Bauherren und Eigentümer haben es in der Hand

BIM verspricht den größten Nutzen im Facility Management

Beitrag von Ralf-Stefan Golinski, M.A., Immo-KOM

Das Building Information Modeling, kurz: BIM, gewinnt weiter an Relevanz. Durch das Optimierungspotenzial von BIM entstehen für den Hersteller oder die Baufirma Vorteile für die Phasen der Wertschöpfungskette. Doch Facility Manager und Gebäudebetreiber bleiben skeptisch. Wie sieht die Anwendung von BIM in der Praxis aus? Und was ist für eine erfolgreiche Anwendung entscheidend?

Digitales Datenmanagement

Architekten, Fachplaner, Bauunternehmer, Zulieferer, Produkt- und Baustoffhersteller, Handwerker, Versicherer, Finanzierer, Rechtsberater, Dienstleister, FM-Verantwortliche und IT-Anbieter nebst Verbänden, Vereinen und Kammern sowie öffentlich geförderte Initiativen und Aus- bzw. Weiterbilder befassen sich mit der Optimierung des digitalen Datenmanagements im Immobilien-Lebenszyklusmanagement.

Die Technologien sind längst da, und die Methoden auch. Doch es sind die Eigentümer und Bauherren, die verstehen, anfordern, bestellen und finanzieren müssen: Und nur wer weiß, was er will, bekommt, was er braucht.

BIM: Große Skepsis im Facility Management und Gebäudebetrieb

Vier Jahre sind vergangen seit Veröffentlichung des „Stufenplan Digitales Planen und Bauen – Einführung moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken“ durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.

Unter Federführung der planen.bauen.4.0 Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH wurde dabei der Begriff Building Information Modeling, kurz BIM, erstmals und mit großer Wirkung hochoffiziell platziert. Und auch wenn die Digitalisierung der Prozesse in Bau- und Immobilienwirtschaft da schon längst in Gange war und BIM als Methode oder IT-Kombination ja nur einen Teilaspekt der Digitalisierung beschreibt: Seit dem Herbst 2015 prägt kaum ein anderes Thema die Fachdiskussion in den beteiligten Branchen mehr als BIM.

Auch, weil der erhoffte Nutzen vielfältig ist. Aber gerade da, wo sich ein aus BIM resultierendes durchgängiges digitales Datenmanagement am meisten bezahlt machen wird – im Facility Management und Gebäudebetrieb – war die Skepsis am größten, und ist es noch.

Hohes Optimierungspotenzial durch BIM

HOK Chief Executive Officer Patrick MacLeamy bezifferte schon seinerzeit das Optimierungspotenzial von BIM für die einzelnen Phasen der Wertschöpfungskette planen – bauen – betreiben: „Für jeden Dollar, der in der Planung ausgegeben wird, werden 20 Dollar in der Bauphase und 60 Dollar in der langen Nutzungsphase ausgegeben.

Während der Bauphase unterstützt BIM den Hersteller bzw. die Baufirma bei der Bauablaufkoordination. Hier werden Kosten kontrolliert, die 20-mal höher als jene in der Planungsphase sind. Planer und Ausführende, die BIM übergreifend verwenden, können bis zu 30 % der Baukosten einsparen. Doch im Betrieb werden Kosten verwaltet, die 60-mal höher sind als in der Planungsphase.“ (Quelle: www.hok.com/people/patrick-macleamy).

Relevanz von BIM

Insbesondere bei Bauherren, die gleichzeitig Betreiber sind, sollte somit ein erhebliches Interesse an einer fm-gerechten Planung zu beobachten sein. Denn das digitale Modell, bzw. der Digital Twin, würde ja über die gesamte Planungs- und Bauphase des Gebäudes sukzessive mit den relevanten FM-Informationen angereichert und nach Fertigstellung an den Betreiber übergeben werden – mit allen Informationen zu den Gewerken und den eingebauten Bauteilen: Geometrie, Lage, Revisionsintervalle, Hersteller, Bestellnummer, Garantie und vieles mehr.

