Aus Alt wird Neu!

Remanufactoring: Industrielle Aufarbeitung von Altgeräten

Beitrag von Jakob Rothmeier, VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH

Das Prinzip des Remanufacturing verfolgt im Gegensatz zum klassischen Recycling keine stoffliche Verwertung, sondern eine Aufarbeitung und erneute Verwendung von Altprodukten oder Altteilen in deren ursprünglicher Funktion. Altprodukte mit der Absicht einer längeren Nutzung zu sammeln und wiederzuverwenden, ist ein wichtiger Bestandteil der Kreislaufwirtschaft. Da weniger neue Bauteile benötigt werden, schont Remanufacturing zumeist die natürlichen Ressourcen.

Ziel ist eine Aufarbeitung, die mindestens das Qualitätsniveau des Neuprodukts erreicht. Dafür sind im Anschluss an die Redistributionslogistik mehrere Prozessschritte notwendig. Im Allgemeinen werden die Altprodukte demontiert, gereinigt, geprüft, aufgearbeitet und anschließend wieder montiert. Zur Sicherstellung einer konstanten Qualität unterliegen die aufgearbeiteten Produkte in der Regel vergleichbaren Qualitätskriterien wie neue Produkte. Für eine häufigere Verwendung sollten die Produkte demontagegerecht gestaltet werden. Wichtige Material- und Bauteileigenschaften sind hier unter anderem eine lange Beständigkeit, eine modulare Bauweise und der Verzicht auf toxische Stoffe. Eine Miniaturisierung und die Heterogenität vieler Baugruppen wiederum hemmen ein ökonomisch sinnvolles Remanufacturing. Deutlich wird dies beispielsweise bei elektronischen Produkten. Durch die hohe Materialvielfalt und Vielzahl von Baugruppen hat sich dort das Wiederaufbereiten bisher nicht flächendeckend durchsetzen können.

Remanufacturing als Geschäftsmodell

Für nachhaltiges Remanufacturing haben sich Geschäftsmodelle verändert bzw. sind neue entstanden. Ausschlaggebend für eine wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung ist eine technisch beherrschbare Variantenvielfallt der Bauteile bei einer ausreichenden Stückzahl. Weitere wichtige Aspekte sind dabei die Redistributionslogistik, sowie die Vermarktung von aufgearbeiteten Produkten. Neben qualifizierten Sammel- und Rückführsystemen können beispielsweise Leasing- oder Sharingangebote zur effizienteren Beschaffung beitragen. Geht ein Gebrauchsgegenstand nicht in den Besitz des Nutzers über, sondern gelangt am Ende der Nutzungsphase wieder an den Hersteller, so kann dies eine hohe Typengleichheit und eine ausreichende Menge an Altprodukten fördern. In diesem Zusammenhang müssen Nachweispflichten und rechtliche Bestimmungen über gewerbliche beziehungsweise privat genutzte Produkte berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass ein angemessener Preis für aufgearbeitete Produkte vor allem dann möglich ist, wenn eine konstant ausreichende Menge von Altteilen hoher Qualität garantiert werden kann. Dieser Aspekt ist in hohem Maße von der Verbreitung des Produkts abhängig. Geringe Produktmengen auf dem Markt erschweren die Rückführlogistik. Sehr große Angebote von Neuprodukten senken die Nachfrage nach aufgearbeiteten Produkten. In den letzten Jahren ist der Gesamtumsatz des deutschen RemanufacturingMarktes kontinuierlich gestiegen. Während der Umsatz 2015 gemäß Eurostat SBS noch bei 8,7 Milliarden Euro lag, betrug er 2017 bereits 10,2 Milliarden Euro. Im Jahr 2017 wurden insgesamt rund 98 % der Umsätze in den Branchen Luftfahrt, Automotive & Schwerlast, elektrisches und elektronisches Equipment (EEE), Maschinenbau sowie Medizintechnik erzielt. Dabei dominieren die Sektoren Luftfahrt mit 45 % und Automotive & Schwerlast mit 40 %. Diese Verhältnisse spiegeln sich auch in den Mitarbeiterzahlen wider. Mehr als Dreiviertel der etwa 43.000 Beschäftigten in diesem Bereich sind auf die beiden erstgenannten Sparten zurückzuführen. Ausschlaggebend hierfür sind unter anderem die gute Identifikation der Materialen, eine funktionierende Sammellogistik, die auf detaillierten Informationen über die verwendeten Bauteile und Einsatzorte basiert, sowie starke ökonomische und ökologische Interessen.

