Level 3 ist (fast) erreicht

Die nächste Stufe Automatisierter Fahrfunktionen

Beitrag von Prof. Dr. rer. nat. Markus Krug, Hochschule München

Das Jahr 2020 markiert einen wesentlichen Meilenstein bei der bisherigen Roadmap zur Entwicklung und Einführung des Automatisierten Fahrens. Nach vielen übereinstimmenden Publikationen werden in diesem Jahr automatisierte Fahrfunktionen nach dem sogenannten Level 3 verfügbar sein. Grund genug, den aktuellen Stand rings um das Thema Automatisiertes Fahren zu betrachten.

Automatisiertes Fahren – Status Quo

Die Entwicklung des Automatisierten Fahrens wird standardisiert als eine Entwicklung, aufgeteilt in 5 Level, beschrieben. Mit Erscheinen dieses Artikels wird zu Beginn 2020 eine neue Phase – das Level 3 von 5 erreicht. Level 3 ist ein echter Meilenstein in der Entwicklung des Automatisierten Fahrens, da dies das erste Level ist, in der der Fahrer eines Fahrzeugs nicht weiterhin die Umgebung kontrollieren muss und somit das Fahrzeug in spezifischen Fahrsituationen die Fahraufgabe völlig automatisiert durchführen kann.

Zunächst muss festgestellt werden, dass direkt mit dem Jahreswechsel offensichtlich noch nicht der Übergang zur Phase 3 stattgefunden hat. Es wurden keine Funktionalitäten von den Fahrzeugherstellern angeboten, die seither nicht auch schon zur Verfügung standen – und vor allem keine, die entsprechende Automatisierung realisiert haben. Die Ursachen dafür sind zum Teil der technische Entwicklungsstand sowie Zulassungs- und weitere rechtlich offene Fragen.
 

Offene Fragen bei der Zulassung

Bei den zulassungsrechtlichen Fragen sind verschieden Aspekte noch ungeklärt.

Uneinheitliche Standards

Eine erste Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass eine möglichst globale Regelung angestrebt werden muss, um einheitliche Standards zu schaffen. Dabei besteht allerdings das Risiko, dass nur eine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner erreicht werden kann. So erlaubt die UN Regulation UN R79, gültig in der EU und 50 weiteren Staaten, keine hochautomatisierte Fahrfunktion, die über einer Geschwindigkeit von 10 km/h aktiviert werden kann

Keine Zulassungsmöglichkeiten

Die fehlende Zulassungsmöglichkeit ist zunehmend ein Bremsklotz bei der Einführung von hochautomatisierten Fahrfunktionen. Er hat zudem die Wirkung, dass Fahrzeughersteller nur bedingt die Entwicklungskosten durch den Verkauf entsprechender Systeme kompensieren können. Dadurch ergibt sich ein störender Henne-Ei-Effekt.

Ausstehende Haftungsfragen

Weitere rechtliche Fragen beziehen sich vor allem auf die Haftungsfrage. Als technisches, sinnvolles Instrument zur Klärung der Haftungsfragen gilt die Datenaufzeichnung im Fahrzeug. Allerdings gibt es hierzu zahlreiche offene Fragen, die von der Zuordnung zwischen den Daten und Personen bis zur Frage, wer der Besitzer dieser Daten ist, reichen. Einige Aspekte betreffen auch andere Lebensbereiche, was die Klärung der Fragen nicht einfacher gestaltet.

Fehlende Vorgaben

Nicht zu vernachlässigen sind auch fehlende Vorgaben aus dem Verhaltensrecht. Das dafür geschaffene sogenannte Wiener Übereinkommen wurde zwar 2015 überarbeitet und um automatisierte Fahrfunktionen erweitert. Hochautomatisierte Fahrfunktionen sind allerdings noch nicht darin aufgenommen, was die Schaffung von Verkehrsregeln und Zulassungsvorschriften für genau diese Systeme erschwert.

Kooperationen für die Entwicklung von autonomen Fahrzeugen

Die aktuelle technische Entwicklung ist vor allem durch die Schaffung von Entwicklungspartnerschaften geprägt und das Auftreten großer Fahrzeugzulieferer als Anbieter von autonomen Fahrzeugen. Die Entwicklungspartnerschaften sollen helfen, die hohen Entwicklungskosten zu teilen sowie de facto Standards zu schaffen, die in oben genannten rechtlichen Aspekten berücksichtigt werden.

Zudem ist auch klar zu beobachten, dass die Automobilhersteller nach Partnern aus den Bereichen Robotik, Künstliche Intelligenz und Chipdesign suchen. All dies sind Kompetenzen, die im hohen Maße in der Entwicklung hin zum fahrerlosen Fahrzeug benötigt werden, aber, Stand heute, nicht zum klassischen Kompetenzprofil eines Fahrzeugherstellers gehören.

Konkrete Ergebnisse dieser Kooperationen sind bislang nur in sehr geringem Umfang veröffentlicht. Dies ist wenig verwunderlich, da viele Kooperationen erst in den letzten Monaten vereinbart wurden. Es ist davon auszugehen, dass sich dies schon im Laufe des Jahres 2020 ändern wird.

Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Automatisierten Fahren

Eine weitere interessante Entwicklung zum Automatisierten Fahren ist der Aspekt, dass klassische Fahrzeugzulieferer als Anbieter von fahrerlosen Fahrzeugen im Segment der sogenannten Shuttles oder People Mover in Erscheinung treten

Ob sich damit ein derzeitiger Fahrzeughersteller über diese Fahrzeuggattung zu einem großen Fahrzeughersteller entwickelt, bleibt abzuwarten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Fahrzeuge auch eine sehr gute Basis dafür sind, die eigene Kompetenz für die entsprechenden Technologien darzustellen.

Diese Technologien werden wiederum auch von Fahrzeugen für den Individual- und Nutzfahrzeugverkehr benötigt. Auf gar keinen Fall ist die Bedeutung dieser Fahrzeuge zu unterschätzen. Ihnen kommt für die Entwicklung der gesellschaftlichen Akzeptanz von fahrerlosen Fahrzeugen eine hohe Bedeutung zu, weil davon auszugehen ist, dass diese Fahrzeuge in naher Zukunft wahrscheinlich im öffentlichen Raum zunehmend Verbreitung finden werden.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2020 März/April