Grüner Wasserstoff aus biogenen Reststoffen

Beitrag von Dr.-Ing. Andy Gradl BtX energy AG

Grüner Wasserstoff ist heute einer der größten Hoffnungsträger für die globale Energiewende. Deutschland ist dabei unter den Spitzenreitern, auch in der Vielfalt nachhaltiger Herstellungsverfahren.

Stand der Technik und gesellschaftliche Akzeptanz

Wie an der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) aus dem Jahre 2020 zu erkennen ist, wurde der Fokus dabei zunächst stark auf die Elektrolyse aus erneuerbarem Strom gesetzt. Häufig gerät die Technologie dabei in die Kritik, da vom Strom über den Wasserstoff und wieder zurück (z. B. im Fahrzeug) erhebliche Verluste auftreten. Diese Problematik liegt nicht in der Wahl der Technologie selbst, sondern im Verständnis ihres Einsatzzweckes. Demand-Side-Management ist das Schlagwort der Stunde, wie es das Vorzeigeprojekt der WUN H2 GmbH am Energiepark Wunsiedel demonstriert. Nicht einfach Strom verlustbehaftet im Kreis fahren, sondern nicht nutzbare Kilowattstunden nutzbar machen und damit das Netz stabilisieren, Versorgungssicherheit garantieren und Treibstoff aus Überschussenergie gewinnen.

Wasserstoff aus Biogenen Reststoffen mittels Dampfreformierung

Seit der Veröffentlichung der NWS ist jedoch deutlich mehr passiert. Die BtX energy GmbH ist eine bayerische Unternehmensgründung von Wissenschaftlern der Hochschule Hof und Baden-Württembergischen Unternehmern. Sie zählt heute zusammen mit weiteren Pionieren aus dem Freistaat wie der blueFLUX Energy AG oder der SYPOX GmbH zu den fortschrittlichsten Tech-StartUps auf dem Gebiet der Wasserstoffgewinnung aus biogenen Reststoffen wie z. B. Gülle und Mist oder organischen Reststoffen.

Die eingesetzte Technik ist im Grundsatz keine Weltneuheit – der Großteil des weltweit produzierten Wasserstoffes wird aus der sogenannten Dampfreformierung, also der thermochemischen Reformierung von Gasen mit Wasserdampf über Katalysatoren, gewonnen. Neu ist jedoch die Modifikation und Anwendung dieser Technologie auf den direkten Einsatz von Biogas. Nötig hierfür war klassisches verfahrenstechnisches Handwerk, das der Unternehmensverbund um die BtX seit über 40 Jahren aufgebaut hat. Ergebnis ist eine Containeranlage zur Erzeugung von hochreinem Wasserstoff aus Biogas direkt am landwirtschaftlichen Hof (s. Abb. 1).

Der Prozess arbeitet in 5 Schritten:

  • Biogaserzeugung im klassischen Fermenter
  • Entschwefelung über Aktivkohle
  • Dampfreformierung unter Zugabe von Wasserdampf
  • Wassergas-Shift-Reaktion zur Maximierung der Ausbeute
  • Abtrennung des Produktes mittels Druckwechseladsorption und Rückführung des Tailgases

Abbildung 2 zeigt schematisch den Produktionsweg bis zur Zapfsäule. Als Faustregel gilt: 1 kW elektrische Leistung des Blockheizkraftwerkes entspricht einer Produktionskapazität von 1 kg Wasserstoff pro Tag. Dies entspricht einem Wirkungsgrad von Biogas zu Wasserstoff von ca. 60 %. Eine übliche 400 kW-Anlage am landwirtschaftlichen Hof könnte am Standort der BtX z. B. die gesamte Busflotte der Kleinstadt Hof mit Treibstoff versorgen – nachhaltig und regional.

