Nachhaltiges Bauen aus der Sicht des Facility Managements

Beitrag von Paul Stadlöder Geschäftsführer der Facility Management Consulting GmbH, Leiter der Programmkommission der RealFM e.V

Mit den Nachhaltigkeitszielen der United Nations und dem daraus weiter entwickelten Green Deal der Europäischen Kommission sind sehr starke Initiativen entstanden, die in ihrer Wirkung unbestritten lohnenswert sind. Den nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen, ist in Summe das erstrebenswerte Ziel für die Generation, die gerade in der Verantwortung steht und für die Generation, die als nächste Verantwortung tragen wird.

Nachhaltigkeit und Bauen – Ein Widerspruch

Bauen ist per se nicht nachhaltig, bei allen Anstrengungen, die zurzeit diskutiert, entwickelt und realisiert werden. Bauen verfestigt Ressourcen, die für eine nachfolgende Generation nicht mehr zur Verfügung stehen. Die nachhaltigste Form des Bauens ist Nicht Bauen!

Im Nachfolgenden soll daher erläutert werden, wie der Widerspruch von Bauen und Nachhaltigkeit aufgelöst werden kann: mit Hirn und Methode!

In Deutschland und in Bayern haben wir dafür bereits viele sinnvolle Initiativen ergriffen, es gibt eine ganze Reihe von sinnvollen Beispielen und viel Erfahrung im Einsatz von nachhaltigen Produkten, nachhaltigen Verfahren und von Maßnahmen, wie weniger Energie verbraucht werden kann. Ebenso zahlreich sind die Bemühungen, Materialien wieder zu verwenden. Der Begriff „Abriss“ entspricht in keiner Weise mehr dem Vorgehen, das heute angewendet wird. Es sollte vielmehr als Rückbau bezeichnet werden.

Worin bestehen das Hirn und die Methode für nachhaltiges Bauen?

Hirn – wir sollten sehr genau wissen, welche Immobilien und Infrastrukturen erhaltenswert sind und welche nicht! Es gilt zu unterscheiden, in welche Infrastrukturen gutes Geld gesteckt wird und in welche nicht. Dafür braucht es einen transparenten und eindeutigen Katalog an Kriterien, der sich an einem klaren und einfachen Ziel ausrichtet: Zukunftsfähigkeit. Wenn Geld und Ressourcen eingesetzt werden, dann unter der Bedingung, dass die Infrastrukturen flexibel genutzt werden können und einfach angepasst werden können. Nicht zukunftsfähige Infrastrukturen sind durch zukunftsfähige zu ersetzen. Die Bewertung der Zukunftsfähigkeit geht über den Energieausweis hinaus: flexible Nutzung ist eine Eigenschaft von Infrastrukturen, die bewertet werden kann. Ebenso ist einfache Anpassbarkeit an zukünftige Bedarfe eine Eigenschaft von Gebäuden und technischen Anlagen. Es braucht daher die Kennzeichnung der Eignung dieser Infrastrukturen im Bestand! Anbei eine Auswahl der Kriterien für die Bewertung der Zukunftsfähigkeit:

Primäreigenschaften:

  • Geschosshöhe > 3 m  
  • Fassadenraster > 1,25 m
  • Deckentraglast > 1KN
  • Aufzugsschächte Traglast, Lage und Haltestellen
  • Elektro- und IT-Leitungen – vertikale und horizontale Verlegung
  • Heizungs- und Wasserleitungen – vertikale und horizontale Verlegung
  • Nachrüstung Klima / Kühlung
  • Fußbodenaufbau > 10 cm

Sekundäreigenschaften:

  • Erschließung
  • Akustik
  • Raumklima
  • Tageslicht
  • Erschließung
  • Biodiversität und Naturschutz
  • Parkplätze
  • Anbindung ÖPNV
  • Nahversorgung
  • Erfüllung gesetzlicher Vorgaben wie Brandschutz, Energieverbrauch
  • Zustand bzw. bestehender Instandsetzungsstau

Mit den Eigenschaften der Infrastrukturen werden die Entwicklungspotenziale ersichtlich. Weniger zukunftsfähige Immobilen können entweder zu zukunftsfähigen Immobilien entwickelt werden oder durch zukunftsfähige ersetzt werden. Die Entscheidung für den einen oder anderen Weg muss der Eigentümer frühzeitig treffen, andernfalls wird er immer wieder gutes Geld in schlechte Infrastrukturen investieren.

