Im Visier skrupelloser Fälscher

Produktpiraterie

Beitrag von Christine Lacroix, Aktion Plagiarius e.V., E-Mail: info@plagiarius.com  Web: www.plagiarius.com

Globalisierung, Digitalisierung und eine zunehmende Preisfokussierung begünstigen die seit Jahren anhaltende explosionsartige Ausbreitung von Produkt- und Markenpiraterie. Allein in der EU wurden 2021 laut den europäischen Behörden etwa 86 Millionen gefälschte Waren beschlagnahmt und aus dem Verkehr gezogen, ein Anstieg von fast 31 % gegenüber 2020. Und das sind nur die nachweislichen Aufgriffe, also die Spitze des Eisbergs. Den internationalen Handel mit Fälschungen bezifferten die Behörden für 2019 auf alarmierende 412 Milliarden Euro, was 2,5 % des Welthandels entspricht.

Die Täterstruktur reicht vom ideenlosen Mitbewerber über professionelle Fälscherbanden bis zur organisierten Kriminalität. Verkauft werden nachgemachte Waren heutzutage in allen Preis- und Qualitätsabstufungen: Von gefährlichen Billigfälschungen bis zu qualitativ hochwertigen Plagiaten, die kaum günstiger als das Originalprodukt sind.

Besorgniserregend finden Experten zudem die Skrupellosigkeit, mit der Fälscher immer häufiger extrem minderwertige Fälschungen anbieten, die Gesundheit oder Leben der Verbraucher gefährden. Und auch für den B2B-Sektor bestätigt der VDMA, Verband Deutscher Maschinenund Anlagenbau, dass Fälschungen oftmals eine Gefahr für die Bediener von Maschinen und Anlagen oder eine Gefahr für den sicheren Betrieb der Anlage bedeuten.

Fälschungen bedeuten Stillstand

Innovationen entstehen nicht durch „CopyPaste“. Zukunftsweisende Ideen sind daher das wichtigste Kapital für Unternehmen. Kluge Ideen sind aber keine Selbstverständlichkeit. Umso elementarer ist es, kreative Leistungen und technisches Know-how zu fördern, zu schützen, und die herausragende Bedeutung von geistigem Eigentum für die Sicherung von Arbeitsplätzen, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit anzuerkennen. Hinzu kommt, dass die Hersteller regelmäßig finanziell in Vorleistung gehen. Und dieses unternehmerische Risiko muss sich lohnen. Das funktioniert aber nicht, wenn Trittbrettfahrer erfolgreich am Markt etablierte Produkte kopieren, diese ungeniert als eigene Leistung ausgeben, zu einem vermeintlich günstigeren Preis anbieten und so auf unlautere Weise Marktanteile und Gewinne des Originalherstellers abgreifen. Hinzu kommen der Verlust der Glaubwürdigkeit der Marke sowie die Kosten für die Bekämpfung der rechtsverletzenden Nachahmungen und Rückgewinnung von Kunden.

Der schöne Schein trügt

Zur Profitmaximierung verwenden die Nachahmer oftmals billigste Materialien und verzichten auf Qualitätskontrollen sowie auf Sozialstandards in den Fälscherwerkstätten.

Plagiate und Fälschungen sind dem Original also nur auf den ersten Blick täuschend ähnlich. Beispiele für gefährlich minderwertige Plagiate gibt es leider reichlich. Die unschönen Seiten des „Schnäppchens“ zeigen sich beispielsweise in kurzer Lebensdauer, gefährlich mangelhafter Elektronik, eingeschränkter Funktionalität oder in Form von sehr hohen, gesundheitlich bedenklichen Schadstoffbelastungen. So befinden sich unter den PlagiariusPreisträgerprodukten u. a. leistungsschwache elektrische Kühlmittelpumpen, bei denen eine Überhitzung des Motors droht sowie gefälschte WIKA-Druckmessgeräte, die weder die erforderliche Robustheit noch Präzision aufweisen oder aber kopierte INA-Schrägkugellager (Original: Schaeffler), mit mangelhafter Materialund Fertigungsqualität.

