Ran an die Geräte

Vor über 100 Jahren wurde das Fitnessstudio erfunden

Beitrag von Frank Dittmann, Deutsches Museum München

Der Arzt Gustaf Zander eröffnete Mitte des 19. Jahrhunderts das erste Fitnessstudio. Anfänglich war die Maschinengymnastik vor allem ein Statussymbol für wohlhabende Kreise und wurde für medizinische Zwecke genutzt. Erst durch den Ersten Weltkrieg änderte sich die Zielgruppe - doch in den 1920er Jahren wurde die Kritik an der Maschinengymnastik laut. Mehr darüber.

Mode und Methode

Maschinengymnastik als Statussymbol

Bereits 1864 eröffnete der 1835 in Stockholm geborene Arzt Gustaf Zander in seiner Geburtsstadt das erste „Medico-Mechanisches Institut“. Die dort erprobten Sportgeräte wurden ab 1877 in Schweden hergestellt und weltweit vertrieben. Bis 1900 hatte sich die Maschinengymnastik in den USA und Westeuropa durchgesetzt.

Deutschland galt als Hochburg der „Zanderei“. Hier existierten 1896 fast 80 solcher Einrichtungen, die oft einem einheitlichen funktionalen Aufbau folgten. Dabei zielte die Medikomechanik auf eine Technisierung der Heilgymnastik und war damit Teil der Apparatemedizin. Zugleich galt sie als Symbol moderner Lebensführung, mit der sich wohlhabende Kreise trotz schweißtreibender Aktivitäten von den körperlich arbeitenden Schichten abheben konnten.

Zandern als Allheilmittel

Die von Zander entwickelten Apparate sollten sicherstellen, dass die Bewegungen stets in der richtigen Weise ausgeführt wurden, um bestimmte Muskelgruppen zu trainieren. Andere Maschinen bewegten den Körper passiv, um Bänder und Muskeln zu dehnen. Auch „mechanische Einwirkungen in Form von Erschütterungen, Hackungen, Knetungen, Walkungen und Streichungen“ gehörten zur Therapie.

Zielgruppe waren u.a. Kinder, die an allgemeiner Schwäche und Haltungsschäden bzw. an „Ueberreizung der Nerven – eine Folge des forcierten Schulunterrichtes mit seinen hohen Anforderungen“ litten. Aber auch Erwachsene mit bewegungsarmen Tätigkeiten, etwa „Beamte, Lehrer und Kaufleute“ und insbesondere Frauen standen im Fokus. Neben der allgemeinen Fitness wurden der Zandermethode auch Erfolge bei Nervenschwäche, Herzleiden, Lungenkrankheiten, Altersschwäche, Magenkatarrh, Unterleibskrankheiten, Blutmangel, Fettsucht und weiteren Leiden zugeschrieben.

Niedergang im Kriegseinsatz

Allmählich verschob sich der Fokus der Behandlung von Zivilisations- zu Unfallschäden. Damit lag es nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf der Hand, viele Kriegsverletzungen einer medikomechanischen Nachbehandlung zu unterziehen. Ziel war nun, die Dienst-, insbesondere die Kriegsdienstfähigkeit wieder herzustellen. Damit änderten sich nicht nur die Ziele und Motive der Medikomechanik, sondern auch die Apparate.

Die Wiesbadener Firma Rossel, Schwarz & Co, die seit 1905 das Monopol für Zanderapparate besaß, belieferte nun vor allem das Militär. Die Mischung von Lazarett- und Kasernenbetrieb für die Rekonvaleszenz der Kriegsversehrten hatte nichts mehr mit der geselligen Körperertüchtigung wohlhabender Kreise der Jahrhundertwende zu tun. Zugleich wuchs die Kritik von Medizinern an der Medikomechanik als passive, maschinenhafte Körperübung und damit verlor sie in den 1920er Jahren rapide an Bedeutung. 

Literatur

Alle Zitate siehe A. Levertin: Die medicomechanische Gymnastik. In: Der Stein der Weisen 16, 1896, S. 339-343

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2018 März/April