Sparsam, schonend, schön – Das faszinierende Material Carbonbeton

Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Manfred Curbach, Direktor des Institutes für Massivbau, TU Dresden, Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Chokri Cherif, Direktor des Institutes für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik, TU Dresden und Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Peter Offermann, Vorstandsvorsitzender TUDALIT e.V., Dresden

Carbonbeton ist sparsam und reduziert Materialeinsatz, Energiebedarf und CO₂-Ausstoß extrem. Er eröffnet eine Welt des leichten, wirtschaftlichen Bauens in einer neuen Formensprache. Mehr über die Herstellung und Verwendung von Carbonbeton erfahren Sie in diesem Beitrag.

Nachteile von Bewehrungsstahl

Beton formt die Welt, in der wir leben. Beton und Stahl sind nahezu ideale Partner und sorgen gemeinsam für die Tragfähigkeit des Verbundmaterials. Bewehrungsstahl ist jedoch ressourcenintensiv, umweltbelastend, schwer und vor allem auch korrosionsanfällig. Mit den Folgen der Korrosionsschäden und dem Anstieg der Verkehrslasten von Brücken werden wir täglich konfrontiert. Das Resultat von Baustellen sind oft kilometerlange, zeit- und nervenraubende Staus. Die Vorstellung, nie wieder im Stau stehen zu müssen, klingt verlockend und unrealistisch zugleich. Das könnte sich dank Carbonbeton bald ändern. Doch was ist Carbonbeton und was macht ihn so besonders?

Revolutionäre Fasern

Das innovative Material ist ein Verbundwerkstoff aus Beton und einer Bewehrung aus Carbon. Die Revolution steckt dabei in den Carbon- bzw. Kohlenstofffasern, die für Leichtigkeit, Flexibilität und Festigkeit sorgen. Bis zu fünfzigtausend dieser feinen Fasern werden zu einem Garn zusammengefasst. Die Garne wiederum werden in einer Textilmaschine zu einem Gelege verarbeitet und mit einer stabilisierenden Beschichtung versehen. In diesem Fall ist Carbonbeton eine Form des Textilbetons. Werden jedoch völlig andere Konfigurationen der Carbonfaser – z. B. in Stabform – benutzt, spricht man nur von Carbonbeton. Das Ergebnis ist in beiden Fällen eine korrosionsbeständige Alternative zum Stahlbeton.

Einsatz in der Praxis

Die grundlegenden Erkenntnisse basieren auf der Erforschung des Textilbetons in zwei Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Dresden und Aachen in dem Zeitraum von 1999 bis 2011. Die in diesem Rahmen gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse werden sukzessive in die Praxis umgesetzt. Die Gründung des Deutschen Zentrums Textilbeton – des Verbands der Qualitätsmarke TUDALIT® – und einiger Start-up Unternehmen sind sichtbare Ergebnisse des begonnenen erfolgreichen Wissenstransfers von der Forschung in die Praxis.

Hauptanwendungsbereiche des Baustoffs

Die Umsetzung entlang der gesamten Prozesskette – vom Werkstoff bis zum fertigen Bauteil – hat also längst begonnen und wird seit 2014 in Deutschlands größtem Forschungsprojekt im Bauwesen „C³ – Carbon Concrete Composite“ weitergeführt. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Projekt treibt die Forschungen zu Carbonbeton unter der Konsortialführung der Technischen Universität Dresden intensiv voran.

Über 150 Unternehmen, Vereine und Forschungsinstitutionen arbeiten gemeinsam an einer strategischen und umfassenden Markteinführung. Sie zielt auf zwei Hauptanwendungsbereiche ab: die Instandsetzung von Bauwerken (Brücken, Wohn- und Industriegebäude, Tunnel, Maste u. v. a. m.) und den gesamten Neubau. Hier liegt das Hauptaugenmerk vor allem auf der Reduzierung der Bauteilmasse.

So können z. B. bei Fassaden- und Balkonbodenplatten sowie Fertigteilen der vielfältigsten Art sowohl Material-, Transport- und Montagekosten als auch Kosten für Unter-, Befestigungs- und Tragkonstruktionen reduziert werden. Durch leichtere Bauteile können weiterhin der Vorfertigungsgrad im Fertigteilwerk erhöht und damit Kosten gesenkt sowie die Qualität der Bauteile verbessert werden. Anhand zahlreicher verstärkter Bauwerke und Neubauten konnten die Praxistauglichkeit des Carbonbetons und die extrem hohe Ressourceneffizienz eindrucksvoll nachgewiesen werden.

Sparsames Bauen

Bei Verwendung von Carbonbeton sparen wir Kosten, Material und Energie

Das Bauen mit carbonbewehrtem Beton schafft neue Werte in Form von neuen Bauwerken mit deutlich verlängerter Nutzungszeit. Gleichzeitig bewahrt Carbonbeton vorhandene Bauten: Mit extrem dünnen Schichten werden alte Gebäude verstärkt, um sie über einen längeren Zeitraum nutzen zu können. So werden nicht nur wertvolle Ressourcen gespart, sondern es werden auch gleichzeitig die Gesamtkosten reduziert.

