Quantencomputer

Steht die Revolution vor der Türe?

Beitrag von Manpreet Jattana M.Sc. und Prof. Dr. Kristel Michielsen Jülich, Supercomputing Centre

Seit mehr als 20 Jahren wird zum Thema Quantencomputer geforscht und in letzter Zeit mehren sich die Erfolgsmeldungen. Mit ausgefeilter Technik können quantenmechanische Schwebezustände der aktiven Rechenelemente immer länger aufrechterhalten werden, eine Voraussetzung für das Funktionieren dieses Konzeptes. Viele große Konzerne versprechen die baldige Marktreife der Geräte, im IT-Bereich sieht man Probleme mit den gängigen Verschlüsselungen. Über die unterschiedlichen Konzepte eines Quantencomputers, wofür er eingesetzt wird und wie die Zukunft der Quantencomputer aussieht.

Einheiten im klassischen Computer

Eine Binärziffer, die zwei Zustände aufweist, die als 1 oder 0 dargestellt werden, also das bekannte Bit, ist die grundlegende Speicher- und Arbeitseinheit eines klassischen Computers. Der Wert eines Bits wird meist durch die Ladung eines Kondensators in Verbindung mit einem festgelegten Schwellwert definiert.

Was ist ein Quantencomputer?

Beim Quantencomputer (QC) ist die logische Grundeinheit eine Quanten-Binärziffer, das „Quantenbit“ oder „Qubit“. Abhängig von der Art des QCs kann ein Qubit durch Zustände von Photonen, Atomen, Ionen usw. repräsentiert sein.

Weitere technisch interessante, makroskopischere Varianten solcher Quantensysteme sind supraleitende Schaltungen. In ihnen können unter bestimmten Bedingungen beide Stromrichtungen bzw. zwei Ladungszustände überlagert sein. Ein solches Quantenobjekt kann entsprechend codierte logische Zustände „0“ oder „1“ annehmen, aber auch beliebige überlagerte Zwischenzustände.

Begriffe der Quantenmechanik

„Überlagerung“ und „Verschränkung“ sind zwei von vielen quantenmechanischen Begriffen, die im Zusammenhang mit QCs auftauchen.

In der Quantentheorie bedeutet Überlagerung die Fähigkeit eines Quantenobjekts, mehrere mögliche Zustände gleichzeitig einzunehmen.

Verschränkung ist die Fähigkeit von zwei oder mehr Quantenobjekten, sich in einem Zustand zu befinden, in dem sie auf seltsame Weise miteinander verbunden sind. Die Gesetze der Quantentheorie sind vielfach überprüft, aber unintuitiv, und sie stehen im Widerspruch zu einer anderen etablierten physikalischen Theorie – Einsteins Relativitätstheorie.

Einer Ansicht nach ist die Natur inhärent so, wie wir sie beobachten, und wir müssen sie so akzeptieren. Nach einer anderen Ansicht deuten beide Konzepte auf eine Unvollständigkeit der Quantentheorie hin. Wenn man also QCs hat, bei denen Quantenkonzepte direkt verwendet werden, eröffnen sich damit neue Möglichkeiten, um neue Theorien jenseits der heutigen Quantentheorie zu entwerfen und entsprechende Experimente durchzuführen.

Konzepte von Quantencomputern

Es gibt zwei Arten von QCs: Quanten-Annealer und Gatter-basierte QCs.

  • Annealer beruhen darauf, dass gekoppelte Qubits von einem definierten Ausgangszustand hin und her springen und sich so lange umstellen, bis das gesamte System seine minimale Energie erreicht hat. Dieses Minimum entspricht dann der Lösung des Problems, das wir zu lösen versuchen. Abb. 1 zeigt den Quanten-Annealer D-Wave 2000Q, ein Quantenprozessor mit etwa 2000 supraleitenden Schleifen (Qubits). Die Arbeitstemperatur liegt bei 15 mK.
  • Gatter-basierte QCs basieren auf Schaltungen, bei denen der Rechenprozess auf den Zuständen einer Folge von reversiblen Quantengattern beruht. Gatter-basierte QCs mögen auf lange Sicht besser sein, da sie eine hohe Flexibilität bieten, kurzfristig sind Annealer jedoch leistungsfähiger. Abb. 2 zeigt einen Gatter-basierten Prozessor: Googles Quantenchip „Foxtail“ mit 22 supraleitenden Schaltungen (Xmon-Qubits). Die Arbeitstemperatur liegt bei 10 mK.

Steuern lassen sich die Zustände der Qubits z. B. durch Mikrowellenpulse auf supraleitende Schaltungen, wie sie im Google-Quantenprozessor verwendet werden, oder durch Laserpulse auf Quantenobjekte in Ionenfallen.

Beim Annealer werden die Quantenobjekte durch das Anlegen von Magnetfeldern gesteuert

Herausforderungen für QCs

Für beide Arten von QCs ist es eine große Herausforderung, Probleme und Algorithmen für einen konventionellen Computer in solche für den QC zu übersetzen. Eine große technische Herausforderung ist es aber auch, die Quantenobjekte für eine ausreichende Zeit, mindestens einige Mikrosekunden, in ihrem Überlagerungszustand zu halten.

