Industrie 4.0 in der Supply Chain

Beitrag von Prof. Dr. Erik Hofmann und Katrin Oettmeier M.Sc., Lehrstuhl für Logistikmanagement Universität St. Gallen, Schweiz

Im Kern von Industrie 4.0 steht eine Vielzahl an Technologien, welche die digitale Vernetzung von Objekten ermöglichen. Der Beitrag analysiert die derzeitige und künftige Verwendung von Industrie 4.0-Technologien und -Lösungen bei Schweizer Unternehmen auf Grundlage der Logistikmarktstudie Schweiz, Band 2017.

Industrie 4.0: Basistechnologien und Lösungen

Während die sogenannten Industrie 4.0-Basistechnologien (z.B. Sensortechnologien, Auto ID-Technologien) die Grundlage für die Digitalisierung eines Wertschöpfungsnetzwerkes schaffen, ermöglichen die darauf aufbauenden weiterführenden Industrie 4.0-Lösungen (z.B. Big Data-Analytics, Advanced Planning Systems) die automatisierte – wenn nicht sogar autonome – Durchführung und Steuerung diverser Vorgänge.

Derzeit in der Praxis besonders verbreitet sind Technologien zur Positionsbestimmung, z.B. GPS. Rund 57 % der befragten Verlader und 95 % der Logistikunternehmen haben solche Technologien bereichs- oder unternehmensweit im Einsatz. Darüber hinaus werden Mobilfunk- und Aktorentechnologien stark genutzt. Letztere haben sich vor allem im Handel und in der Prozessindustrie stark etabliert: Mehr als drei Viertel der Unternehmen in diesen Branchen greifen auf Technologien zurück, die spezifische Regelungsvorgänge auslösen können.

Blockchain- und Cyber Protection-Technologien haben sich bislang bei Schweizer Firmen hingegen noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Weniger als 15 % der Verlader haben diese Technologien im Einsatz. Auch bei den Logistikdienstleistern sind insbesondere Blockchain-Technologien noch sehr wenig verbreitet. Ein Grund hierfür könnte neben fehlendem technischen Know-how und der noch relativ überschaubaren Auswahl an Lösungsanbietern ein fehlendes Vertrauen in die Sicherheit dieser dezentralen Netzwerktechnologie sein.

Avisierte Investitionen in Industrie 4.0-Technologien

Sowohl Verlader als auch Logistikdienstleister treiben vor allem das „Mobil-Machen“, d.h. die Ausstattung von Anlagen, Fahrzeugen und Ladungsträgern mit Funktechnologien unternehmensintern voran. Dies zeigt sich auch in deren avisierten Investitionen: 98 % der befragten Akteure aus Industrie, Handel und Logistik planen binnen der kommenden 3 Jahre Anschaffungen in diesem Bereich.

Investitionen in Technologien zur automatischen Identifikation, z.B. RFID, hat sich in naher Zukunft hingegen lediglich eine überschaubare Anzahl an Unternehmen vorgenommen, wenngleich derzeit nur rund 53 % der Akteure diese Technologien einsetzt. Dies lässt auf eine bestehende Handlungslücke schließen, da Auto ID-Technologien zusammen mit weiteren Sensoren und Aktoren als wichtiger Enabler für die Digitalisierung von Objekten gelten, welche wiederum eine Voraussetzung für die Automatisierung und Selbststeuerung darstellt.

Cyber Protection- und Blockchain-Technologien werden in den nächsten Jahren deutlich an Relevanz gewinnen. Mehr als die Hälfte der Logistikunternehmen beabsichtigt in den kommenden Jahren Investitionen in Blockchain-Technologien, bei Cyber Protection-Technologien beläuft dieser Anteil auf etwa ein Viertel der Befragten.

Nutzung von Industrie 4.0-Lösungen

Im Bereich der Industrie 4.0-Lösungen setzen Industrie- und Handelsunternehmen stark auf intelligente Gebäudetechnik. Rund 92 % der befragten Verlader nutzen derzeit Lösungen in diesem Bereich, beispielsweise zur automatischen Lichtsteuerung und Temperaturregulierung.

Ähnlich verhält es sich bei den Logistikdienstleistern, wobei jedoch lediglich 46 % der Logistikanbieter solche Gebäudelösungen bereichs- oder unternehmensweit im Einsatz haben. Der Grund für die etwas geringere Nutzung von intelligenter Gebäudetechnik bei den Dienstleistern im Vergleich zu den Verladern könnte im Leistungsangebot der Logistikunternehmen liegen: Sofern nicht alle Logistikdienstleister spezifische Lagerhäuser betreiben, vermindert sich auch deren Bedarf an einer entsprechenden Gebäudeausstattung.

Additive Fertigungstechnologien werden derzeit von knapp 40 % der Industrie- und Handelsunternehmen eingesetzt, wobei besonders Investitionsgüterhersteller und das verarbeitende Gewerbe den „3D-Druck“ verstärkt nutzen. Da der überwiegende Teil der Anwendungen punktuell bzw. im Pilotstatus erfolgt, ist davon auszugehen, dass nur wenige Firmen die additive Fertigung zur Herstellung industrieller Produkte heranziehen. Das dominanteste Einsatzfeld dieser Technologien stellt stattdessen vermutlich der Prototypenbau dar.

Zukünftige Investitionen in additive Fertigungstechnologien

In den kommenden 3 Jahren planen etwa 34 % der befragten Logistikdienstleister Investitionen in additive Fertigungstechnologien. Dies ist ein beträchtlicher Zuwachs in Anbetracht der Tatsache, dass derzeit weniger als 1 % der Logistikfirmen solche Technologien im Einsatz haben. Der Grund für das starke Interesse der Dienstleister an der additiven Fertigung könnte in dem enormen Potenzial der Technologien für eine bedarfsorientierte Ersatzteilherstellung liegen. So ist denkbar, dass Logistikdienstleister künftig anstelle der Lagerung von Ersatzteilen bzw. der dafür benötigten Werkzeuge eine Ersatzteilfertigung „on demand“ betreiben.

Weiterführende Informationen rund um das Thema Industrie 4.0 finden sich in der Fokusstudie „SCM 4.0: Supply Chain Management und digitale Vernetzung“ zur Logistikmarktstudie Schweiz 2017.

Logistikmarktstudie Schweiz

Die Logistikmarktstudie Schweiz wird gemeinsam von Verein GS1 Schweiz und dem Lehrstuhl für Logistikmanagement der Universität St. Gallen unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Stölzle erarbeitet.

Neu sind in der 10. Ausgabe neben einer Basisstudie zu allgemeinen Fragestellungen aus dem Bereich Logistik und Supply Chain drei Fokusstudien integriert. Letztere konzentrieren sich auf Themen wie «SCM 4.0: Supply Chain Management und digitale Vernetzung», «temperaturgeführte Logistik» und «Intralogistik». Die Studien sind erhältlich auf der Website von GS1.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 Mai/Juni