Vorteile von Carbonbeton

Geringere Dichte, höhere Festigkeit

Anfang 2016 hat sich beispielsweise im Ausschreibungsverfahren für die Instandsetzung der historischen Bahnbrücke in Naila Carbonbeton gegen Stahlbeton durchgesetzt, da die Lösung mit Carbonbeton 10 % günstiger war. Außerdem konnte bei dieser Baumaßnahme etwa 80 % des Materials eingespart werden. Wichtig ist, dass Carbon und Stahl hinsichtlich der Leistungsfähigkeit preislich auf Augenhöhe liegen, wobei die kg-Preise dies zunächst nicht erwarten lassen. Ein Kilogramm Stahl kostet nur ca. 1 Euro, ein Kilogramm Carbon dagegen ca. 16 Euro. Die Dichte von Carbon ist allerdings viermal geringer und die Festigkeit sechsmal höher als bei Stahl. Somit bekommt man für den 16-fachen Preis bei voller Ausnutzung die 24-fache Leistungsfähigkeit.

Hohe Lebensdauer

Fassadenplatten oder Verstärkungsschichten sind mit Carbonbeton nur noch ca. zwei bis drei Zentimeter dick, statt wie mit Stahlbeton ca. acht Zentimeter. Somit müssen 75 % weniger Material hergestellt, transportiert, eingebaut sowie verankert werden. Auch die deutlich verlängerte Nutzungszeit spielt eine wichtige Rolle: Während Bauten aus Stahlbeton nach etwa 40 bis 80 Jahren aufgrund von Rostschäden oder höheren Gebrauchslasten erneuert werden müssen, sprechen wir bei Carbonbeton von einer Lebensdauer von 200 Jahren und mehr.

Schonender Baustoff

Mit Carbonbeton reduzieren wir den CO2 -Ausstoß und schonen wertvolle Ressourcen

Die Bauindustrie gehört zu den wichtigsten Branchen der deutschen Wirtschaft. Ihre Innovationsfähigkeit wird einen enormen Einfluss darauf haben, ob die Klimaziele – die Reduktion des CO₂-Ausstoßes, Energieeinsparungen und Ressourcenschonung – erreicht werden.

Nach Wasser ist Beton mit ca. 8 Milliarden m³ der am meisten verwendete Rohstoff [1]. 4 Milliarden Tonnen Zement [2], 10 Milliarden Tonnen Gesteinskörnung (Sand und Kies) [3] und eine Milliarde Tonnen Wasser werden weltweit pro Jahr als Betonausgangsstoffe für die Schaffung von neuen und die Sanierung von alten Gebäuden und Brücken verwendet.

Der immense Materialbedarf führt dazu, dass die Bauwirtschaft zu den größten CO₂-Emittenten zählt und für etwa 40 % des Energieverbrauchs weltweit verantwortlich ist [3]. Mit Carbonbeton können wir dünnwandiger bauen und benötigen dementsprechend weniger Zement, weniger Sand, weniger Kies und weniger Wasser und sparen zudem Transportkosten.

Herstellungsverfahren - heute und in Zukunft

Zur Herstellung von Carbon wird aktuell noch Erdöl als Grundstoff genutzt – da es preiswert und mit Blick auf die benötigten Mengen noch lange verfügbar ist. Aktuelle Forschungen befassen sich jedoch bereits mit der Carbonherstellung aus Cellulose, die mit dem Naturstoff Holz nachhaltig zur Verfügung steht. Der Materialwechsel zu Carbonbeton reduziert den Energiebedarf und den CO₂-Ausstoß bei der Herstellung und Instandsetzung von Bauwerken um durchschnittlich 50 % und schont wertvolle Ressourcen.

Schön: neue Formensprache mit Carbonbeton

„Leicht Bauen“ und „Beton“ sind kein Widerspruch mehr. Aufgrund der geringen Bauteildicke und flexiblen Carbonbewehrung können wir filigraner und schöner bauen. Und wir gewinnen z. B. auch mehr Innenraum bei gleicher Außenfläche. Das Faszinierende jedoch ist: Für Architekten und Bauingenieure eröffnet sich eine neue Welt des Designs von Bauwerken jeglicher Art. Die freie Formbarkeit in Kombination mit Schlankheit bei gleichzeitiger Erfüllung baukonstruktiver Anforderungen wird zu einer inspirierenden Kreativität im Wettbewerb führen, die unsere bebaute Umwelt in den nächsten Jahrzehnten zunehmend schöner werden lässt.

Literatur

[1] Schwenk Zement KG (2015). Mischmeisterschulung 2015. Einführung und Aktuelles aus Regelwerk und Technik.
[2] Verein Deutscher Zementwerke e.V. (2013). Zementproduktion und -verbauch weltweit.
[3] Lunk, Peter. Beton und Nachhaltigkeit in der Praxis.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 März/April