Hebel zur Erzeugung von aktiven CO2-Senken und regionaler Wertschöfpung

Biogasanlagen sind heute immer noch vom Aussterben bedroht, da ihre vertragliche EEG-Vergütung auf 20 Jahre limitiert ist und nicht immer wirtschaftliche Anschlussvergütungen möglich sind. Ihnen stehen dann unterschiedliche gängige Optionen zur Verfügung:

  • Teilnahme an Ausschreibungen
  • Stromverkauf an der Börse
  • Biomethanerzeugung und Einspeisung
  • Produktion von grünem Wasserstoff

Warum aber sollte man Biogas mit Verlusten in Wasserstoff umwandeln? Die Antwort ist simpel: Nicht jede Anlage kann die Wärme des BHKWs vollständig nutzen oder hat Zugang zum Gasnetz. Der Einsatz von Wasserstoff im Verkehrssektor z. B. ist im Bus mindestens genauso effizient wie der Einsatz von Biomethan, jedoch lokal emissionsfrei und die Wärme für den Fermenter wird vom Reformer bereitgestellt. Jedes Projekt ist anders – Fokus liegt aber immer auf dem maximalen Einsatz von Reststoffen und der Minimierung des Einsatzes von Energiepflanzen.

Die Rohgülle vom Feld holen – Doppelter Nutzen und Verdienst

Zum Gründungstag wurde die Luft direkt dünn für das Unternehmen – ein Kabinettsentwurf des BImSchG sollte biogenen Wasserstoff aus dem THG-Quotenhandel im Verkehrswesen ausschließen. Die Ursache wird in der mangelnden Aufklärung über neue Technologien vermutet und dem Bedenken, man würde Elektrolyseure mit Biogas-BHKWs koppeln, ein verlustreicher Prozess.

Die BtX hat sich im Zusammenschluss mit zahlreichen Partnern jedoch durchsetzen können, dass Reststoffe nach EU-Richtlinie (RED II) in Deutschland als biogenes Edukt für Wasserstoff anerkannt werden. Diese Entscheidung setzt viele Hebel in Gang:

  1. Umweltschädliche Methanemissionen von Gülle und Mist an der Atmosphäre werden verhindert und von der Anlage in 25-fach verträglicheres CO2 gewandelt – eine aktive Senke, die in der Bilanz anerkannt wird, was zu erheblichen Erlösen führt.
  2. Die Erschließung der heute noch zu ca. 60 % ungenutzten Reststoffe wird durch diese Erlösmöglichkeiten deutlich beschleunigt.
  3. Durch die Nicht-Anerkennung von Energiepflanzen wie Mais als Rohstoff wird die Teller-Tank-Diskussion direkt durch die wirtschaftliche Motivation gelöst.
  4. Geruchsemissionen werden ebenfalls reduziert, was zu steigender Akzeptanz führt.

Einzig die Nitratbelastung, die mancherorts zu Problemen im Abwasser führt, löst der Einsatz im Fermenter nicht auf direkter Weise. Der Gärrest kann jedoch durch Verbrennung oder Vergasung unter Rückgewinnung von Nährstoffen deutlich leichter weiterverwendet werden, als die Rohgülle.

Hinzu kommen neuerdings innovative Technologien wie die der befreundeten blueFLUX Energy AG, die u. a. mit dem Gärrest der Biogasanlage nach einem Dekanter in den blueFLUX-Prozess zur Herstellung von Kohle (Pflanzenkohle oder synthetische Kohle aus Braunkohleersatz) oder grünem Wasserstoff einsteigen können.

Die BtX energy ist heute im Gründerzentrum Einstein1 am Campus der Hochschule Hof untergebracht, und hat große Wachstumspläne.

Für den Bau von weiteren Hardwarekomponenten wird jetzt eine Zusammenarbeit mit dem ATB - Automobiltechnikum Bayern angestrebt, wo man sich bereits seit vielen Jahren mit aktuellen Themen wie zum Beispiel E-Mobilität, Hochvolttests, Hochstromtests usw. beschäftigt. Die Grundidee hierzu basiert auf einer alten Bekanntschaft – die Belegschaft der BtX hat in Zusammenarbeit mit dem Automobiltechnikum bereits zu Studienzeiten Rennwägen für die Formula Student gefertigt.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 04/2023 JUL/AUG