Wie aus organischen Abfällen grüner Wasserstoff entsteht

Beitrag von Dr. Ulrich Mach COO, blueFLUX Energy AG

Zwei der größten heutigen Umweltproblematiken betreffen die Energieerzeugung und Abfallentsorgung. Eine Lösung, die beiden Problemen entgegenwirkt, wird gerade von der blueFLUX Energy AG entwickelt: Eine Anlage, die aus organischen Restoffen grünen Wasserstoff herstellt.

Abfallverwertung und Energieerzeugung

Die Bedeutung der grünen Energie, insbesondere in Form von Wasserstoff, rückt aktuell stark in den Fokus und somit auch der Wunsch nach einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Lösung zur Wasserstofferzeugung. Die Kombination von Abfallverwertung und Energieerzeugung bildet die Basis für eine regionale Kreislaufwirtschaft. Organische Reststoffe werden zu nachhaltiger Energie. Mit den blueFLUX-Anlagen erfolgt durch die Anwender eine lokale und dezentrale Produktion von grünem Wasserstoff aus organischen Reststoffen wie z. B.: Klärschlamm aus kommunalen Abwasseranlagen, Gärresten aus Biogasanlagen, Gülle, Mist, Biomüll, Grün- und Baumschnitt, Hackschnitzel. Das Herstellverfahren benötigt dabei nur ca. ¼ des Energiebedarfs im Vergleich zur Elektrolyse.

Lokale Lösung für Landwirtschaft, Kommune und Industrie

Die blueFLUX-Anlagen bieten eine hohe Flexibilität hinsichtlich dem Inputmaterial. Entscheidend für den Prozess ist es, einen Trockensubstanzgehalt von ca. 30 % zu erreichen. Dies kann auch durch die Kombination der Stoffe erfolgen (z. B. Klärschlamm + Holzhackschnitzel).

Durch die verschiedenen Standardanlagengrößen reicht die Inputmenge von 530 bis 18.500 Tonnen pro Jahr. Auch beim Output sind die Möglichkeiten vielfältig. Synthetische Kohle für Kohlestaubfeuerung, Pflanzenkohle als Dünger, Synthesegas als Erdgasersatz oder aufgereinigter Wasserstoff für die Mobilität sind, je nach Bedarf und Gegebenheiten, mögliche Output-Stoffe. Zusätzlich fällt Prozessrestwärme bei ca. 100° C und knapp 10 bar Druck an, die zum Beispiel in Industrieprozessen eingesetzt oder in ein Fernwärmenetz gespeist werden kann.

Der Prozess

Bei dem blueFLUX-Prozess handelt es sich um ein thermochemisches Verfahren, welches aus drei Prozessstufen besteht. Die Prozessschritte und die zugehörige Anlagentechnik des stofflichen Verwertungsprozesses hin zum grünen Wasserstoff sind in Abbildung 1 schematisch dargestellt.

1. Hydrolyse

Die Hydrolyse ist ein patentierter Prozessschritt, wobei der Kohlenstoff in der Flüssigkeit gelöst wird. Dabei werden die organischen Reststoffe unter Druck und Temperatur verkohlt. Die Feuchtigkeit aus dem Inputmaterial wird als Wasserdampf in Form von Brüden frei, der in der zweiten Stufe wieder eingesetzt wird. Zwischenprodukt ist eine trockene Kohle mit einem Brennwert vergleichbar mit Braunkohle, die kaum mehr Wasser enthält (95–97 % Trockensubstanzgehalt).

2. Vergasung

Die Vergasung ist ein etabliertes Verfahren. Die Kohle aus dem ersten Prozessschritt wird fein gemahlen und in einem Vergaser mit einem Teil der in Stufe 1 freigesetzten Brüden (Wasserdampf) thermochemisch umgesetzt. Es entsteht ein Gas, auch Synthesegas genannt, welches bis zu ca. 55 Vol.-% i.Tr. [1] aus Wasserstoff, der restliche Teil ist eine Kombination aus Kohlenstoffmonoxid sowie Kohlenstoffdioxid und anderen Gaskomponenten. In einer Atmosphäre von 1.100° C werden organische Schadstoffe vollständig zerstört, so beispielsweise pathogene Mikroorganismen, Medikamenten-, Hormonrückstände und Mikroplastik.

Durch das Verfahren fällt die Asche [2], die im Faulschlamm enthalten ist, an. Darin befinden sich unter anderem Phosphate, Sulfate, Kalium, Magnesium und Calcium. Je nach Ausgangsmaterial kann die Asche als Dünger verwendet werden. Alternativ dazu wird die Asche deponiert.

3. Gasaufbereitung

Zunächst wird in der Wassergas-Shift bezeichneten Prozessstufe der Wasserstoffgehalt des Gases weiter erhöht, indem das Synthesegas mit weiterem Wasserdampf aus Prozessschritt 1 kombiniert wird. Nach der Wassergas-Shift besteht das Gas zu etwa 65 Vol.-% i.Tr. aus Wasserstoff. Der Rest ist größtenteils Kohlenstoffdioxid, welches in einem nächsten Schritt der Gasaufbereitung nach Stand der Technik, mit einer Druckwechseladsorption, abgetrennt wird. Weitere Feinreinigungsschritte zur Aufreinigung und Verdichtung folgen. Mit dem Anlagenkonzept ist eine Wasserstoffqualität 5.0 für Brennstoffzellenanwendungen möglich. Der Wasserstoff kommt mit 20 bar aus der Anlage und wird direkt auf 450 bar verdichtet.

Das hier beschriebene Verfahren ermöglicht außerdem die Rückgewinnung des Phosphors zu großen Teilen. Zudem wird die Abfallmenge vom Input zur Asche um ca. 95 % reduziert.

Modularer Aufbau für mehr Flexibilität

Die blueFLUX-Anlagen werden in modularen Containereinheiten, wie in Abbildung 2 zu sehen, gebaut. Somit sind die Anforderungen an den Standort gering, eine Betonplatte oder eine einfache Halle sind ausreichend. Zudem erlaubt der modulare Aufbau auch Flexibilität in den Output-Stoffen. Es ist zum Beispiel möglich, zuerst eine Anlage für Kohleerzeugung aufzubauen und anschließend bis zum Wasserstoff zu erweitern.

Die Demonstrationsanlagen

Die kleine blueFLUX-Demonstrationsanlage läuft seit über einem Jahr auf dem Gelände der Holzner Druckbehälter GmbH, unserem Mutterunternehmen, in ihren Kernkomponenten stabil. Zusätzlich befinden sich aktuell zwei Demonstrationsanlagen im Aufbau und sollen Ende des Jahres 2023 in Betrieb genommen werden.

Die erste Demonstrationsanlage wird bei einem Ziegelhersteller eingesetzt. Aus Klärschlamm entsteht ein Erdgas-Ersatz in Form von Synthesegas. Die zweite Anlage findet ihre Anwendung in der Landwirtschaft, wo aus Gülle, Mist und Gärrest Pflanzenkohle und Wasserstoff für die Mobilität produziert werden sollen.

Anmerkungen

[1] i. Tr.: im Trockenzustand; das heißt der angegebene Volumenanteil bezieht sich auf das trockene Gas.

[2] Der Aschegehalt (Mineralbestandteile) von absolut trockenem Klärschlamm liegt im Bereich 20-40 % Netznutzung.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 04/2023 JUL/AUG