • Durchgängigkeit der Informationen zwischen den Phasen Planung, Realisierung und Bewirtschaftung
  • Erhöhung von Betriebssicherheit und Regelkonformität
  • Transparenz über Kosten.

Diese Vorteile wurden bereits im Juni 2019 auf der Servparc (Messe für Zukunftstrends im Facility Management) anhand eines konkreten Anwendungsfalls dargestellt und ausführlich erläutert.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2020 Januar/Februar