Beitrag von Frank Dittmann
I n den Sammlungen des Deutschen Museums befindet sich seit 1994 das Modell eines energiesparenden Bürogebäudes. Es zeigt den Planungsstand des neuen Verwaltungsgebäudes der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in Dresden, dessen Planung die Tübinger Planungsgruppe LOG ID um den Architekten Dieter Schempp 1994 übernommen hatte.
Der Neubau der BGW-Bezirksverwaltung sollte – entsprechend des Aufgabengebietes einer Berufsgenossenschaft – Gesundheitsbewusstsein und Umweltschutz sinnvoll verknüpfen. Planungsziel war also ein wirtschaftliches und umweltschonendes Gebäude mit weitgehender Nutzung der Sonnenenergie, natürlicher Klimatisierung und Bepflanzung sowie ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen.
Anläßlich der Eröffnung des BGW-Gebäudes erläuterte Schempp 1996 auf dem Symposium Mensch, Raum und Pflanze seinen alternativen Ansatz beginnend mit der Frage: „Hat er [der Mensch] sich nicht längst schon unbewußt mit der immer stärkeren Entfremdung von den natürlichen Lebensgrundlagen abgefunden? Und wie wird dann seine Zukunft aussehen?“ Den, laut Schempp, im Science Fiction beschriebenen technoiden Welten stelle er seine Entwürfe entgegen: „Die Grüne Solararchitektur von LOG IN berücksichtigt die Bedeutung der Pflanze als Bindeglied zwischen Natur und Mensch, als wirksames Mittel gegen die allgegenwärtige Übertechnisierung“ [1, S. 3]. In einem 1997 erschienen Band bekannte sich Schempp zur Solararchitektur, die sich in den 1970er Jahren – angestoßen durch die Ölpreiskrisen – entwickelt hatte. Die Grundidee war hier, die Sonnenenergie durch großzügige Glasfassaden besser zu nutzen. Allerdings führe, so Schempp, die Kombination von großflächiger Verglasung und wärmegedämmten Außenwänden zu einem schlechten Raumklima. „Fachkundig angewandt können Pflanzen in diesen Gebäuden erfolgreich zur Klimatisierung herangezogen werden; sie vermögen die Luftqualität zur verbessern, die Schadstoffe zu binden und damit einen positiven Einfluß auf die Gesundheit des Menschen zu nehmen“ [2, S. 6]. Das Buch stellt auch sieben weitere zwischen 1990 und 1997 von LOG ID nach diesen Grundsätzen realisierte Bauprojekte vor.
Schempp argumentierte, dass sich durch hohe Wärmedämmung in Kombination mit falsch gewähltem Baummaterial häufig die Luftqualität in Gebäuden verschlechtere, was mit aufwändigen Lüftungsanlagen und damit unter hohem Energieeinsatz kompensiert werden. Beim Bau des BGW-Gebäudes sollten deshalb nur erprobte Baustoffe zum Einsatz kommen. Eine großzügige Verglasung der Südfassade mit einem niedrigen K-Wert (0,7 W/m2 K) ermögliche das Einströmen von Sonnenenergie ins Gebäude. Dabei dringt an einem Wintertag die Strahlung der tiefstehenden Sonne weiter ins Gebäude vor, während an einem Sommertag die steilere Einstrahlung durch eine innenliegende Verschattung sowie Pflanzen vermindert wird. Lüftungsklappen im Dach sowie im unteren Fassadenbereich garantieren einen hohen Luftwechsel. Hinzu kommt die Kühlung durch transpirierende Pflanzen. Auch eine Photovoltaikanlage war in die Planung integriert. Schempp ging nach Computersimulationen von einer erheblichen Energieeinsparung aus. Üblicherweise entfielen etwa 50 % des Gesamtenergiebedarfs auf die Gebäudeheizung. Durch eine geeignete Gebäudeund Gebäudetechnikplanung war es nun möglich, einen wesentlichen Teil des Heizbedarfes über das Jahr mittels Sonnenenergie abzudecken.
Literatur
[1] Mensch, Raum und Pflanze. Symposium, 14. November 1996, Bezirksverwaltung der BGW, Dresden 1997
[2] Dieter Schempp u.a.: Mensch, Raum und Pflanze. Braunschweig 1997
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 01/2023 JAN/FEB