Wer braucht den Quantencomputer?

Quantencomputer stoßen bei Industrie- und Wissenschaftsgruppen, die bereits Supercomputer für ihre Forschungsprogramme und Anwendungen einsetzen, auf zunehmendes Interesse. Die Pilot-QC-Anwender sind in erster Linie daran interessiert zu testen, ob die verfügbaren QCs heute oder in absehbarer Zeit zur Lösung der für sie relevanten Probleme geeignet sind. Es ist wichtig, dass sich die Industrie schnell auf den Einsatz von QCs zur Lösung spezifischer Probleme vorbereitet. Die Konkurrenz schläft nicht.

Post-Quantum-Kryptografie

Ein eminent wichtiger Punkt im Kontext der Cyber-Sicherheit ist aber, dass der Quantencomputer die heute gebräuchlichsten Verschlüsselungsmethoden unwirksam machen könnte. Dies liegt daran, dass die Public-Key-Codierung auf der Produktbildung zweier (sehr großer) Primzahlen basiert. Diese ist leicht durchzuführen, aber die Umkehrung, nämlich die Faktoren aus einem bekannten Produkt zu finden, die sogenannte Primfaktorisierung, ist heute noch praktisch unmöglich.

1994 stellte der amerikanische Mathematiker und Informatiker Peter Shor jedoch einen Algorithmus vor, der, auf einem QC verwendet, die Primfaktoren exponentiell schneller berechnen würde als ein klassischer Computer und somit die Standard-RSA-Verschlüsselung brechen könnte. Dieses wurde an Simulatoren von QCs, die auf den schnellsten heutigen Supercomputern der Welt betrieben wurden, positiv getestet.

Es gibt also nur einen Ausweg: Die Verschlüsselungsstandards müssen gehärtet werden, um in einer Post-Quantum Welt zu überleben.

Mythen und Realitäten

Persönliche Pocket QCs in naher Zukunft: Möglicher Mythos

Unsere täglich genutzten (klassischen) Computer sind bereits sehr gut und es wird erwartet, dass sie für die meisten Zwecke nützlich bleiben. Ein QC, der in der Praxis nützlich sein kann, ist immer noch Zukunftsmusik, auch wenn große Unternehmen wie IBM, Google und Intel seit einigen Jahren erhebliche Ressourcen in ihre Entwicklung investieren. Auf lange Sicht kann es jedoch anders sein, wenn die Entwicklung der QCs fortschreitet.

QCs werden klassische Computer ersetzen: Mythos

Es wird erwartet, dass der Einsatz von QCs hauptsächlich im Bereich von Berechnungen bleiben wird, wo klassische Computer entweder ineffizient sind oder eine Berechnung algorithmisch nicht möglich ist. QCs, die zusammen mit Supercomputern im Hybridmodus betrieben werden, können wahrscheinlich viel bessere Rechen- und Energieeffizienz erreichen als Supercomputer allein. Es wird erwartet, dass klassische Computer für den täglichen Gebrauch durch den Endbenutzer weiterhin nützlich bleiben.

Extrem schnelles Rechnen: Mögliche Realität

Im Prinzip gibt es nichts, was ein QC leisten kann, ein klassischer Computer aber nicht. In der Praxis machen Größe, Energieverbrauch, Rechenleistung und -zeit große Unterschiede aus. Bestimmte Probleme können schneller gelöst werden – exponentiell schneller. Diejenigen Probleme, die sich derzeit und in naher Zukunft außerhalb des Bereichs der leistungsfähigsten Supercomputer, aber im Rahmen der QCs befinden, sind von besonderem Interesse und werden voraussichtlich die Industriestandards revolutionieren.

Die Nutzung von QCs wird langfristig zunehmen: Mögliche Realität

Es ist zwar richtig, dass sich die QCs in naher Zukunft in erster Linie auf sehr spezifische Probleme konzentrieren werden, aber man kann nicht behaupten, dass dies langfristig der Fall sein wird. Ganz grob ausgedrückt könnten wir uns bei der Entwicklung der QCs derzeit in einem Stadium befinden, in dem klassische Computer bei der Erfindung des Transistors standen. Mögliche Anwendungen von QCs wurden für Verschlüsselung, Verkehrsoptimierung, Produktionsplanung, Pharmazie, Luftfahrt, autonomes Fahren, Satellitenoptimierung, quantengestütztes Maschinenlernen, um nur einige zu nennen, gefunden. Es gibt auch anstehende wissenschaftliche Anwendungen von QCs, z. B. im Bereich der Materialwissenschaft und der Simulation von Quantensystemen

Und die Zukunft?

Obwohl wir einige Mythen und Realitäten im Zusammenhang mit QCs und ihren Einsatzmöglichkeiten für industrielle und wissenschaftliche Anwendungen aus heutiger Sicht diskutiert haben, wären langfristige Vorhersagen unwissenschaftlich. Wir arbeiten an der Zukunft, aber die Zukunft wird stets anders aussehen als das, was wir uns heute vorstellen können!

Originalsprache Englisch
Ins Deutsche übersetzt von Fritz Münzel unter Zuhilfenahme von www.DeepL.com

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2019 November/Dezember