Biokollektoren

Die innovative Lösung für das Recycling der Zukunft

Beitrag von Dr. Franziska Linda Lederer, Helmholtz-Zentrum DresdenRossendorf, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie Nachwuchsforschergruppe BioKollekt

Der „European Green Deal“, die nationale „Green Economy“ Initiative und der Schwerpunkt Bioökonomie für die Implementierung biologischer Produkte in technische Abläufe geben einen Vorgeschmack auf die Herausforderungen, welche durch Politik und Gesellschaft derzeit an die Industrie gestellt werden.

Der harte Weg zur Kreislaufwirtschaft

Hightech-Produkte sollten nicht nur den Lebensalltag ihrer Nutzer erleichtern, sondern gleichzeitig in ihrer Zusammensetzung und Herstellung nachhaltig und umweltfreundlich sein. Dabei muss berücksichtigt werden, dass viele Hochtechnologiemetalle bisher wenig oder gar nicht recycelt werden. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Zum einen liegen einzelne Metalle in Elektronikprodukten in geringen Konzentrationen und sehr fein verteilt vor, was ihre Rückgewinnung bisher unwirtschaftlich macht. Zum anderen ist die Zusammensetzung der Elektronikprodukte in der Regel sehr komplex, was die selektive Rückgewinnung bestimmter Stoffe kompliziert macht. Die Kosten für primäre Rohstoffe sind bisher stets niedriger als die Kosten für recycelte Rohstoffe. Existierende Verfahren zur Rückgewinnung vieler Hochtechnologiemetalle aus „End-of-Life“ Elektronikprodukten (EoLEP) werden aus den genannten Gründen heute noch nicht in der Recyclingindustrie genutzt.

Biomoleküle als Schlüssel zur selektiven Rohstoffgewinnung

Recyclingansätze, die auf biologischen Trennprozessen basieren, sind weltweit ein weitestgehend unerforschtes Feld. Gegenüber traditionellen Recyclingprozessen können solche Ansätze mit guter Umweltverträglichkeit und Energie effizienz punkten.

Die Nachwuchsforschergruppe BioKollekt entwickelt derzeit ein neues, effizientes Recyclingverfahren für Hochtechnologiemetalle aus EoLEP. Dabei wird der „Proof-of-Principle“ am Beispiel der Energiesparlampe und dem darin enthaltenen Leuchtpulver erbracht. Dieses besteht aus Selten-Erd-Element (SEE)- haltigen Partikeln, welche im Moment noch nicht voneinander getrennt und daher nicht wiederverwendet werden können. An dieser Stelle kommt die Biologie zum Recycling. Unsere biologischen Bausteine sind SEE-erkennende Peptide, also kurze Eiweißketten. Peptide sind aus Aminosäuren aufgebaut, wovon es in der Natur mehr als 20 verschiedene gibt. Die unterschiedliche Zusammensetzung der Peptide bestimmt darüber, ob ein Zielmaterial erkannt wird oder nicht. Der Gruppe BioKollekt ist es gelungen, für die SEEhaltigen Partikel des Leuchtpulvers stark bindende Peptide mit Hilfe des Phage Surface Display (PSD) zu finden. Das Verfahren an sich ist bereits lange bekannt. Der Erfinder dieser Methode erhielt 2018 dafür den Chemienobelpreis. Er öffnete damit den Weg für die Entwicklung neuer medizinischer Ansätze aber eben auch für das gezielte Finden von Peptiden für das Recycling von SEE aus Leuchtpulver.

Phage Surface Display oder die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Woran es in allen bekannten Recyclingansätzen mangelt, ist die selektive Zielelementbindung. PSD ist der Schlüssel zu dieser Selektivität.

