5G – Die nächste Mobilfunkgeneration

Beitrag von Rainer Liebhart, NOKIA Deutschland

Als Nachfolger des sehr erfolgreichen und gegenwärtig modernsten Mobilfunksystems Long Term Evolution (LTE), auch unter dem Begriff 4G bekannt, wird der kommende Mobilfunkstandard 5G eine breite Palette von neuen Anwendungsgebieten abdecken und damit Netzbetreibern, Unternehmen und Endkunden völlig neue Erfahrungen bieten und neue Geschäftsfelder eröffnen. Sprache steht dabei nicht mehr im Vordergrund – 5G wird vielmehr als universales Kommunikationssystem konzipiert. Mehr über die Technik und Anwendung des neuen Mobilfunkstandards erfahren Sie in diesem Bericht.

Bausteine für 5G – 5G-Antennen-Workshop

5G wurde durch die Standardisierungsorganisation 3GPP (3rd Generation Partnership Project) [1] von Grund auf neu konzipiert.

Eine völlig neue Radioschnittstelle, eine neue Netzarchitektur, die von Anfang an auf die Virtualisierung von Netzkomponenten setzt und Techniken wie Network Slicing erlauben es, verschiedene logische Netze für unterschiedliche Anwendungsfälle (z.B. Industrieanwendungen in Fabriken, Behördenfunk, Internetzugang) aufzubauen und kostenoptimiert zu betreiben.

Definiert ist der 5G Standard durch das Release 15 von 3GPP, das in wesentlichen Teilen im Juni 2018 fertiggestellt wurde.

Neuer Mobilfunkstandard, neue Möglichkeiten

5G wird bei einigen der wichtigsten Kennzahlen im Mobilfunk – wie z.B. Kapazität pro Zelle und Teilnehmer, Latenzzeiten, Verbindungsaufbauzeiten, spektrale Effizienz und Verfügbarkeit – das derzeit modernste System LTE um ein Vielfaches übertreffen.

Zusammen mit dem Network Slicing-Konzept eröffnen sich damit ganz neue Geschäftsfelder z.B. im Bereich der Digitalisierung und Vernetzung von Betrieben, Häfen, Flughäfen und ganzen Städten. Netzbetreiber werden in der Lage sein, ihre Netze als eine Art Dienstleistung Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die damit neue Geschäftsideen verwirklichen oder bestehende effizienter gestalten können.

Das Mobilfunknetz der Zukunft wird nicht mehr ein geschlossenes System sein, sondern sich über gesonderte Schnittstellen der Außenwelt öffnen und jegliche Art von Informationen bereitstellen können. Aber auch der Nutzer eines Smartphones, Tablets oder anderer vernetzter Endgeräte wie VR-Brillen wird von den neuen Möglichkeiten, die 5G bietet, profitieren, nicht zuletzt von sehr viel schnelleren Datenverbindungen, kürzeren Zugriffszeiten von im Durchschnitt einer Millisekunde und einer höheren Zuverlässigkeit, bzw. Erreichbarkeit.

Anwendungsfälle

Mit 5G wird es möglich sein, alle Arten von Maschinen zu vernetzen, seien es einfache Strom- oder Wasserzähler, hochkomplexe Fabrikanlagen oder mobile Roboter, die in diesen Fabriken eingesetzt werden.

5G erlaubt es, Millionen oder Milliarden von Zählern kostengünstig zu vernetzen. Ebenso erlaubt es die Technik, vollständig automatisierte Fabriken aufzubauen, in denen mobile Roboter untereinander vernetzt werden, um komplizierte Tätigkeiten auszuführen, welche extrem niedrige Latenzzeiten und eine sehr hohe Systemverfügbarkeit (99.999 % oder mehr) erfordern.

