Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Andreas H. Holm, Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. München
Unglaublich aber wahr. Eine Vielzahl der fast 20 Millionen Wohngebäude in Deutschland sind noch ganz oder teilweise mit einfachverglasten Fenstern ausgerüstet.
Solche Fenster verursachen hohe Energieverluste sowie ein unbehagliches Wohnklima. Im Winter kühlen die Scheiben bis auf Minusgrade ab und nicht selten findet man auf den Oberflächen entsprechend Eisblumen. Häufig weisen diese Fenster auch undichte Rahmenfugen auf. Aus diesen Gründen sollten einfachverglaste und undichte Fenster eigentlich der Vergangenheit angehören. Aber auch das normale Zweischeiben-Isolierglas, das etwa zwischen 1970 und 1995 üblich war, hat aus heutiger Sicht unzureichende Wärmeschutzeigenschaften und sollte durch entsprechend moderne Fenster ersetzt werden. Der Verband Fenster + Fassade (VFF) schätzt den Gesamtbestand der Fenstereinheiten hierzulande auf 578 Millionen. Davon seien demnach 320 Millionen Fenstereinheiten nach heutigen energetischen Erkenntnissen veraltet. Der Austausch dieser alten Fenster, umweltpolitisch ohnehin notwendig, drängt sich für jeden Haus- und Wohnungseigentümer geradezu auf. Durch Sanierung oder Erneuerung unzureichender Fenster mit energiesparenden Verglasungen, Rahmenmaterialien und Dichtungen werden die Energieverluste erheblich verringert, die Wohnbehaglichkeit nachdrücklich verbessert und der Schallschutz deutlich aufgewertet.
Die steigenden Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden haben in den letzten Jahrzehnten entsprechende Fenstertechnologien herbeigeführt. Die energetischen Eigenschaften eines Fensters werden durch seinen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) und durch solare Energiegewinne (g-Wert) beschrieben. Der U-Wert hat sich bei Fenstern in den letzten 50 Jahren um rund 75% verbessert (siehe Tabelle Seite 22). Je niedriger der U-Wert ist, umso geringer fallen die Wärmeverluste aus. Moderne Wärmedämmfenster weisen Dreischeiben-Wärmedämmglas mit beschichteten Scheiben (so genannte Low-E-Verglasung) auf. Sie besitzen in Verbindung mit der hochentwickelten Dämm- und Dichtungstechnik des Rahmens mehr als viermal bessere Wärmedämmung als Fenster mit Einfachglas. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) schreibt für den erstmaligen Einbau, Ersatz oder Erneuerung von Fenstern nebenstehende Wärmedurchgangskoeffizienten vor:
Auch wenn viele Gründe für einen Fensteraustausch sprechen, sollte jeder Fall individuell beurteilt werden. Welcher Lösung Sie den Vorzug geben, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nicht zuletzt vom Ist-Zustand Ihres Gebäudes sowie dem zur Verfügung stehenden Budget für die Sanierung: Dies ist ein wichtiger Grund, warum gerade bei der Altbausanierung an einer guten Planung durch einen Energieberater und den ausführenden Fachbetrieb kein Weg vorbeiführt. Alle anstehenden Sanierungsmaßnahmen müssen unbedingt aufeinander abgestimmt werden, um jede einzelne Maßnahme so effektiv wie möglich zu gestalten. Was grundsätzlich richtig ist hängt von Fall zu Fall ab.
Kommt ein unabhängiger Energieberater zum Ergebnis, dass die Sanierung der Fenster eine effiziente Maßnahme darstellt, kann man evtl. sogar staatliche Fördergelder in Anspruch nehmen. Fenster werden heute über die KfW schon mit einem mittleren Dämmwert von 0,95W/m²K (für Dachfenster 1,0W/m²K) gefördert, zu beachten ist dabei aber, dass dieser Wert des Gesamtfensters aus der Qualität des Glases, des Rahmens und der Glasabstandhalter berechnet werden muss. In vielen Angeboten wird standardmäßig nur der Dämmwert des Glases genannt. Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass der U-Wert der Außenwand und/oder des Daches kleiner ist als der UW-Wert der neu eingebauten Fenster und Fenstertüren. Dadurch soll das Risiko des Tauwasserausfalls im Bereich der Außenwände bzw. des Daches weitestgehend und pauschal ausgeschlossen werden.
Ein wichtiger Aspekt wird beim Fensteraustausch häufig vergessen. Neue Fenster sind immer dichter als alte Fenster. Sie müssen sgar auch luftdicht eingebaut werden. Der Wandanschluss wird heute nach den Vorgaben des RAL-Gütezeichens anders ausgeführt als es früher der Fall war. Früher wurde die Fuge zwischen Wand und Fensterlaibung nach dem Setzen lediglich mit Bauschaum ausgeschäumt und anschließend verputzt. Eine solche Bauausführung ist nicht zu 100 Prozent winddicht. Daher werden heute spezielle Dichtbänder mit eingebaut, die die Fuge luftdicht verschießen. Fehlt eine solche Dichtung, entsteht im Bereich der Anschlussfuge eine Wärmebrücke. Die Oberfläche der Innenwand in diesem Bereich kühlt sich sehr stark ab und es kann im schlimmsten Fall Schimmel entstehen. Das bedeutet, wo sich früher Gebäude „von selbst“ unkontrolliert gelüftet haben, tun sie das mit neuen Fenstern nicht mehr. Das bedeutet: In einem alten Gebäude mit neuen Fenstern muss öfter gelüftet werden. Im Zuge eines Fensteraustausches sollte daher ein entsprechendes Lüftungskonzept erstellt werden, mit dem der hygienisch bedingte Mindestluftwechsel zum Schutz vor Gebäudeschäden sichergestellt bzw. nachgewiesen wird.
Fenster sind wichtige Bestandteile der Außenhülle und erhöhen aufgrund fortschrittlicher Rahmenkonstruktionen und neuester Wärmedämmverglasungen die Energieeffizienz eines Gebäudes. Sowohl alte, einfachverglaste Fenster als auch Isolier-, Verbund- und Kastenfenster der ersten Generation (vor 1995 hergestellt) entsprechen nicht dem heutigen Stand der Technik. Hier Nichts zu tun ist auf jeden Fall falsch. Neue Fenster sind hoch energieeffizient und reduzieren die Nebenkosten merklich. Wichtig ist aber immer ein unabhängiger Expertenrat durch einen Energieberater.
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 04/2024 JUL/AUG