Herkunft der Plagiate

Die jährlichen Zollstatistiken zeigen, dass China und die Sonderverwaltungszone Hong Kong nach wie vor Herkunftsland Nr. 1 für Fälschungen sind. Gleichzeitig entwickeln sich immer mehr chinesische Firmen von der verlängerten Werkbank des Westens zu innovativen Mitbewerbern auf den Weltmärkten, die selbst ihre Produkte schützen. Und de facto werden viele Nachahmungen zwar in China hergestellt, aber von Firmen aus Industrieländern in Auftrag gegeben bzw. vertrieben. Und diese Nachahmer kommen immer häufiger aus dem direkten Umfeld und prüfen bei erfolgreichen Wettbewerbsprodukten gezielt die Existenz von gewerblichen Schutzrechten. Sind keine eingetragen, werden Anspruchsdenken und Skrupel über Bord geworfen und fremde Design- und Techniklösungen als eigene Leistung verkauft. Jede Lücke wird (aus) genutzt.

Das belegen sowohl die Erfahrungen der Aktion Plagiarius als auch des Branchenverbandes VDMA. Laut „VDMA-Produktpiraterie-Bericht 2022“ werden Plagiate häufig von ideenlosen Mitbewerbern oder aber von ehemaligen Geschäftspartnern – Lieferanten, Produktions- oder Vertriebspartnern – angeboten. In dem VDMA-Bericht war Deutschland hinter China und Indien mit 19 % auf einem unrühmlichen 3. Platz – davor häufig sogar auf Platz 2. Es lohnt sich die heimische Konkurrenz im Auge zu behalten.

Prüfpflichten des Handels

Wer Produkte vertreiben möchte, muss sicherstellen, dass diese den im Absatzgebiet geltenden Gesundheits-, Sicherheitsund Umweltstandards entsprechen, und dass die Produkte frei von Rechten Dritter in Bezug auf Marken, Design, Patent oder Urheberrechte sind. Auch ein umfangreiches, häufig wechselndes Produktsortiment befreit die Verantwortlichen in Einkauf, Wareneingang und Qualitätsmanagement nicht von diesen Prüfpflichten. Eine sorgfältige Auswahl und Bewertung der Lieferanten sowie regelmäßige Kontrollen sind unerlässlich. Das ist eine Frage von Verantwortung und Respekt gegenüber Wettbewerbern und Kunden.

Digitale Markenverletzungen erfordern digitale Schutzstrategien

Laut Europol werden gefälschte Produkte zunehmend über eCommerce-Plattformen, soziale Medien und Instant-Messaging-Dienste beworben und vertrieben.

Und die Ausprägungen digitaler Markenverletzungen werden immer vielfältiger: Von klassischen Plagiaten, Fälschungen und Urheberrechtsverletzungen über Domainklau und Markenmissbrauch (z. B. Fake AdWords) bis hin zu komplettem Identitätsdiebstahl (z. B. chinesische WIKA-Website) und Fake-Shops. Mit viel krimineller Energie werden Reputation und Know-how renommierter Hersteller ausgenutzt und deren Marken und Glaubwürdigkeit geschwächt.

Für Unternehmen bedeutet das: Es reicht nicht mehr einfach nur gewerbliche Schutzrechte in allen relevanten Märkten anzumelden. Digitale Markenverletzungen erfordern digitale Schutzstrategien. Dazu gehört u. a. ein gut durchdachtes Domain-Portfolio, KI-gestütztes OnlineMonitoring zum Aufspüren und Beseitigen rechtsverletzender Angebote sowie der Einsatz von Echtzeit-Siegeln mit fälschungssicheren Zertifikaten (z. B. authorized.by) mit denen Hersteller ihre autorisierten Partner als solche kennzeichnen können, was auch Verbrauchern Sicherheit beim Online-Kauf gibt.