So ließen sich etwa Energieverbräuche besser überwachen und steuern oder die Wartung und Instandhaltung exakt planen. In seiner „Agenda für BIM in FM“ rechnete der Branchenverband für die Digitalisierung im Immobilienbetrieb, CAFM RING e. V. schon 2016 aus: „Der Lebenszyklus über die einzelnen Phasen: Planung 2 Jahre, Realisierung 2 Jahre und Betrieb 50 Jahre. Bliebe die Gesamtfläche in Deutschland (4 Mrd. qm²) gleich, hätten wir eine Austauschrate von 2 % = 80 Mio. qm² pro Jahr.

BIM-Relevanz besteht vor allem bei Gewerbeimmobilien. Deren Anteil beträgt 25 %, somit bei 20 Mio. qm² Gebäudefläche. BIM für FM ist demnach quantitativ bedeutender als im Neubau.“ (Quelle: www.cafmring.de/downloads-news/). Etwa 80 % der Neu- und Umbauten erfolgen hierzulande aus dem Bestand heraus. Und ca. 60 % der HOAI Leistungen beziehen sich auf das Bauen im Bestand. Damit sind ideale Voraussetzungen für den Einsatz von BIM gegeben. Und mit dem aus BIM resultierenden Einsparungspotenzial in der Betriebsphase ließe sich zudem eine Finanzierung der Mehraufwendungen für eine nachhaltigere Planung aufbringen.

Ende des BIM-Booms?

Doch das ist nur die Theorie. Und tatsächlich trifft man bereits auf kritische Stimmen, die ein baldiges Ende des BIM-Booms deklarieren. Welche aber sind die Hindernisse? Was bewirkt die Hemmnisse, diesen enormen Hebel anzusetzen und den potenziellen Nutzen von BIM in FM und Betrieb zu realisieren? Eine Kurzumfrage bei Beiräten und Mitgliedern der CAFM-RING e. V. brachte dazu diese Beobachtungen zutage:

„Die größte Herausforderung für eine erfolgreiche Digitalisierung in Facility Management und Gebäudebetrieb besteht darin, dass in vielen Chefetagen bei mittelständigen Bauherren, Eigentümern oder Mietern die Bedeutung einer digitalen Real Estate Strategie für ein erfolgreiches Kerngeschäft noch nicht hinreichend erkannt ist. Corporate Real Estate und das Facility Management sind häufig noch getrennt. Und so fließen Erkenntnisse aus dem Betrieb nicht zurück in die Planung- und Bauphase – und das große Potenzial einer FM-gerechten Planung wird nicht erschlossen. Dabei stehen Notwendigkeiten, Möglichkeiten, Investitionen und Nutzen der Digitalisierung schon jetzt in einem realistischen und attraktiven Verhältnis“ sagt Christian Kaiser, Geschäftsführer ARCHIBUS Solution Centers Germany GmbH.

Bauherren stellen die Weichen

Miguel Ebbers, Leitung Beratung Facility Management bei der M&P Gruppe, bringt diesen Aspekt ins Spiel: „Die Bauherren stellen die Weichen, damit Daten aus der Bauplanung und -Baudurchführung für den Betrieb zur Verfügung stehen. Sie müssen ihre Informationsanforderungen definieren und aktiv einfordern. Mit dem ‚Reverse Engineering‘ lassen sich schon heute die Effekte aus BIM einfach realisieren. Das bedeutet: Rückwärts zur Planung hin aus den Prozessen für den Betrieb die wichtigsten Daten für die spätere Nutzung ableiten. Wenn dann etwa Herstelldatum, Investitionskosten, Prüf- und Wartungsanleitungen sowie die betreffenden Zyklen etc. aus BIM Modellen zuverlässig geliefert werden, können ohne viel Aufwand die Prognosen für die Instandhaltungs- und Infrastrukturkosten genau bestimmt werden.“