 

Nachgewiesener Erfolg

Erfolge zirkulärer Geschäftsmodelle und in der Entwicklung von Remanufacturing lassen sich auch bei kleinen und mittleren Unternehmen in anderen Branchen nachweisen. Im Rahmen der kürzlich veröffentlichten Studie „Remanufacturing von Produkten“ des VDI Zentrums Ressourceneffizienz (VDI ZRE) wurden Beiträge zur Kreislaufwirtschaft und zur Ressourcenschonung unter anderem bei Wasserzählern deutlich. Verglichen wurden aufbereitete Zähler mit Neuprodukten. Dazu wurden die Aufwendungen (Material, Energie, Wasser und Fläche), TreibhausgasEmissionen, die Versorgungskritikalität von Rohstoffen und die Kosten über den gesamten Lebensweg vergleichend untersucht. Das Beispiel zeigt, dass Umweltauswirkungen der aufbereiteten Wasserzähler um mindestens 90 % niedriger ausfallen als bei neuen Wasserzählern. Dies liegt vor allem daran, dass das Geschäftsmodell des betrachteten Unternehmens von der Produktentwicklung, über die Logistik bis zur Überarbeitung konsequent auf Kreislaufwirtschaft ausgerichtet ist. Dazu gehört ein zu den Eigenschaften der Wasserzähler passendes Rückführ- und Remanufacturing-System. 

Die Wasserzähler werden im Kreislauf gehalten und entsprechend ihres Zustands so aufgearbeitet, dass eine in Qualität und Funktion identische Nutzung sichergestellt wird: nämlich die geeichte Quantifizierung einer Wassermenge über fünf bzw. sechs Jahre (für Warm- bzw. Kaltwasserzähler). Dabei kann ein Großteil der verbauten Komponenten (Gehäuse, Mechanik, Elektronik) wiederverwendet werden. Nur wenige Teile müssen getauscht werden (Batterie, Haube).

Dies führt zur beschriebenen deutlichen Reduzierung der Umweltwirkungen. Durch den signifikant geringeren Materialbedarf bei der Aufarbeitung ist die Rohstoffkritikalität entsprechend niedriger. Insbesondere die Wiederverwendung von Elektronik und Gehäuse leisten hier einen großen Beitrag. Auch aus ökonomischer Sicht zeigt sich die Vorteilhaftigkeit des Remanufacturing: So erstattet das Unternehmen je nach Zustand der Wasserzähler einen variablen Betrag an die Kunden. Für Wasserzähler in gutem Zustand werden höhere Vergütungen für die Rückgabe gezahlt. Dieser Betrag ist so gewählt, dass sich die Rückkaufund Aufarbeitungskosten für das Unternehmen unabhängig vom Zustand der Wasserzähler immer auf rund die Hälfte der Herstellkosten der Neuware belaufen.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Potenziale für Ressourceneffizienz durch Remanufacturing vor allem dann ausgeschöpft werden können, wenn neben dem technischen Know-how auch das Geschäftsmodell angepasst wird. Essenziell für zukünftige Vorhaben sind tiefgehende Kenntnisse entlang der Wertschöpfungskette. Wichtig ist dabei ein guter Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten – von der Produktentwicklung bis zum Kunden.

Vertiefen lässt sich das Thema Remanufacturing und das hier vorgestellte Beispiel in der kostenlosen Studie „Ökologische und ökonomische Bewertung des Ressourcenaufwands – Remanufacturing von Produkten“ des VDI ZRE. Diese steht ab Mai unter www.ressource-deutschland.de/publikationen/ zum kostenlosen Download bereit und wurde im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2021 MAI/JUN