Kraftquelle für den Ackerbau

Dampfmaschinen in der bayerischen Landwirtschaft

Beitrag von Dipl.-Soz. Peter Schüßler, Deutsches Museum, München

Ende des 18. Jahrhunderts liefen die ersten Dampfmaschinen zunächst in englischen Bergwerken. Seither planten ihre Konstrukteure und ein technikbegeistertes Bürgertum die neue Kraftquelle auch für den Ackerbau zu nutzen. Ob dies auch in Bayern gelang und wofür die Dampfmaschinen noch eingesetzt werden erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.

Gründung des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayern

Als im Jahr 1810 der Landwirtschaftliche Verein in Bayern zur Förderung der heimischen Landwirtschaft gegründet wurde, war dessen oberstes Ziel, die Bedingungen des Ackerbaus im Land zu verbessern. Die Mitglieder zeigten große Begeisterung für die Verbesserungen landwirtschaftlicher Geräte und die fortgeschrittene Mechanisierung der Landwirtschaft anderer Staaten. Die neuen Techniken wurden im Wochenblatt des Vereins beschrieben oder im Vereinslokal in München ausgestellt. Dabei wurde stets ihr Einsatz in der bayerischen Landwirtschaft gefordert.

Vollmechanisierung durch Dampfkraft

Nachdem bereits James Watt die Idee des Dampfpfluges 1780 in sein Patent aufgenommen hatte, befassten sich auch die technikbegeisterten Mitglieder des Landwirtschaftlichen Vereins schon früh mit der Idee der Vollmechanisierung der Landwirtschaft durch Dampfkraft.

Als Oberbergrat Joseph von Baader im Jahr 1821 die von ihm konstruierte erste funktionierende Dampfmaschine aus bayerischer Produktion präsentierte und diese ein Jahr später in der Essigfabrik Sedlmayr in München in Betrieb gesetzt wurde, besichtigte eine Kommission des Vereins die Maschine. Sie zeigte sich überzeugt, dass die Dampfmaschine für unterschiedliche Anwendungszwecke in der Landwirtschaft von Nutzen sein würde.

Industrielle Bewirtschaftung des Guts Schorn

In den folgenden Jahren warb der Verein verstärkt um den Einsatz der Dampfkraft in der heimischen Landwirtschaft. Bereits im Jahr 1836 wurde ein Preis an den königlichen Oberappelations-Gerichtsrat Welsch für die industrielle Bewirtschaftung des Guts Schorn bei Starnberg verliehen.

Begründet wurde dies mit der innovativen Wasserversorgung der Obstgärten und Ställe. Hierzu wurde ein fast 90 Meter tiefer Brunnen gegraben, aus dem mittels einer durch die Höß‘sche Maschinenfabrik in München gefertigten Dampfmaschine Wasser gehoben und durch ein Rohrsystem verteilt wurde. Zusätzlich wurden mit der Dampfkraft eine Mahlmühle, eine Ölmühle sowie eine Dreschmaschine mit dem Dampf eine Kartoffel-Branntweinbrennerei betrieben.

Dampfdreschen und -pflügen

Diese Entwicklung und vor allem die zunehmende Verbreitung der Dampfkraft in der englischen Landwirtschaft führten teils zu erheblichen Bedenken seitens der Landbevölkerung. Man ängstigte sich vor einer zukünftigen Vollmechanisierung der landwirtschaftlichen Arbeit und einer damit verbundenen hohen Arbeitslosigkeit auf dem Lande.
 

Bereits 1829 zeichnete die Zeitung Der Bayerische Volksfreund ein solches Szenario und warnte: „Wahrscheinlich wird noch am Ende dieser großen Entdeckungen ein Dampfapparat erfunden, der endlich die überflüssigen Landleute selbst aus den Dörfern treibt, um den Maschinen das Heimatrecht geltend zu machen.“ Weltweit erlangte die Dampfmaschine in der Landwirtschaft jedoch erst durch die Entwicklung der beweglichen Lokomobile in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Mit dieser flexiblen und leistungsfähigen Maschine wurden zunächst Dreschmaschinen angetrieben. Ab 1862 produzierte die Firma Fowler & Co. im englischen Leeds von Lokomobilen angetriebene Dampfpflug-Systeme, die schon bald weltweit abgesetzt wurden.

Ackerbau in Bayern

Manuelles Pflügen statt Dampfmaschinen

In Bayern konnten sich Dampfmaschinen aufgrund ihrer hohen Beschaffungskosten und den vergleichsweise kleinen bäuerlichen Betrieben nie flächendeckend etablieren. Im Jahr 1876 zählte der Bayerische Dampfkessel-Revisions-Verein in der gesamten bayerischen Landwirtschaft lediglich 45 Dampfmaschinen, die fast ausschließlich zum Betrieb von Dreschmaschinen eingesetzt wurden, davon 27 in Oberbayern. Noch in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg prägte vor allem das manuelle Pflügen mit Zugtieren das Bild des bayerischen Ackerbaus.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 Juli/August