Resilienz der Gasversorgung

Technische Sicherheit, Netzstabilität in Krisenzeiten und Transformation zu Wasserstoffnetzen

Beitrag von Richard Unterseer bayernets GmbH

Gasversorgungssysteme zeichnen sich durch eine technische und wirtschaftliche Langlebigkeit der wesentlichen Bestandteile über mehrere Jahrzehnte aus. Auf Basis rechtlicher Bestimmungen und des technischen Regelwerks werden sicherheitstechnische und organisatorische Anforderungen für Planung, Bau und Betrieb von Gasversorgungssystemen festgelegt. Um der Zuverlässigkeit und Resilienz Rechnung zu tragen, wird ein hoher Qualitätsstandard angesetzt, der i.d.R. zu höheren Investitionen und/oder höheren Betriebskosten führt.

Technische Sicherheit bei Planung, Bau und Betrieb der Gasinfrastruktur

Durch Redundanzen und Reservekapazitäten wird bereits bei der Planung und Bau der Anlagen oder Anlagenkomponenten die Grundlage für die Technische Sicherheit gelegt, um im Bedarfsfall den Ausfall einer Anlage entsprechend kompensieren zu können.

Gasversorgungssysteme sind so auszulegen und zu betreiben, dass auch bei Ausfall einer Anlage oder Anlagenkomponente die Versorgungssicherheit aufrechterhalten bleibt (n-1-Prinzip). Deshalb wird die Gasdruckregelung redundant ausgeführt, damit bei Störungen die Ersatzregelung diese Funktion übernimmt. Redundanzen können auch im laufenden Betrieb z. B. bei Wartungen oder andere betrieblichen Maßnahmen genutzt werden.

Wird bei Gasverteiler- oder Gastransportleitungen das n-1-Prinzip nicht angewendet, kann dennoch durch Anwendung geeigneter Schutzmaßnahmen die Resilienz erhöht werden. Störungen im Gasleitungsnetz entstehen im Wesentlichen durch mechanische Fremdeinwirkung mit Beschädigung von Gasleitungen. Die Auswirkungen von sogenannten „Baggerschäden“ durch Baumaßnahmen Dritter können durch Sicherheitskonzepte minimiert werden. Möglichkeiten, die Robustheit von Gasleitungen gegen Fremdeinwirkung zu erhöhen, können u. a. durch Anwendung höherer Sicherheitsbeiwerte, dem Einbau von Geotextil, die verstärkte Markierung der Leitungstrasse, die Erhöhung der Verlegetiefe oder die Errichtung zusätzlicher Messstellen zur Überwachung des kathodischen Korrosionsschutzes sein.

Netzüberwachung und Meldestelle für Störungen

Zur Überwachung des Gasnetzes und als zentrale Meldestelle für Störungen wird von mittleren und großen Gasversorgungsunternehmen eine Leitstelle vorgehalten. Diese überwacht GDRM-Anlagen mittels fernübertragener Zustandsmeldungen und dient als zentrale Meldestelle für Störungen.

Um diese Aufgaben zu bewältigen hält z. B. der Fernleitungsnetzbetreiber bayernets GmbH am Standort München eine Leitzentrale vor, die im Schichtdienst 24/7 besetzt ist. Redundant ausgelegte Datenanbindungen und ein Prozessleitsystem werden bei Spannungsausfällen über batteriegestützte Notstromanlagen oder -aggregate vorgehalten. Auch wichtige Gasdruckregelanlagen sind mit Notstromaggregaten ausgestattet.

Durch das Zusammenwirken einer Vielzahl redundanter technischer Systeme, sowie die regelwerkskonforme Organisation des Schicht- und Bereitschaftsdienstes, ist eine permanente Überwachung und Steuerung des Gasversorgungsnetzes rund um die Uhr gewährleistet.

Managementsysteme

Gasnetzbetreiber haben ein sicheres, zuverlässiges und funktionsfähiges Gasversorgungsnetz zu gewährleisten. Dazu gehören auch Anforderungen an die Qualifikation und Organisation des Unternehmens entsprechend DVGW-Arbeitsblatt „G1000 – Betrieb von Gasversorgungsanlagen“. Die Einhaltung dieser Anforderungen wird durch eine unabhängige Prüfstelle im Rahmen des Technischen Sicherheitsmanagement (TSM) überprüft.

