Effiziente Klimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln

Beitrag von: 

Dipl.-Ing. Johannes Wegele, Referent, Komponentenerprobung, Aerodynamik und Klimatechnik, DB Systemtechnik GmbH, München,

Dipl.-Ing. Peter Danzer, Digitalisierung Instandhaltung, Projekte und Portfoliomanagement, TecEx Klimaanlagen & Kältemittel, Deutsche Bahn AG, Berlin

Dr.-Ing. Matthias Kühn, Senior-Ingenieur, Kompetenzzentrum Aerodynamik und Klimatechnik, DB Systemtechnik GmbH, München

Dipl.-Ing. Tim Berlitz, Senior-Ingenieur, Kompetenzzentrum Aerodynamik und Klimatechnik, DB Systemtechnik GmbH, München

Die Anforderungen an die Klimatisierung im Personenverkehr wachsen: Die Sommer werden heißer, Energie wird teurer und in den Zügen sind erfreulicherweise immer mehr Menschen unterwegs. Hinzu kommen – zum Teil schon vor Jahren gestartete – Verhandlungen über das Verbot umweltschädlicher Gase und Chemikalien.

Die Deutsche Bahn (DB) hat diese Entwicklungen bereits vor mehreren Jahren aufgegriffen. Und die Bemühungen, mit einer langfristigen Strategie der Verantwortung für die Umwelt gerecht zu werden, tragen jetzt Früchte: Im Rahmen eines Erprobungs- und Evaluierungsprojekts waren Hersteller von Klimaanlagen eingeladen worden, ihre Entwicklungen in Fahrzeugen der Deutschen Bahn zur Serienreife zu erproben. Ergebnis: Mehrere Hersteller konnten ihre Anlagen mit natürlichen Kältemitteln auf Zügen von DB Regio erproben und das Kompaktgerät eines Herstellers konnte sogar in weniger als fünf Jahren bis zur Serienreife begleitet werden.

Ersatz für Fluorierte Kältemittel

Im Jahr 2014 hatte die DB erstmals eine Klimaanlagenstrategie formuliert und damit Bewegung in den Markt gebracht. Lange hatten die unterschiedlichen Akteure – die Betreiber der Züge ebenso wie die Hersteller der Fahrzeuge und der Klimaanlagen und die zuständigen Aufgabeträger – auf richtungsweisende Signale gewartet. Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) waren ja bereits in den 1980er-Jahren durch das Montreal-Protokoll verboten worden, weil sie die Ozonschicht schädigen. Kaltluft-Systeme, auf die die DB mangels Alternativen zunächst gesetzt hatte, konnten sich nicht durchsetzen. Und auch die seit Anfang der 1990er-Jahre hauptsächlich eingesetzten fluorierten Gase (FKW) sind wegen ihrer Anreicherung in der Atmosphäre nicht unproblematisch [1]. Die aufkommende Debatte um ein Verbot dieser Kältemittel durch die F-Gase Verordnung [2] und durch die Erweiterung der europäischen REACH Verordnung hat die Suche nach Alternativen zusätzlich forciert. Über fünf Jahre – von der ersten Idee bis zur erfolgreichen Erprobung unter Realbedingungen – hat die Deutsche Bahn den Einsatz von Propan (R290) und CO2 (R744) als natürliche Kältemittel in den Klimaanlagen ihrer Wagen ausgearbeitet. Beide Gase eignen sich auch für den Einsatz in energieeffizienten Wärmepumpen im winterlichen Heizbetrieb. Zusammen mit dem Klimaanlagenhersteller Faiveley Transportation haben DB Regio Bayern und DB Systemtechnik für dieses Projekt sogar eine Förderung des Umweltbundesamtes eingeworben.

Das Prüflabor der DB Systemtechnik

In dem Projekt konnte die DB Systemtechnik, die in München ein eigenes Prüflabor für Kompaktklimageräte betreibt, ihre langjährige Erfahrung bei der Prüfung und Validierung von Lüftungsund Klimaanlagen einbringen. Sie begleitete die Entwicklung von Anfang an und übernahm die Simulation der Konzepte der Hersteller. Außerdem organisierte sie Tests in der für Schienenfahrzeuge und Baumaschinen befahrbaren Klimakammer „MEiKE“ der DB Systemtechnik im westfälischen Minden. In der Erprobung auf einem Zug von DB Regio Bayern zwischen Würzburg und Nürnberg sorgte die DB Systemtechnik zudem für die Zug-Land-Kommunikation und die Datenauswertung. Dadurch konnten die energetischen Berechnungen anhand von Messdaten überprüft werden.

In den Tests konnte die Zuverlässigkeit und der Komfort für die Fahrgäste mit natürlichen Kältemitteln nachgewiesen werden. Zusätzlicher Charme: Die thermodynamischen Eigenschaften von Propan ermöglichen einen Betrieb bei niedrigem Druck, sodass auf bekannte Kompressoren und Ventile zurückgegriffen werden kann. Das erlaubt ein seriennahes Design innerhalb vorhandener Spielräume, eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz in neuen Fahrzeugen.