Die Verknüpfung von Fahrzeugen – Stichwort Autonomes Fahren – wird mit 5G ebenso möglich sein wie das schnelle Herunterladen von Videos oder das Nutzen von Online-Spielen sowie von VR/AR-Anwendungen (Virtual / Augmented Reality). Mit 5G wird es möglich sein, kosteneffizient Geräte zu verbinden, die sehr unterschiedliche Anforderungen an Datendurchsatz, Verfügbarkeit und Latenz haben.

Text 5

ITU-R hat in der IMT 2020 Vision (IMT= International Mobile Telecommunications) folgende drei große Anwendungsfälle (siehe Abbildung 1) für die nächste Mobilfunkgeneration identifiziert:

  • enhanced Mobile Broadband (eMBB),
  • Ultra-Reliable and Low Latency Communications (URLLC)
  • und massive Machine-Type Communications (mMTC).
     

Diese Anwendungsfälle wurden dann von anderen Organisationen wie NGMN (Next Generation Mobile Networks), 5GPPP (5G Public-Private Partnership) und 3GPP aufgegriffen, um basierend auf konkreten Applikationen Spezifikationen für den Durchsatz, Latenzzeiten und die Verfügbarkeit zu fordern, die die nächste Mobilfunkgeneration – basierend auf dem 5G Standard – erfüllen wird.

Sprache gehört im 5G-Netz nicht mehr zu den primären Anwendungen. Sie wird nur mehr über das sog. IP Multimedia Subsystem (IMS) unterstützt. Allerdings ist ein Rückfall auf den Sprachdienst in GSM oder UMTS nicht vorgesehen. Ist Sprache im 5G Netz nicht möglich oder wird Sprache in einer 5G Zelle nicht unterstützt, ist ein Rückfall auf LTE vorgesehen.

Frequenzbereiche

Der Schlüssel zum Aufbau der Netze liegt in der frühzeitigen Frequenzvergabe durch die Regulatoren in den verschiedenen Ländern.

3GPP hat eine breite Palette von möglichen 5G-Frequenzen festgelegt, die Bänder im Bereich unterhalb 1 GHz, im Bereich 1 bis 6 GHz und im Bereich oberhalb 6 GHz (bis zu 100 GHz) einschließen.

Von besonderem Interesse sind die Bänder um 3.5 GHz, da diese global verfügbar sind und sowohl gute Netzabdeckung als auch hohe Durchsatzraten versprechen. Diese Bänder gehören zum sogenannten Zentimeterwellen-Bereich. Bänder um 30 GHz oder höher (Millimeterwellen) bieten sehr viel mehr Datendurchsatz (>10 Gbit/s pro Teilnehmer), auch wegen der großen zur Verfügung stehenden Bandbreite von z.B. 400 MHz oder 800 MHz. Sie haben aber eine sehr eingeschränkte Reichweite von typischerweise wenigen 100 m und erfordern eine Sichtverbindung zwischen Endgerät und Funkantenne.

Für Hotspots oder Anwendungen wie Fixed Wireless Access (FWA), d.h. eine 5G-Funkstrecke ersetzt das Kupferkabel oder die Glasfaser auf der letzten Meile zum Haus des Endkunden, sind auch Lösungen mit Millimeterwellen (z.B. 28 GHz in USA bei Verizon Wireless für FWA oder 26 GHz in Deutschland) geplant

Versteigerung von Frequenzen in Deutschland

In Deutschland ist eine Versteigerung von Frequenzen im 3.6 GHz- und 2 GHz-Band für Anfang 2019 geplant. Parallel dazu sollen Frequenzen in den Bereichen 3.700 MHz bis 3.800 MHz und 26 GHz zur lokalen und regionalen Nutzung auf Antrag bereitgestellt werden.

Damit soll es möglich werden, lokale Netze in Betrieben, Städten und sogenannten Hotspots wie Stadien aufzubauen. Die genauen Vergaberichtlinien für diese lokalen Netze müssen erst noch von der Bundesnetzagentur festgelegt werden.

