Konsumierst Du wieder oder reparierst Du jetzt?

Beitrag von Sabrina Bohn, FabLab Region Nürnberg e.V

Im Rahmen des „Green Deal“ der EU wurde die Europäische Kommission dazu aufgefordert, einen Gesetzesentwurf zum Thema „Recht auf Reparatur“ vorzulegen. Das neue Gesetz der EU trifft den Zeitgeist. Zunehmend mehr Bürger begreifen, dass wir seit Jahrzehnten eine Wegwerfgesellschaft sind und dies nicht länger akzeptieren (wollen). Dies lässt sich auch gut an der steigenden Anzahl der Repair Cafés (RC) ablesen.

Was sind Repair Cafés?

Das erste RC fand 2009 in Amsterdam statt. Wir vom FabLab Region Nbg. e.V. bieten unser RC seit 2013 an. RC sind Treffen, bei denen ehrenamtliche Reparateure mit Erfahrung Besucher beim Reparieren ihrer defekten Geräte unterstützen. Egal, ob von einer Gemeinde, offenen Werkstatt, oder Organisation initiiert, RC sprießen seit Jahren wie Pilze aus dem Boden, was die Karte auf repaircafe.org veranschaulicht (2019 waren es genau 2000 weltweit!). Sie sind ehrenamtlich organisiert und keine Dienstleister!

FabLabs und Makerspaces (offene Hightechwerkstätten) eignen sich sehr gut für RC, weil benötigte Werkzeuge, Ersatzteile, Lötkolben, Messgeräte und Nähmaschinen vorhanden sind. Außerdem gibt es hier meistens ausreichend Platz, Tische und Infrastruktur und natürlich Menschen mit Erfahrung, die teilweise seit Jahrzehnten Geräte und Maschinen auseinandernehmen, sich mit Technik, Mechanik und IT beschäftigen und dabei Spaß haben. Sie möchten ihr Wissen teilen, erklären, wo, warum, wie welcher Defekt zu finden ist und freuen sich, wenn ihnen jemand interessiert zuhört und etwas lernen möchte. Dinge zu reparieren bedeutet aber auch, sich intensiver mit deren Herkunft, Herstellung und Aufbau zu beschäftigen, eventuell nach der Anleitung oder Erfahrungen anderer zu recherchieren und sich Zeit zu nehmen.

Es ist Zeit umzudenken

All das scheint scheint aber vielen noch ungewohnt. Ein neues Gerät zu kaufen ist einfacher, schneller und lange nicht mehr so teuer wie vor 30 Jahren.

Es ist Zeit umzudenken, sich des eigenen Konsums und Verantwortung bewusst zu werden. Die Stiftung „Repair Café international“ hat ausgerechnet, dass 2019 dank aller Repair Cafés weltweit ca. 420 Tonnen Müll vermieden werden konnten.

Die Menschen, die noch reparieren können und wollen, aus Neugier, Interesse, Kostengründen, Begeisterung und vielleicht auch Sturheit, werden weniger. Oder vielleicht doch wieder mehr? Dafür sollten Erfahrene diese Kompetenz, Neugier und Leidenschaft an Jüngere weitergeben. Viele Bastler, Reparateure und Macher würden sich über den Austausch mit einem interessierten Informatikstudent, einer angehenden Elektrikerin oder einem nähbegeisterten Schüler freuen.

Kontakt und Austausch zwischen den Generationen ist immens wichtig, lehrreich für alle Beteiligten, baut Vorurteile ab, steuert Vereinsamung entgegen, fördert gute Laune, Verständnis und ganzheitliches Denken.

Kurzer Bericht aus unserem RC

In unser Repair Café kommen vor allem Besucher 50+, mit Küchengeräten und Unterhaltungselektronik. Der Nachhaltigkeitsgedanke steht oft im Hintergrund, der praktische Nutzen, das Finanzielle oder die emotionale, nostalgische Beziehung sind entscheidender. Die wenigsten unserer Besucher haben Reparaturerfahrung oder sich mit ihrem defekten Gerät schon einmal länger auseinandergesetzt. Die Konsequenz daraus ist, dass unsere Reparateure (Männerquote meistens 100 %) weniger unterstützen, sondern Reparaturen größtenteils selbst durchführen, ihr Vorgehen erklären und je nach Möglichkeit und Interesse Besucher mit einbinden.

In der Theorie ist die Idee „Hilfe zur Selbsthilfe“ gut, doch in der Realität nicht so umsetzbar wie gedacht, aus organisatorischen, technischen, zeitlichen und persönlichen Gründen. In anderen RC scheint es ähnlich zu sein.

Jedes Repair Café freut sich deshalb über Unterstützung, egal ob Reparateur*in, Interessierte, Besucher*in, Organisator*in, Spender*in.

Info

Der FabLab Region Nürnberg e.V. wurde 2011 gegründet, hat aktuell 170 Mitglieder, war bis 2018 „Auf AEG“ und ist nun in Fürth-Süd beheimatet. Wir haben ca. 400 qm Platz, mit verschiedenen Bereichen wie Textil, Elektro, 3D-Drucker, einer Mechanikwerkstatt, zwei Lasercuttern..

Seit März 2020 dürfen wir leider keine öffentlichen Veranstaltungen bei uns durchführen. Mehr Infos unter www.fablab-nuernberg.de

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2021 MAI/JUN