Strategien gegen Nachahmungen

Dass ein Trittbrettfahrer Nachahmungen herstellt lässt sich präventiv leider kaum verhindern. Betroffene können aber diverse Maßnahmen ergreifen, die es ihnen ermöglichen, den Vertrieb zu unterbinden und die Nachahmer zur Rechenschaft zu ziehen. Zunächst sollte man eine Bestandsaufnahme machen: Wer ist der Nachahmer, wo sitzt er und welche Mengen vertreibt er, habe ich auch dort gewerbliche Schutzrechte, wo die Nachahmungen angeboten werden? Apropos Schutzrechte: Ohne gewerbliche Schutzrechte sind Nachahmungen zwar dreist, aus rechtlicher Sicht aber in vielen Fällen legal, wenn nicht z. B. unlauteres Wettbewerbsverhalten nachgewiesen werden kann. Daher drei Empfehlungen der Aktion Plagiarius:

  • Frühzeitig anmelden – wegen Fristen, und auch um den Nachahmern zuvorzukommen.
  • In allen relevanten Ländern/Märkten – Territorialitätsprinzip – das deutsche Patent endet an der deutschen Grenze.
  • Auch technische Produkte zusätzlich über ein eingetragenes Designrecht absichern – das Prinzip der Fälscher ist „Mehr Schein als Sein“ und man hat ein zusätzliches, günstiges Instrument zur Abwehr.

Mit eingetragenen gewerblichen Schutzrechten haben Betroffene die Möglichkeit Unterlassungs- und Schadenersanzansprüche sowie Auskunftsrechte geltend zu machen. Ein weiterer wichtiger strategischer Partner im Kampf gegen Plagiate ist der Zoll. Er kann rechtsverletzende Waren bereits an den Außengrenzen aus dem Verkehr ziehen.

Für eine bestmögliche Abwehr von Produkt- und Markenpiraterie empfiehlt die Aktion Plagiarius Unternehmen auf eine ganzheitliche Strategie aus juristischen, organisatorischen und technischen Maßnahmen zu setzen. Das beinhaltet selbstredend auch eine professionelle IT-Strategie zum Schutz des Firmen-Know-how sowie das Regeln von Zugriffsrechten – physisch und digital. Große Konzerne führen zudem regelmäßig Razzien in Fälscherwerkstätten durch – dabei ist es wichtig, auch die Werkzeuge mit zu beschlagnahmen. Zur eindeutigen Identifikation des Originals und zur Abwehr von unberechtigten Produkthaftungsklagen können Firmen technische Sicherheitsmerkmale einsetzen – die Auswahl an Dienstleistern und Lösungen ist groß.

Informationen

Plagiarius: Gegen dreisten Ideenklau – Für Innovation und fairen Wettbewerb

Der Negativ-Preis „Plagiarius“ wird jährlich medienwirksam an Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate und Fälschungen verliehen – und das bereits seit 1977. Die Auszeichnung mit dem gefürchteten Schmäh-Preis sagt nichts darüber aus, ob ein nachgemachtes Produkt im juristischen Sinne erlaubt oder rechtswidrig ist.

Ziel der Aktion Plagiarius ist vielmehr, die fragwürdigen, und teils kriminellen Geschäftsmethoden von Produktund Markenpiraten ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, und Industrie, Politik, und vor allem Verbraucher praxisnah für die Problematik zu sensibilisieren. Die „Plagiarius“-Trophäe: Ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase – Symbol für die immensen Profite, die ideenlose Nachahmer sprichwörtlich auf Kosten von Kreativen und der Industrie erwirtschaften. Das Museum Plagiarius in Solingen zeigt in seiner einzigartigen Ausstellung mehr als 350 Plagiarius-Preisträger der unterschiedlichsten Branchen – jeweils Originalprodukt und Plagiat im direkten Vergleich.

Gesucht: Die dreistesten Plagiatsfälle – Late-Comers-Frist endet am 6. November 2023

Unternehmer, Designer und Erfinder haben wieder die Chance, ihre Originalprodukte sowie vermeintliche Nachahmungen zum Plagiarius-Wettbewerb einzureichen und den Plagiator – sei er Hersteller oder Händler – als Preisträger des Negativpreises vorzuschlagen.

Vor der Jurysitzung werden die vermeintlichen Plagiatoren von der Aktion Plagiarius schriftlich auf ihre Nominierung hingewiesen und erhalten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Die große Medienreichweite und der hohe Bekanntheitsgrad des „Plagiarius“ haben über die Jahre hinweg regelmäßig eine abschreckende Wirkung gezeigt: Die Angst vor öffentlicher Blamage hat schon so manchen Plagiator dazu gebracht eine Einigung mit dem Originalhersteller zu suchen und z. B. Restbestände vom Markt zu nehmen, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben oder Lieferanten preiszugeben.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 06/2023 NOV/DEZ

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