Lizenzen im Bereich 3.5 GHz sind z.Z. zwar an Netzbetreiber vergeben, werden aber nicht genutzt und stehen damit für die Versteigerung Anfang 2019 zur Verfügung. Frequenzen im Bereich um 2 GHz sind teilweise bis Ende 2020 vergeben, gehen aber trotzdem in die Frequenzvergabe ein. Diese Frequenzen können auch für LTE verwendet werden, da die Lizenzvergabe technikneutral ist.

Einführungsstrategien

NSA- und SA-Lösung

Im Hinblick auf eine schnelle und möglichst reibungslose Einführung von 5G wurden durch 3GPP verschiedene Optionen definiert, die es einem Netzbetreiber erlauben, 5G stufenweise aufzubauen. Diese Optionen unterscheiden grundsätzlich zwischen einem eigenständigen und einem nicht-eigenständigen Aufbau eines 5G-Netzes, Standalone (SA) und Non-Standalone (NSA).

Bei einer NSA-Lösung wird die 5G-Basisstation durch eine bestehende LTE-Basisstation gesteuert. Steuern bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nur die LTE-Basisstation eine Signalisierungsverbindung zum Endgerät und zum Netz unterhält und den Aufbau der Datenverbindung zwischen 5G-Basisstation und Endgerät sowie zwischen 5G-Basisstation und Netz anstößt. In der NSA Option 3X wird das bestehende Mobilfunknetz für LTE (Evolved Packet Core – EPC) weiterverwendet. Damit eignet sich diese Option am besten, um mit geringem Aufwand und möglichst schnell höhere Datenraten mittels 5G den Kunden anzubieten. Ein Großteil der Netzbetreiber hat sich daher entschieden, 5G mittels dieser Option in ihren Netzen einzuführen.

Bei einer SA-Lösung ist die 5G Basisstation direkt an das neue 5G Netz angeschlossen.

Endgeräte

Neben der Verfügbarkeit von Frequenzen ist auch die schnelle Verfügbarkeit von Endgeräten wie Smartphones und Tablets entscheidend, um eine rasche Akzeptanz der neuen Technologie zu gewährleisten. Erste kommerzielle 5G-Chipsets, die die oben erwähnte NSA-Architektur Option 3X unterstützen und Frequenzen unterhalb 6 GHz (insbesondere 3.5 GHz) sowie Frequenzen im Millimeterbereich (z.B. 28 GHz und 39 GHz) abdecken, sind für Ende 2018 geplant.

Danach wird es bis ca. Mitte 2019 dauern, bis erste Endgeräte mit diesen Chipsets auf dem Markt sind. Diese Endgeräte sind dann zumindest 5G und LTE fähig. In vielen Fällen werden sie auch GSM und UMTS weiterhin unterstützen, z.B. um Sprachdienste anbieten zu können. Unterstützung von Frequenzen unterhalb 1 GHz ist im Jahr 2019 vorgesehen, die tatsächliche Markteinführung hängt vom Fortschritt der Arbeiten in der 3GPP und dem Interesse von Netzbetreibern ab.

Radioarchitektur

Im Bereich des Radionetzes wurden viele neue Konzepte eingeführt, um hohe Durchsatzraten, niedrige Latenzzeiten, hohe Verfügbarkeit, aber auch geringe Interferenz und damit eine höhere spektrale Effizienz zu gewährleisten.

Um nur einige dieser neuen Konzepte zu erwähnen:

  • Unterstützung von Frequenzen unter 1 GHz bis 100 GHz mit Bandbreiten von mehreren 100 MHz.
  • Massive MIMO (Multiple-Input-Multiple-Output) und Beamforming, um mehrere Datenströme zum Endgerät senden zu können und Datenströme auf Bereiche einer Zelle konzentrieren zu können, in denen sich Endgeräte befinden (was z.B. die Reichweite erhöht und Interferenzen vermeiden hilft).
  • Einführung des Mini-Slot Konzeptes um zeitkritische (kurze) Pakete zeitnah übertragen zu können, weniger zeitkritische Pakete werden verdrängt und später erneut übertragen.

