Etwas verändern

BIM: Initialzündung für bessere Gebäude

Beitrag von Jörg Gamperling, Chefredakteur Integrale Planung und HeizungsJournal

Building Information Modeling (BIM) verändert die Art, wie wir arbeiten und denken. BIM umspannt als Datenhaltungssystematik den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks. Doch was genau wird unter dem Begriff BIM verstanden? Und welche Herausforderungen gibt es noch zu meistern? Im folgenden Beitrag wird dargestellt, was es in Zukunft braucht, um BIM erfolgreich anzuwenden.

Entscheidend ist die Teamleistung

Gute Gebäude, die den Nutzern langfristig Freude bereiten, beruhten und beruhen nie auf dem „Ego-Trip“ eines einzelnen Architekten, Fachplaners oder TGA-Fachingenieurs, sondern entstanden und entstehen immer aus einer soliden Teamleistung heraus. Daran wird auch das Wörtchen BIM (Building Information Modeling) nichts ändern.

Warum dann eigentlich das große Tohuwabohu um das Thema? Ganz einfach: BIM und damit der Mega-Trend „Digitalisierung von Gebäuden und Infrastrukturen“ führen zu neuen Denk- und Arbeitsweisen, die manchen liebgewonnenen Prozess grundlegend infrage stellen.

Die drei wichtigsten Schlagworte dabei: Kommunikation, Koordination und Kollaboration. Da darf sich jeder an der Wertschöpfungskette Bau Partizipierende gerne an die eigene Nase fassen…

Begriffsbestimmung: Building Information Modeling

Haben Sie in letzter Zeit einmal nach dem Stichwort BIM bzw. Building Information Modeling gegoogelt? Sage und schreibe 60.300.000 bzw. 12.200.000 Treffer in einer halben Sekunde gibt die Suchmaschine aus!

Auf Seite 1 der Ergebnisliste buhlen nicht nur die üblichen Verdächtigen – also vor allem Softwareanbieter – um die Gunst des Wissensdurstigen, sondern da tummeln sich neben Wikipedia auch allerlei andere Plattformen, die für sich in Anspruch nehmen, das Wörtchen BIM ganz genau und allumfassend erläutern zu können. Endlich auf Seite 2 angekommen, verliert man dann (wie so oft) beim wilden Surfen im Netz die Lust am eigentlichen Thema. Das Angebot ist einfach zu groß, zu undurchsichtig.

Noch dazu wird selbst dem blauäugigsten „Googler“ schnell klar, dass das, was da zum Begriff BIM geschrieben steht, häufig in der Sache stark voneinander abweicht. Da werden die drei Buchstaben zum Beispiel in einem Fall gnadenlos politisch ausgeschlachtet – nach dem Motto: „Volle Kraft voraus für die Digitalisierung des Hochbaus!“ Da wird BIM in einem anderen Fall als die ultimative Waffe gegen alle Übel verklärt, die ein Bauprozess eben mitbringen kann (wenn man den gesunden Menschenverstand missachtet) – nach dem Motto: „Planungs- und Prozessqualität steigt, bei niedrigeren Kosten und verbesserter Termintreue!“.

Im dritten Fall ist dann der Satz zu lesen, welcher in diesem Kontext sicherlich am inflationärsten gebraucht wurde und wird: „BIM revolutioniert das Bauen!“. Spätestens bei diesem spontanen Google-Treffer muss doch jeder gestandene Planungs- und Bauprofi (vor Wut) erröten oder zumindest halblaut die Frage stellen: „Arbeiten wir aktuell mit Feuerstein und Faustkeil?“

Deutliche Reaktionen und Misstrauen

Derartige (verständlich-menschliche) Reaktionen kann man aktuell bei vielen Veranstaltungen, Vorträgen und Seminaren zu diesem Thema wahrnehmen. Nicht wenige am Bauprozess Beteiligte sehen im Wörtchen BIM eben keine niedlich-harmlose Abkürzung, sondern einen generellen Angriff auf ihre Arbeit, ihr Tun und Handeln in den eigenen vier (Planungs-)Wänden.

