Beitrag von Dr. Sandra Reich Munich Business School
Gerade bei Banken und Investoren ist die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit fortlaufend auf der Agenda – sei es beispielsweise als Teil der Unternehmensstrategie, im Investmentprozess, im Risikomanagement sowie im Berichtswesen.
Nachhaltigkeit im Kontext des Finanzwesens wird häufig als ESG, d.h. Environmental, Social, Governance, bezeichnet. ESG umfasst somit drei Säulen, die im Bereich Umwelt Faktoren wie den CO2 - Fußabdruck, Energieeffizienz oder den Einsatz von recycelten oder recycelbaren Materialen betreffen können. Im Bereich Soziales sind Themen wie Arbeitssicherheit, Weiterbildungen oder Diversity relevant. Governance bezieht sich auf eine „gute Unternehmensführung“ und stellt bspw. auf Steuerehrlichkeit oder einen verbindlichen Verhaltenskodex ab.
Neben der eigenen Motivation von Finanzinstitutionen, durch ihr Handeln einen positiven Beitrag für Umwelt und Gesellschaft zu leisten, sind regulatorische Anforderungen zum starken Treiber für Nachhaltigkeit bei Finanzierungen bzw. im Investmentprozess geworden. Die Europäische Kommission verfolgt mit ihren umfassenden Regulierungspaketen u.a. das Ziel, Kapital stärker in nachhaltigere Projekte bzw. Unternehmen zu lenken und will somit das Ziel, bis 2050 ein klimaneutraler Kontinent zu sein, fördern. Immobilien spielen dabei eine wesentliche Rolle, denn auf Gebäude entfallen 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der CO2 - Emissionen innerhalb der Europäischen Union [1] .
Mit einer Verordnung, die in 2020 in Kraft trat, wird die Verbindung zwischen Immobilien, Finanzierung und Nachhaltigkeit besonders deutlich:
Mit der Taxonomie-Verordnung [2] wird festgelegt, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig eingestuft werden können. Eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit muss zu mindestens einem von sechs Umweltzielen beitragen, darf gleichzeitig keines dieser Umweltziele erheblich beeinträchtigen und muss (soziale) Mindeststandards sowie technische Bewertungskriterien erfüllen.
Die Umweltziele umfassen:
1) Klimaschutz
2) Anpassung an den Klimawandel
3) Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
4) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
5) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und
6) Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
Wenn es um Immobilien geht, ist ein Blick auf die zuvor erwähnten technischen Bewertungskriterien unerlässlich. Die technischen Bewertungskriterien [3] bestimmen ganz konkret u. a. für das Baugewerbe und Immobilien unter welchen Bedingungen eine Wirtschaftstätigkeit in diesem Sektor einen wesentlichen Beitrag für den Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel leistet und wann diese Tätigkeit als „schädlich“ anzusehen wäre. Zu den umfassenden Kriterien zählen u.a. der Primärenergiebedarf des Gebäudes oder die Höhe des Wasserverbrauchs für bestimmte sanitärtechnische Geräte. Ebenso ist bspw. zu prüfen, ob die Immobilie physischen Klimarisiken ausgesetzt ist und welche Maßnahmen zur Reduzierung des potentiellen Risikos vorgesehen sind.
Der Ausweis des Anteils an ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten im Investment- oder Kreditportfolio wird für Banken und Investoren verpflichtend und wird an Bedeutung gewinnen. Da bei Neubauten und Renovierungen in der Regel Finanzierungsbedarf besteht, sollte frühzeitig geprüft werden, ob die Kriterien für eine „ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit“ erfüllt werden könnten.
Quellen:
[1] vgl. Präambel Nr. 36 der VO (EU) 2021/2139; Weiterführende Informationen: Europäische Kommission, Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums, 2018 sowie Europäische Kommission, Der europäische Grüne Deal, 2019
[2] vgl. Verordnung (EU) 2020/852
[3] ausführlich dazu: Delegierte Verordnung (EU) 2021/239
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 01/2023 JAN/FEB