Eine wichtige Neuerung auf Seiten der Radioarchitektur ist die Möglichkeit, den sog. Radio Protokoll Stack aufzuspalten und beide Teile auf getrennten Plattformen zu implementieren. Damit können die nichtzeitkritischen Anteile als virtualisierte Funktionen in einer Cloud und die zeitkritischen Anteile auf der eigentlichen Basisstation in der Nähe der Antenne implementiert werden.

Netzarchitektur

Neben neuen Konzepten im Radionetz hat 3GPP auch ein neues Kernnetz spezifiziert, das konsequent zwischen der Datenschicht und der Kontrollschicht trennt. Auch im Kernnetz wurden viele neue Funktionen eingeführt, insbesondere Network Slicing. Network Slicing bietet die Möglichkeit, für Anwendungen mit besonderen Anforderungen an Latenz, Verfügbarkeit, Durchsatz, Sicherheit, etc. ein optimiertes logisches Übertragungsnetz, bestehend aus virtualisierten Funktionen, bereitstellen zu können.

Das Slicing-Konzept ist auch auf das Radio- und Transportnetz übertragbar, d.h. auch dort können die vorhandenen Ressourcen auf die einzelnen Slices (logische Netze) dynamisch aufgeteilt werden. Somit ist Network Slicing ein Ende-zu-Ende Konzept.

In dem VDE/ITG Diskussionspapier [2] werden die neuen 5G Konzepte, wie z.B. Network Slicing vorgestellt und die Empfehlung ausgesprochen, beim Ausbau künftiger Breitbandnetze die Voraussetzung für neue Anwendungen zu schaffen. Gesichtspunkte der Netzneutralität müssen den neuen technischen Entwicklungen angepasst werden, um neue Dienste zu ermöglichen. Die Architektur des neuen 5G-Kernnetzes ist bekannt unter dem Namen Service Based Architecture (SBA), (siehe Abb. 2).
 

SBA bezieht sich allerdings streng genommen nur auf die Kontrollschicht, nicht auf die Datenschicht, auf der die Datenpakete zwischen Endgerät und Datennetz (z.B. dem Internet) vermittelt werden. Mit SBA stellen Netzfunktionen ihre definierten Dienste anderen Netzfunktionen zur Verfügung.

Neben SBA wurde auch noch eine Reihe anderer Neuerungen in die 5G-Netzarchitektur eingeführt, z.B. ein neues Quality-of-Service Modell, bei dem nun einzelne Flows im Netz eine spezielle Behandlung bekommen können. Damit kann das 5G-Netz flexibler und schneller auf die Anforderungen einzelner Applikationen reagieren.

Zusammenfassung

5G ist nicht einfach eine Fortsetzung oder Evolution der bestehenden LTE-Technik mit höherem Datendurchsatz und niedrigerer Latenzzeit, sondern eine Revolution in puncto Radio- und Netzarchitektur. Insbesondere die Möglichkeit, diese Architektur weitestgehend in einer Cloud zu implementieren und mit offenen Schnittstellen und Network Slicing neue Geschäftsfelder zu eröffnen, bietet den Netzbetreibern völlig neue Möglichkeiten im Hinblick auf die Monetarisierung ihrer Netzinfrastruktur.

Verbraucher und Unternehmen werden von Möglichkeiten, die 5G ihnen bieten wird, ebenso profitieren. Sei es, dass das Laden von Dateien, Spielfilmen, etc. schneller vonstattengeht, sei es, dass Online-Spiele erst möglich werden oder ganze Fabriken digitalisiert und vernetzt werden können.

Weitere Informationen zu 5G

[1] 3GPP Specifications
[2] VDE ITG Diskussionspapier: Offenes Internet in Deutschland - eine Bestandsaufnahme. Mai 2018. Kostenfreier Download über VDE-Shop.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2018 September/Oktober