Und dann wird Building Information Modeling immer noch viel zu häufig direkt mit Softwarelösungen verquickt: Mittlerweile ist das Misstrauen gegenüber den teilweise vollmundigen Versprechungen mancher Anbieter regelrecht greifbar. In der Tat: Es hat sich in der Zwischenzeit herumgesprochen, dass die BIM-Bewegung unübersichtlich viele Softwarehäuser und noch mehr Daten-Plattformen auf den Plan gerufen hat. Dass dieses Misstrauen seitens der potenziellen Anwender verheerende Auswirkungen auf die Weiterentwicklung der Bauwirtschaft hat, braucht man an dieser Stelle nicht weiter zu definieren.

BIM ist ein Geschäftsmodell bestehend aus Nullen und Einsen – sollte das tatsächlich als finale Quintessenz übrig bleiben, so würde das erheblichen Schaden anrichten. Die Glaubwürdigkeit der gesamten Baubranche wäre nachhaltig geschädigt und ihre Innovationskraft wäre dauerhaft infrage gestellt.

In der Ruhe und Besonnenheit liegt die Kraft…

Wir können heute – Mitte des Jahres 2018 – festhalten, dass der erste BIM-Hype in Deutschland, die erste große Welle abgeebbt ist. Es hat sich sozusagen alles ein bisschen normalisiert – zum Glück. Die nun folgende Phase ist deshalb umso wichtiger. Aus diesem Grund kommt diese Ausgabe der „Technik in Bayern“ mit dem Schwerpunkt BIM eigentlich gerade recht und nicht etwa viel zu spät.

Oder anders ausgedrückt: Man braucht sich als Planer, Ingenieur und Architekt nicht zu schämen, wenn man die Dinge erst einmal aus der Distanz oder vielleicht auch mit etwas Respekt beobachtet. Schämen sollte man sich aber dann, wenn man an dieser Stelle meint, dass einen das ganze BIM-Tohuwabohu so gar nichts anginge. Denn eines sei diesen Zeitgenossen versichert: Die Erde ist keine Scheibe und die Sonne dreht sich nicht um sie.

Was ist also jetzt zu tun?

BIM muss in erster Linie als das Thema begriffen werden, was es im Kern ist – nämlich eine Datenhaltungssystematik, welche den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks umspannen kann. BIM muss als Initialzündung begriffen werden, die eigene Arbeit kontinuierlich zu verbessern.

Die Zeiten sind vorbei, in welchen Gebäude einfach von Planern entwickelt und dann – rucki zucki – zur Ausführung gebracht wurden. Nach dem Motto: „Voilà, lieber Bauherr, wir haben Ihnen da mal etwas vorbereitet. Wir hoffen, Sie sind zufrieden!“. Die Welt hat sich weitergedreht. Die Anforderungen an Bauprojekte (in Neubau und Bestand) haben sich verändert. Die Komplexität von Gebäuden und vor allem der Gebäudetechnik, der Technischen Gebäudeausrüstung (Stichwort: Energieeffizienz, Ökobilanz, Automation und Digitalisierung) sind gestiegen. Und: Die Bedürfnisse des Investierenden haben sich verändert (Stichwort Transparenz). Nicht zuletzt die letztgenannte Erkenntnis muss dazu führen, dass man die eigene Denk- und Arbeitsweise hinterleuchtet.

BIM als Überbegriff

BIM ist keine Erfindung der Generation 4.0 oder digitalisierungsaffiner Kräfte, sondern eher ein Überbegriff für eine notwendige Planungs-, Bau- und Betriebsweise. BIM ist keine Revolution, sondern im Grunde eine wichtige Erkenntnis im Sinne von besseren Gebäuden und besserer Gebäudetechnik, die dem späteren Nutzer dienen bei der Bewältigung seiner individuellen Aufgaben (z.B. Wohnen, Arbeiten, Lernen). BIM steht damit für eine (neue) Kultur im Bausektor. Aus diesem Grunde wäre es absolut schädlich, wenn der anfängliche BIM-Hype nun umschlagen würde in ein undefiniertes Misstrauen gegenüber dem Thema.

