Interview mit Architektin Christine Uske über ihre Erfahrungen bei der energetischen Bestandssanierung und der Energieberatung.
Technik in Bayern: Frau Uske, welches Potential der geforderten Energiewende sehen Sie im Gebäudebestand und wie ist aus Ihrer Einschätzung die reale Umsetzung?
Christine Uske: Wenn wir aus dem Bestand die Baudenkmäler und die historischen Bauten herausrechnen, bleiben ca. 90%, die großes Sanierungspotential bergen, welches es zu nutzen gilt und nicht immer gleich dem Neubau weichen sollte. Ich arbeite seit Mitte der 1990er Jahre in der Bestandssanierung und ein Nadelöhr für die Realisierung vieler Maßnahmen ist eine längst überfällige Umbauverordnung. Viele der geforderten baurechtlichen Maßnahmen machen es oft schwer, den Bestand weniger aufwändig und dadurch kostengünstiger zu sanieren. Natürlich haben die Beamten der Genehmigungsbehörden auch keinen Entscheidungsspielraum und stehen in der rechtlichen Verantwortung.
TiB: Ist für Gebäude im Bestand eine umfangreiche Wärmeisolierung überhaupt notwendig, wenn man ausschließlich mit erneuerbaren Energien heizen kann?
Uske: Doch, denn Sie brauchen trotzdem mehr Energie, denn durch die Außenbauteile, wie Außenwände, Dach, Fenster geht ja weiterhin Energie verloren. Und ob das jetzt erneuerbare Energie ist oder fossile Brennstoffe sind, ich muss sie trotzdem zuführen und das kostet Geld und Ressourcen. Die Hülle ist immer das Erste, was saniert werden sollte und dann kommt die Heiztechnik.
TiB: Wäre es nicht sinnvoller, Fotovoltaik in das Gebäudedach zu integrieren, anstatt Kollektoren im Standardmaß auf die Ziegel zu montieren?
Uske: Integrierte Photovoltaikmodule kommen vorzugsweise eher bei Neubauten zum Einsatz, vielleicht noch bei einer Umfangreichen Dachsanierung. Da die Indachmodule die Funktion der Dacheindeckung übernehmen bedarf es einer guten Planung. Die Dachkonstruktion und den Unterbau müssen sehr sorgfältig geprüft werden. Die entstehende Wärme muss abgeführt werden. Der Einbau muss bautechnisch gut durchdacht und handwerklich sauber ausgeführt werden.
TiB: Welche Erfahrungen machen Sie mit der Energieberatung der Eigentümer?
Uske: Das Interesse an Energieberatungen ist gerade bei Besitzern von Ein- und Zweifamilienhäusern aus den 1960er-Jahren gestiegen. Ich glaube, dass das am reformierten GEG, aber auch an den gestiegenen Preisen liegt. Die Eigentümer sind schon bereit, etwas zu tun. Auch wechseln gerade Häuser ihren Besitzer und sollen in diesem Zug saniert werden. Als aber im letzten Jahr die Fördergelder sehr plötzlich von einem Tag auf den anderen eingestellt worden sind, brachen mir Energieberatungen teilweise weg. Die Hausbesitzer waren verunsichert, auch durch die Diskussion über das neue Heizungsgesetz zögerlich. Das hat sich jetzt wieder gebessert. Der Sanierungsfahrplan hat die Vor-Ort-Beratung abgelöst. Das finde ich auch besser, weil man den Auftraggebern schrittweise zu einer gesamten energetische Sanierung, einem Effizienzhaus, die Maßnahmen aufzeigen kann. Und in der Folge müssen nicht alle Maßnahmen gleichzeitig durchgeführt werden. Sie haben dann 15 Jahre Zeit, es bis zu diesem Effizienzhaus zu sanieren und die Fördergelder in Anspruch zu nehmen. Meine Erfahrung ist auch, dass kaum ein Eigentümer sofort alle Maßnahmen in Angriff nimmt In der Regel werden Einzelmaßnahmen realisiert, wobei es dann in erster Linie um die Beantragung von Fördergeldern geht.
TiB: Werden wir bei Bestandsgebäuden in absehbarer Zeit Erfolge in der Energieeffizienz sehen und wie ist Ihre Prognose?
Uske: Es wird sich bei der Energieeffizienz schon einiges tun, aber es muss davor noch viel passieren und nicht mit der Holzhammermethode. Sie müssen die Menschen mit Sinn und Verstand mitnehmen und Gesetzesänderungen im Baurecht im Bezug auf die Umbauordnung auf den Weg bringen. Auch an den Hochschulen gibt es mittlerweile Studierende, die sich mit Bestandsbauten beschäftigen, was früher völlig verpönt war.
Wir müssen uns auf die Bestandssanierung konzentrieren, denn wir müssen die Klimaziele erreichen. Sollten sich technische Hybridlösungen noch mehr durchsetzen und es mit den Behörden ein wenig einfacher wird, bin ich davon überzeugt, dass sich so mancher Eigentümer eine Sanierung überlegt.
Das Interview führten Fritz Münzel und Silvia Stettmayer
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2024 JUL/AUG