Und noch mehr Hirn – wir sollten wissen, wie sich die Nutzung der vorhandenen Infrastrukturen darstellt. Je intensiver etwas genutzt wird, umso weniger wird davon gebraucht, umso nachhaltiger werden Ressourcen für zukünftige Generationen geschont. Für die heutige Generation an Nutzern von Arbeitswelten, sei es Produktion, Herstellung, Lagerung, Verkauf, Verwaltung, Forschung und Entwicklung, Transport und Verkehr, Versorgung, Entsorgung, Führung, Weiterbildung, Wohnen usw. sollte die Intensität der Nutzung optimiert werden. Wir sollten aufhören, ungenutzte Arbeitswelten als selbstverständlich und kostenlos zu betrachten und stattdessen Sinnesorgane entwickeln, die uns ungenutzte Infrastrukturen aufzeigen und diese einer Nutzung zuführen helfen. Jeder ungenutzte bzw. wenig intensiv genutzte Quadratmeter ist ein schlechter Quadratmeter, weil die zur Realisierung eingesetzten Ressourcen vergeudet sind. Das dahinter liegende und brachliegende Potential ist gewaltig: wer Management ernst nimmt, kann erahnen, dass die Infrastrukturen, um die sich bisher wenig gekümmert wurde, in einem Übermaß vorhanden sind. In Deutschland steckt ein Potential von 25 – 30 % an Flächenoptimierung. Wenn es gelingt, dieses Potential zu heben, sind die Klimaziele von Paris in Reichweite, und das lange vor 2050.

Mit beiden hirnigen Vorgehensweisen wird es gelingen, nur so viel an Ressourcen zu binden, wie diese Generation benötigt und möglichst viele Ressourcen für die nachkommenden Generationen zu schonen.

Wer kann die dafür erforderlichen Methoden entwickeln? Die Ingenieure! Mit den Kompetenzen der Ingenieure in Bayern sollte es gelingen können.

Wie kann es gelingen: gemeinsam, mit Methode

Methode 1: Kriterien für Zukunftsfähigkeit

Der Kriterienkatalog für die Bewertung bestehender Infrastruktur sollte kurz aber relevant sein. Eigenschaften der Immobilien sind: Rastermaß, Deckenhöhen, Traglasten, stehende und flexibel Anpassung der Raumaufteilung, flexibel anschließbare Versorgung sind ebenso wichtig, wie ebenerdige Erschließung und einfach anpassbare MSR-Technik. Zur Abrundung kommen Energiebedarfe und Zählerkonzepte dazu. Als Beispiel wurde ein leerstehendes Bürogebäude im Norden von München erfolgreich in ein Boarding House verwandelt, wo sich Geschäftsreisende längere Zeit mit einem umfassenden Serviceangebot hotelähnlich einmieten können. Weitere Nutzungsmöglichkeiten können Angebote für Senioren werden, die sich in ehemals notleidenden Hotels ihren Ruhestand mit Gleichgesinnten außerhalb des Charmes von Altenheimen ermöglichen wollen. Solche Seniorenresidenzen finden zunehmend Zuspruch und haben neben dem Gesundheitsversorgung ein ansprechendes Freizeitprogramm im Angebot, mit Diskussionsabenden und Vorträgen von Wissenschaftlern und Reisenden, oft auch aus den Reihen der Bewohner.

Methode 2: Hohe Nutzungsintensität

Für die Verbesserung der Nutzungsintensität spielen Erhebungsverfahren, Nutzungsquoten und anpassungsfähige Mietverträge eine Rolle. Unterstützend wirken Coworking-Konzepte und Plattformen zum Realisieren von SharingKonzepten. Die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen wie Parkplätzen, Betriebsrestaurants, Kindertagesstätten usw. zahlen ebenfalls auf die Nutzungsintensität ein. Weitere Entwicklungen in der Digitalisierung geben Impulse und führen zu Verbesserungen. Im schlechtesten Fall werden Sondersteuern für zu hohen Ressourcenverbrauch und CO2 -Abgaben notwendig. Konkret werden für 10 Mitarbeiter nur noch 6 Arbeitsplätze vorgehalten, was einer Verbesserung der Auslastung und damit weniger Flächenbedarf erzeugt. Andere Organisationen haben Sensoren in Tageslichtlampen installiert, die eine Auswertung der tatsächlichen Belegung der Arbeitsplätze erfassen und auswertbar machen. Im konkreten Fall wurde eine maximale Auslastung von 60 % erfasst. So ist ein weiteres Potential zur Abmietung von Flächen erkannt und umgesetzt.

Zeitplan

Wenn wir heute damit anfangen, sind wir in 5 Jahren mit den Methoden durch, in 10 Jahren mit der Umsetzung. Also 2032 werden die Wirkungen eintreten.

Es dürfte auch selbsterklärend sein, dass eine Infrastruktur, die zukunftsfähig ist und intensiv genutzt wird, sehr gut mit steigenden Energie- und Rohstoffpreisen umgehen kann, sie ist resilient gegenüber den Effekten, die heute bereits spürbar sind und die sich in den nächsten Jahren weiter verstärken werden.

Wenn wir also unseren Enkeln einen lebenswerten Planeten hinterlassen wollen, dann sollten wir jetzt damit anfangen und die Methoden entwickeln und implementieren, die für ein nachhaltiges Bauen stehen.

Fazit

Lassen sie uns Ursache und Wirkung in die wirksame Reihenfolge bringen, die Effekte erzielt! Weniger Infrastruktur dafür zukunftsfähige!

Gutes Facility Management und gute Ingenieurskunst machen es möglich.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 01/2023 JAN/FEB