Betreiber von Gashochdruckleitungen müssen zudem die Integrität des Leitungsnetzes durch einen Pipeline-Integrity-Management-Prozesses nachweisen, der durch Kapazitätsanalyse eine engpassfreie Versorgung von Letztverbrauchern gewährleistet, sowie effektive Sofortmaßnahmen bei realistisch möglichen Schadensszenarien erarbeiten.

Erhalt der Systemstabilität bei Bedarfsspitzen im Winter und im Falle einer Gasmangelsituation

Für den Erhalt der Systemstabilität bei Gasbedarfsspitzen in Kälteperioden oder bei einer Gasmangelsituation ist das koordinierte Zusammenspiel von Netzbetreibern, Gashändlern, Speicherbetreibern und des Marktgebietsverantwortlichen erforderlich.

Während die Gasnetzbetreiber die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Gasversorgung gewährleisten müssen, sind Gashändler für die Bereitstellung der erforderlichen Gasmengen verantwortlich. Eine besondere Aufgabe kommt dabei auch den Gasspeichern in Süddeutschland zu. Erdgasspeicher dienen primär dem Ausgleich zwischen einem gleichmäßigen Erdgasbezug an Grenzimportpunkten, sowie Produktionsstätten und einem temperaturabhängig stark schwankenden Erdgasverbrauch der Letztverbraucher. Darüber hinaus sind die Speicher technisch in der Lage, bei Höchstlast oder im Fall eines physischen Engpasses im Netz, schnell und lokal größere Gasmengen zur Verfügung zu stellen (z. B. durch die Bereitstellung von Regelenergie). Damit leisten die Speicher einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und Systemstabilität. Nur durch ausreichend gefüllte Speicher kann die Versorgungssicherheit bei Maximallastszenarien im Winter sichergestellt werden.

Das Ineinandergreifen der Prozesse der Infrastrukturbetreiber (Leitungssystem und Untergrundspeicher) und Händler (Handels- und Importströme) bei einer Gasmangelsituation wurde im Herbst 2018 durch die strategische Krisenmanagement-Übung „LÜKEX 2018 – Gasmangellage in Süddeutschland“ geübt. Planende Institutionen waren unter anderem das Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, das Bundeswirtschaftsministerium, die Bundesnetzagentur sowie das Bayerische Innen- und Wirtschaftsministerium. Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen wurden verschiedene Handlungsfelder identifiziert, was zu einer Anpassung bestehender Prozesse führte.

Die energiepolitischen und -wirtschaftlichen Auswirkungen des Angriffs Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 auf die Versorgungssicherheit und Netzstabilität sind noch nicht absehbar. Diese sind abhängig von den weiteren Entwicklungen, dem Handeln Russlands und den Sanktionsmaßnahmen der westlichen Staaten. Diverse Arbeitsgruppen und Krisenstäbe bewerten die aktuelle Lage und bereiten erforderlichen Maßnahmen für eine mögliche Gasmangelsituation vor.

Umsetzung Energiewende durch Nutzung bestehender Gasinfrastruktur

Es ist insbesondere im Angesicht der aktuellen geopolitischen Lage wie auch der drängenden Umsetzung der Energiewende unabdingbar, den Begriff der Resilienz zu erweitern. Zusätzlich zur Robustheit des Gasversorgungssystems muss die Zukunftsfähigkeit der Gasinfrastruktur betrachtet werden. In Bayern wird dies durch die Projekte zur Transformation des bayerischen Gastransportnetzes zum Wasserstofftransportnetz „HyPipe Bavaria“ erreicht. bayernets hat bereits in 2019 mit ersten Überlegungen zur Entwicklung einer leitungsgebundenen Wasserstoffinfrastruktur begonnen.

Das dargestellte visionäre H2 -Transportnetz in Bayern basiert größtenteils auf bestehender Gasinfrastruktur und ermöglicht für potentielle Bedarfsschwerpunkte (u. a. Chemiedreieck Burghausen, Großraum Ingolstadt, München, Augsburg sowie Kraftwerksstandorte) eine perspektivische Anbindung an ein europäisches Wasserstofftransportnetz.

Die Transformation des Gasnetzes zum Transport von Wasserstoff ist gerade auch für Bayern einer der wichtigsten Schritte zum Erreichen der Klimaziele.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022  SEP/OKT