Daten, Daten, Daten…

Dass mittels der Datenhaltungssystematik Building Information Modeling ein Bauwerk vom Vorprojekt bis zum Betrieb und dem Facility Management umfassender durchdacht wird, ist für den Bauherrn / Investor / Nutzer sicher vorteilhaft. Jedoch: Ob es dabei sinnvoll ist, den Einsatzplan für die Gebäudereinigung schon in einem frühen Planungsstadium festzulegen und im Datenmodell ein- und mitzupflegen, das sei dahingestellt. Die echte Herausforderung liegt hier in der Datenmenge. Rechner und Server können heute mit „Big Data“ jonglieren. Aber können es die (menschlichen) Baubeteiligten auch? Kann der Bauherr mit tausendundeiner Information adäquat umgehen?

Es müssen brauchbare Daten her – nach dem Motto: Die richtige und wichtige Information am richtigen Fleck zur richtigen Zeit! Hierzu bedarf es zwingend klarer Spielregeln für alle Projektbeteiligten, wie mit Daten umgegangen wird. Es muss klar definiert werden, welche digitalen Informationen effektiv benötigt werden, sprich einen Mehrwert im Gebäudelebenszyklus darstellen. Und auch sonst hat BIM – versteht man die Abkürzung richtig und in ihrem eigentlichen Sinne – sehr viel mit Regeln und damit eben Nachvollziehbarkeit und Transparenz zu tun.

Denn wenn es darum gehen soll, einen durchgängigen Informationsfluss während der Bauaufgabe sicherzustellen, müssen sich die Planungsabläufe diesen Umständen anpassen. BIM birgt also vor allem auch die Chance, Arbeiten und Disziplinen, die heute noch in Reihe geschaltet sind, auf parallele Gleise zu bringen. Miteinander statt gegen- oder hintereinander.

Pragmatismus ist gefragt

Das führt dann ganz automatisch zu Ansätzen und Philosophien, welche die Integrale Planung definiert. Es muss heute im Baubereich darum gehen, dass sich (möglichst) alle Projektbeteiligten zur ersten Stunde des Projekts „am runden Tisch“ versammeln und die verschiedenen Ansätze diskutieren und – jetzt kommt es wieder – gute Lösungen ausarbeiten im Sinne eines guten Gebäudes. Dieser Ansatz der Kollaboration ist natürlich auch nicht neu. Aber zumindest wurde er lange Zeit vergessen oder sollte man sagen verdrängt?

Also: Ein Architekt muss etwas zur Funktion der Heizungs- und Raumlufttechnik sagen und beitragen. Und anders herum: Der TGA-Fachplaner muss, soll und darf zur Fassadengestaltung und zum Design des Gebäudekörpers beitragen. Dass das von allen Beteiligten viel Disziplin verlangt und Offenheit und Kommunikationswille, soll an dieser Stelle nicht vergessen werden.

Auch im Kontext von BIM und digitalen Gebäuden ist eines wichtig: Es braucht pragmatische Architekten, Ingenieure und Fachplaner, die gemeinsam und zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Menschen, den Nutzer in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Wenn der moderne und vernünftige Mensch im Mittelpunkt der Planungs- und Bauaufgabe steht, dann müssen Qualität, Funktion und Behaglichkeit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sowie ein ressourcenoptimierter Lebenszyklus (auch monetär) zwangsläufig eintreten.

Fazit

Nehmen Sie das Wörtchen BIM als Startschuss wahr, auch in Zukunft erfolgreich in der Baubranche zu sein! Gehen Sie Ihre persönlichen „Hausaufgaben“ mit Hirn, Herz, Humor und Hoffnung an. Und lassen Sie sich nun von dieser Ausgabe „Technik in Bayern“ mitnehmen und faszinieren von den vielfältigen Möglichkeiten, die Building Information Modeling mitbringen kann. Nicht zuletzt bieten sich über den weitreichenden Servicegedanken am Kunden ganz neue Geschäftschancen…

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2018 Juli/August