Beim PSD arbeitet man mit Viren, welche Bakterien infizieren und sich darin vermehren. Diese filamentösen Bakteriophagen, kurz Phagen, unterscheiden sich von ihrer natürlichen Verwandtschaft durch zusätzliche Peptide, die durch genetische Manipulation auf ihrer Hülle produziert werden und die ihnen Eigenschaften zur Bindung eines Zielmaterials verleihen. Für die Identifizierung von passenden Biomolekülen nutzt man eine Bibliothek von Bakteriophagen. Eine solche Bibliothek enthält circa eine Milliarde verschiedener Phagen. Aus dieser Vielfalt finden wir mit Hilfe des PSD die passenden Phagen für unser Zielmaterial. Da Phagen wie alle Viren dazu neigen zu mutieren, sind sie nicht für Anwendungen, die stabile und reproduzierbare Eigenschaften voraussetzen, geeignet. Unser Interesse gilt daher nur den bindenden Peptiden. Die in BioKollekt gefundenen Peptide werden zunächst mit Hilfe genetischer Methoden optimiert und dann in größeren Mengen hergestellt. Um die Phagenhülle zu imitieren und damit vergleichbare Bindeeigenschaften zu ermöglichen, nutzt die Nachwuchsgruppe BioKollekt die Bionik. Dabei werden die Peptide auf einer Oberfläche verankert, um die Biomoleküle ähnlich wie auf der Phagenhülle zu präsentieren und damit das Zielmaterial zu binden. Für den aktuellen „Proof-of-Principle“ nutzen wir magnetische Kügelchen als Trägermaterialien. Die Kombination aus Biomolekülen und nichtbiologischen Trägermaterialien nennen wir Biokollektoren. Sie können nun zum Sammeln unserer Zielpartikel eingesetzt werden und ermöglichen durch die magnetischen Eigenschaften der Trägermaterialien einen Trennprozess.

Innovatives Recycling durch Biokollektoren

Das Forscherteam BioKollekt erarbeitet neben der Herstellung der Biokollektoren einen neuen Trennprozess für bisher nicht recycelte Hochtechnologiemetalle der Energiesparlampe. Das BioKollektKonzept von der Biomolekülidentifizierung bis zum Trennprozess ist in der Abbildung illustriert.

Biokollektoren werden in ein Gemisch aus verschiedenen Komponenten des Leuchtpulvers der Energiesparlampe gegeben. Die Peptide auf der Oberfläche der Biokollektoren erkennen und binden dabei ihre SEE-haltigen Zielpartikel, während sie die anderen Komponenten im Gemisch nicht binden. Wird nun ein Magnet in das Gemisch gehalten, dann zieht dieser Magnet die Biokollektoren zu sich, wodurch die Biokollektoren mit ihren gebundenen Zielpartikeln aus dem Gemisch entfernt werden. So ist es möglich, mit Hilfe der Biologie Rohstoffe zu recyceln.

Auch dieser Recyclingansatz muss erst Einzug in die Recyclingindustrie halten, damit recycelte Rohstoffe in einem neuen Produkt verbaut werden können. Dazu müssen die klaren Vorteile der Methode für die Industrie erkennbar werden. Das BioKollekt-Team setzt auf Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit der Biokollektoren und des Trennprozesses. Es darf kein neues Umweltproblem durch die Herstellung und Nutzung der Biokollektoren entstehen und sie selbst sollen wiederverwendet werden, um damit die Herstellungskosten zu reduzieren. Trennprozesse, welche auf starke Säuren oder Laugen setzen, sollen ebenso vermieden werden, wie Prozesse, welche viel Energie oder Wasser verbrauchen. Die BioKollekt-Forscher erarbeiten gerade ein biologisches Verfahren zur umweltfreundlichen und kostengünstigen Herstellung von Peptiden. Die magnetischen Träger wiederum werden aus Komponenten hergestellt, welche biologisch abbaubar sind. Die entwickelten Trennprozesse sollen außerdem in bestehenden Recyclinganlagen umgesetzt werden, um die Investitionskosten für die Recyclingunternehmen gering zu halten.

Noch sind die Biokollektoren als Prototypen in der Erprobung, aber eine erste Pilotanlage ist bereits direkt bei einem Recyclingunternehmen geplant.

Wenn sich die Nutzung der Biokollektoren für die Rückgewinnung von Hochtechnologiemetallen aus Elektronikschrott als effektiv und umweltfreundlich erweist und mit diesem Verfahren die Kosten für primäre Rohstoffe nicht enorm überstiegen werden, erwarten wir eine Signalwirkung auch auf andere Industriezweige bis hin zum Einsatz im Bergbau.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2021 MAI/JUN