„Doch für das durchgängige digitale Datenmanagement sind Austauschformate und Schnittstellen erforderlich“, betont Dr.- Ing. Thomas Liebich, Geschäftsführer bei der AEC3 Deutschland GmbH. „Und diese werden mit Blick auf einen Digital Twin komplexer und unübersichtlicher. Jede Schnittstelle bzw. neue Software bringen Probleme und Mehraufwand, da die Modelle nicht immer nativ übertragbar sind. Jede Software definiert ihr eigenes Datenmodell und den nach ihrer Hinsicht notwendigen Informationsumfang. Begrifflichkeiten passen dann oft nicht zusammen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass BIM-Modelle bisher nur durch das Standardformat IFC beschrieben sind. IFC aber ist nur der Datencontainer. Um aus den Teilmodellen die dann relevanten Informationen für den Gebäudebetrieb zu erhalten, bedarf es auch Standards zu den Inhalten, einer ‚Packliste‘ gewissermaßen.“

Planerleistungen geeignet vergüten

„Es liegt auf der Hand, dass die aus dem Einsatz von BIM resultierenden Einsparungspotentiale in der Betriebsphase eine Finanzierung der Mehraufwendungen schon für die nachhaltigere Planung aufbringen könnten. Dazu müssten aber auch die erforderlichen Planerleistungen geeignet vergütet werden“, betont Dipl.-Ing. (FH) Matthias Mosig, Head of Digital Transition und Prokurist TÜV SÜD Advimo GmbH.

„Die traditionell verankerte HOAI stammt jedoch aus Zeiten, in denen nicht absehbar war, wie sich die Wertschöpfung entlang der Achse des Immobilienlebenszyklus speziell durch BIM verschiebt. Der Bauherr müsste also bereit sein, die Mehraufwände für den vorgezogenen Detaillierungsgrad der benötigten Informationen mit Blick auf die spätere Betriebsoptimierung zu honorieren. Zudem müssen für den Schutz der Urheberrechte von BIM-relevanten Modellinhalten geeignete Regelungen gefunden werden.“

Bereitschaft zur Kollaboration nötig

„Insbesondere setzt ein erfolgreicher Einsatz von BIM für die Erstellung eines Bauwerks mit dem Ergebnis eines Digitalen Zwillings im Betrieb die Bereitschaft zur Kollaboration der beteiligten Unternehmen voraus“, ist sich Dipl.-Ing. Thomas Bender, Bereichsleiter Produktmanagement & Innovation bei der pit - cup GmbH, sicher.

„Die Tradition der getrennten Gewerke erschwert oft noch die Bereitschaft zur Transparenz und zum Einbringen in gemeinsame Datenmodelle. Es fehlt uns heute nicht mehr an der IT für ein durchgängiges digitales Datenmanagement. Vielmehr geht es auch um eine neue Kultur der konstruktiven Zusammenarbeit. Dieser Wandel braucht natürlich seine Zeit. Doch die bereits vorhandenen weiteren Technologien wie KI, VR/AR, Sensorik, BIG Data, Cloud-Management u.v.m. befördern diesen bereits. Im Mittelpunkt steht dabei stets die Haltung des Einzelnen: Und nur wer weiß, was er will, bekommt, was er braucht.“

Herausforderungen, weit über BIM hinaus

Im Jahr fünf nach Auslösung des „BIM-Booms“ zeigt sich: BIM wird nicht einheitlich und eindeutig definiert verstanden und umfasst als Begriff auch nicht die Herausforderungen und Lösungen eines durchgängigen digitalen Immobilienlebenszyklus-Managements.

Seit im Jahr 2002 mehr Informationen digital als analog gespeichert wurden, sprechen Wissenschaftler bereits vom digitalen Zeitalter. Und die Digitalisierung besteht nicht aus einzelnen Teilchen – sie ist vielmehr eine Welle. Seitdem haben sich Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten etwa in Handel, Konsum, Medien, Versicherungen, Banken oder Tourismus und nun auch im Verkehr massiv gewandelt. Die Daten entwickelten sich zum neuen Rohstoff, sie sind schon jetzt das Gold der Zukunft.

Die traditionelle und hyperheterogene Aufstellung der Bau- und Immobilienbranche mit ihren angestammten Geschäftsprozessen steht vor auch disruptiven Herausforderungen, die weit über die Enge von BIM hinausragen. Es sollte mehr das Ziel und weniger die Methode im Fokus der Ausrichtung stehen. Das Objekt heißt „Smart Building“. Und die Entscheider sind die Eigentümer und die Bauherren!

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2020 Januar/Februar