Inzwischen werden immer öfter bei Ausschreibungen von Neufahrzeugen natürliche Kältemitteln für die Klimatisierung gefordert. Basierend auf dieser Anforderung konzipierte beispielsweise der Hersteller der neuen Münchener S-Bahn die Klimatisierung der Wagen. Zur Erprobung fahren derzeit außerdem zwei Triebzüge des ICE 3neo mit Propan-Kompaktgeräten im Fahrgastbetrieb. Um Werksaufenthalte zu verkürzen, sind die Klimaanlagen bei modernen Zügen auf dem Dach montiert und so konzipiert, dass sie mit Hallenkranen abgehoben und ausgetauscht werden können. Neben dem Kühlen und Heizen integrieren die Klima-Kompaktgeräte auch die Funktion des Lüftens. Dabei wird der besetzungsabhängige CO2-Gehalt der Innenraumluft ständig überwacht und bei steigender Auslastung mit höherer Frischluftrate stabilisiert. Gleichzeitig dient der Luftaustausch in Übergangszeiten im Frühjahr und im Herbst der Temperierung des Innenraums und der Verbesserung der Luftqualität.

Innovationen im Reisendenkomfort

Bei der Optimierung der Klimatisierung unterstützt die DB Systemtechnik die Betreiber sowie die Hersteller regelmäßig mit Modellierungen von Kältekreisen und Wagenkasten und macht damit ungünstige Betriebsbedingungen sichtbar. Seit 2020 betreibt die DB Systemtechnik GmbH zudem in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) den stationären Versuchsträger DIRK (Demonstratorfahrzeug für Innovationen bei Reisendenkomfort und Klimatisierung, [1]) am DBST-Standort in Minden. DIRK ist ein dem Betrieb entnommener ICE-Großraumwagen (siehe Abb. oben) und kann zusammen mit der DB-eigenen Klimakammer MEikE insbesondere zur Untersuchung neuer Klimakonzepte und für realitätsnahe Probandenuntersuchungen eingesetzt werden. DIRK eignet sich damit zur Bearbeitung innovativer Themen aus den Bereichen Energiesparen, Komfort, Innenraumströmungen, Luftqualität, Akustik und Beleuchtung sowie Entwicklung datenbasierter Konzepte für die Instandhaltung. Entsprechend geeignete Messtechnik und Sensorik für die Erfassung der relevanten Parameter ist im Fahrzeug fest verbaut, der Einsatz weiterer spezieller Messtechnik ist projektspezifisch möglich.

Der im Versuchsträger realisierte zusätzliche Klimaregler ermöglicht eine über den normalen Umfang hinausgehende Steuerung der Klimaanlage. Das Fahrzeug ist auch externen Firmen zugänglich, genauso wie grundlegende Daten zur Auslegung und Geometrie des Fahrzeugs z.B. für Validierungs- und Simulationsrechnungen.

Die breite Anwendbarkeit des DIRK hat sich bereits in zahlreichen Untersuchungen bewährt, z.B. von

  • der Aerosolausbreitung im Fahrgastraum im Hinblick auf den Hauptübertragungsweg von SARS CoV-2 und den Einfluss der Klimatisierung (siehe [2])
  • der Individualklimatisierung im Heizfall mittels Probandenversuchen, objektiven Komfort- und Leistungsmessungen und numerischen Strömungssimulationen (siehe [3])
  • Energiesparmaßnahmen der Klimatisierung und deren Einfluss auf den thermischen Komfort (siehe [1]).

Die Forschung zu Lüftungs- und Klimatisierungskonzepten ist nicht nur richtungsweisend für neue Fahrzeuge. Sie führt immer wieder auch dazu, dass die Klimatechnik in Zügen der DB neu justiert wird – für mehr Komfort und geringeren Energieverbrauch. Gutes Klima im Zug ist eines von vielen Argumenten, mit denen die DB Menschen fürs Reisen auf der Schiene gewinnen will – nach dem Motto: bei gutem Raumklima klimaschonend Reisen.

Literatur

[1] D. D. Behringer, D. F. Heydel, B. Gschrey, S. Osterheld, W. Schwarz und K. Warncke, „Persistente Abbauprodukte halogenierter Kälte- und Treibmittel in der Umwelt: Art, Umweltkonzentrationen und Verbleib unter besonderer Berücksichtigung neuer halogenierter Ersatzstoffe mit kleinem Treibhauspotenzial,“ Bundesumweltamt, Dessau-Roßlau, 2021.

[2] Rat der Europäischen Union, „Entwurf der neuen F-Gas-Verordnung,“ Amt für Veröffentlichungen der EU [eur-lex.europa.eu], Brüssel, 2022.

[3] T. Berlitz, D. Schmeling, M. Kühn, D. Schiepel, T. Dehne, M. Meister und T. Kwitschinski, „DIRK – Ein stationärer ICE-Wagen für klimatechnische Untersuchungen,“ Eisenbahn Ingenieur Kompendium, 2024.

[4] D. Schmeling, M. Kühn, D. Schiepel, M. Konstantinov, J. Lucas, P. Goerke, O. Zierke, S. Donner, R. Parise, E. Friedrich und M. Apitius, „Integration and Evaluation of Individual Thermal Comfort Zones in a Representative ICE Laboratory,“ in Proceedings of the World Congress on Railway Research, Birmingham, 2022.

[5] D. Schmeling, M. Kühn, D. Schiepel, A. Dannhauer, P. Lange, A. Kohl, K. Niehaus, T. Berlitz, M. Jäckle, T. Kwitschinski und T. Tielkes, „Analysis of aerosol spreading in a German Inter City Express (ICE) train carriage,“ Building and Environment 222, Nr. 109363, 2022.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 01/2024 JAN/FEB

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