Die Seidenstraßen – Lieferketten der Antike

Beitrag von Moritz Heber, Kurator für Ingenieurbau Deutsches Museum München

1877 prägte Prof. Ferdinand Freiherr von Richthofen den Begriff „Seidenstraßen“ – dabei wurde entlang dieser historisch bedeutsamen Handelsrouten weit mehr als nur Seide bewegt. Welche Waren auf den Seidenstraßen außerdem gehandelt wurden und wo der Seidenhandel seine Ursprünge hat erfahren Sie in diesem Bericht.

Ursprünge des Seidenhandels

Seide war seit jeher in vielen Kulturen ein Objekt der Begierde. Nicht nur die Römer kleideten sich gerne mit diesem edlen Stoff. Auch die Perser haben schon mindestens seit dem 5. Jh. v. Chr. aus China Seide bezogen. Gefunden wurde sie auch in den Königsgräbern der Skythen und anderer Nomadenvölker.

Kriegerische Nomaden stellten für den chinesischen Staat eine ständige Bedrohung dar. Um sie abzuwehren, unternahm man große Anstrengungen wie den Bau der großen Mauer. Gleichzeitig verfolgte der chinesische Staat eine Form von „Appeasement-Politik“ und machten den Stammesfürsten reiche Geschenke – darunter auch kostbare Seide. Der Tauschhandel jener Nomadenvölker mit anderen Stämmen und Händlern aus Persien und dem Mittleren Osten bildet den Ursprung des Seidenhandels außerhalb des chinesischen Reiches.

Aufbau eines Netzwerks

Von einem organisierten Handel kann man jedoch erst ab der Zeit um 200 v. Chr. sprechen: Der chinesische Kaiser Qin Shi Huang Di vereinheitlichte Maße und Gewichte und normierte die Verpackung der Seide, welche ab sofort mit Angaben über Qualität, Menge und Wert versehen wurde. Kaiser Wudi aus der Han-Dynastie forcierte während seiner Regentschaft den wichtigen Ausbau der Routen zum Pamir-Gebirge und der Gebirgsübergänge, sowie die nötige Infrastruktur entlang des Weges: Alle zwei Kilometer warf man Erdhaufen von 10 m Höhe auf und verband diese in den Wüsten-Gegenden mit einer Mauer aus Lehm, um so dem Versanden des Weges Einhalt zu gebieten.

In regelmäßigen Abständen entstanden Ackerkolonien mit Herbergen und Poststationen, Warenlagern und der Möglichkeit, Lasttiere zu mieten. Von den Oasen entlang des Tarimbeckens ist bekannt, dass unterirdische Kanalsysteme das Grundwasser anzapften und über mehrere Kilometer verteilen konnten. So entstand mit der Zeit ein ausgedehntes Netzwerk verschiedener Routen innerhalb eines Raumes, der in Ost-West-Richtung 10.000 und in Nord-Süd-Richtung 4.500 Kilometer umfasst.

Handelspolitik und Währungen

In der Antike gehörten die Gebiete entlang der Seidenstraße zu drei großen Reichen: dem Imperium Romanum, dem Reich der Parther (Persien) und dem chinesische Kaiserreich. Die Parther übernahmen die Rolle des Mittelsmanns, eine lukrative Position, aus der sie sich von den Römern nicht verdrängen ließen. Den Chinesen war die Abschottung durch die Parther willkommen, denn so konnten sie bis ins 6. Jh. n. Chr. das Know-how um die Seidenproduktion und somit ihre Monopolstellung schützen.

Neben dem Tauschhandel kamen verschiedene Währungen zum Einsatz: Staatliche Münzprägeanstalten stellten Münzen aus Kupfer und Bronze, zeitweise auch Eisen und Blei, her. Diese wurden an Schnüren aufgefädelt, zu jeweils 1000 Stück. Auch Barrensilber und Silbermünzen waren gebräuchliche Zahlungsmittel. Im 13. Jh. brachten die Mongolen das erste Papiergeld aus Hirschleder in Umlauf. Unter Kaiser Wudi hatte sich die Seide selbst zu einer Währung entwickelt: Bürger konnten ihre Steuern damit begleichen, Soldaten erhielten sie als Sold. Bei großen Beträgen war Seide den unhandlichen Münzschnüren ohnehin überlegen: So war sie über 1000 Jahre lang ein gültiges Zahlungsmittel!

Mehr als nur Seide

Neben zahlreichen anderen Waren nahmen im Lauf der Jahrhunderte auch immaterielle Güter ihren Weg über die Seidenstraßen und führten zu einem Austausch auf den Gebieten von Kunst, Wissenschaft und Religion. So sprechen Indizien dafür, dass der plötzliche Umschwung von objektgebundener Kunst zu bildender Kunst in der Zeit des eingangs erwähnten chinesischen Kaisers Qin Shi Huang Di auf Einflüsse durch griechische Bildhauer zurückzuführen ist. Und der Buddhismus hielt nachweislich über die Südrouten der Seidenstraßen aus Indien kommend Einzug in China.

Literatur

Suter, Peter. Die Seidenstrassen: Handelsverbindungen zwischen China und dem Westen von der Frühgeschichte bis zur Mongolenzeit. Stäfa: Gut, 1987

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 Mai/Juni