Robust vernetzt für sichere Mobilität

5G-Technologie und Personenstromanalyse verbinden

Beitrag von Constance Schölch und Christiane Taddigs-Hirsch Hochschule München

Mobile Kommunikation ist allgegenwärtig: Fußgänger lassen sich mit dem Smartphone zum Ziel leiten, Bahnreisende rufen aktuelle Abfahrtszeiten über Apps ab.

Doch bei großen Menschenansammlungen, beispielsweise auf dem Weg zu Großveranstaltungen mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Krisensituationen, droht eine Überlastung des Mobilfunknetzes und der Verkehrswege. Engpässe und gefährliche Situationen können die Folge sein. Das Forschungsprojekt RoVer der Hochschule München entwickelt daher Verfahren, die eine genaue Bestimmung der lokalen Personendichte sowie Umleitungsvorschläge für die Personen vor Ort via App ermöglichen. Das soll Netz- und Verkehrsüberlastungen vermeiden und für resilientere Infrastrukturen sorgen.

5G-Technologie: Anwendungspotenzial lokaler Vernetzung

Ein zentrales Element resilienter Verkehrsinfrastrukturen ist die Vernetzung: Klassischerweise sendet das Mobilgerät dabei Informationen zu einer Basisstation des Mobilfunknetzbetreibers. Die Basisstation leitet die Information dann zu anderen Verkehrsteilnehmenden oder ins Internet. Mit Einführung der 5G-Technologie tauschen Geräte Daten zusätzlich auch direkt untereinander aus. Über den sogenannten „Sidelink“ können Handys ganz ohne einen Sendemast und somit ohne Umwege miteinander kommunizieren – eine Innovation, die nicht nur sensible Daten besser schützt, da sie nicht auf zentralen Servern zusammenlaufen. Vielmehr ermöglicht es auch Mobilitätsinformationen lokal, hochaktuell und präzise zu verbreiten, ohne das Mobilfunknetz zu überlasten.

CrowNet: Simulationsumgebung als gemeinsame Basis

Für das Projekt RoVer arbeiten zwei Forschungsbereiche an der Fakultät für Informatik und Mathematik eng zusammen: HM-Professor Dr. Lars Wischhof und Stefan Schuhbäck untersuchen Mobilitätsdaten, die über das Mobilfunknetz von Verkehrsteilnehmenden ausgetauscht werden. HM-Professorin Dr. Gerta Köster und Christina Mayr analysieren Personenströme und das Mobilitätsverhalten, das sie über Umleitungsvorschläge lenken möchten. In einem ersten Schritt haben beide Forschungsgruppen gemeinsam die Simulationsumgebung CrowNet entwickelt, die eine präzise Modellierung der Personenbewegung mit einer Mobilfunksimulation kombiniert. Die Kopplung ist integral, um Wechselwirkungen zwischen den beiden Domänen beim Arbeiten mit der Umgebung beobachten zu können. CrowNet ist unter einer Open-Source Lizenz veröffentlicht und ist somit auch für andere Interessierte frei zugänglich.

Lokale Personendichtekarten als Grundlage für Lenkung von Personenströmen

Der wissenschaftliche Mitarbeiter im Bereich Funknetzsimulation, Stefan Schuhbäck, erstellt zunächst aus Mobilitätsdaten, die von den Smartphones der Verkehrsteilnehmenden gesendet werden, anonymisierte Karten mit den Dichtewerten der Menschen vor Ort. Daran knüpft Christina Mayr, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Personenstromanalyse, an. Sie analysiert die Dichtekarten in Hinblick auf Möglichkeiten zur Lenkung von Personenströmen. Dafür arbeitet sie mit unterschiedlichen Algorithmen aus der Steuer- und Regelungstechnik und erstellt Umleitungsempfehlungen. Diese helfen dabei, lange Wartezeiten und eine Überfüllung, beispielsweise der Zugänge von öffentlichen Verkehrsmitteln, zu vermeiden. Mit der zusammengeführten Personenstrom- und Kommunikationssimulation in CrowNet ist der Einfluss der Bewegung der Personen auf die lokale Auslastung des Mobilfunknetzes und die Informationsverbreitung zu erkennen. Und umgekehrt lässt sich mit mobilen Anwendungen und Umleitungsvorschlägen Einfluss auf die Personenbewegungen nehmen. Die beiden Fachbereiche arbeiten in einem dynamischen Prozess einander zu. Im Arbeitsprozess lassen sich die Wechselwirkungen beider Simulationen beobachten.

Leiten von Fußballfans an der Münchner Freiheit

Mayr und Schuhbäck erarbeiten ihre Entwicklungen an einem Beispielszenario für Besucher der Allianz Arena am Bahnhof Münchner Freiheit in München. Bei Fußballspielen in der Allianz Arena könnten sich dort als zentralem Umsteigebahnhof mit unterschiedlichen Zugängen Engpässe ergeben. In einem Studierendenprojekt erhob RoVer Mobilitätsdaten über die Zählung von Personen an den Zugängen zu den Verkehrsmitteln. Mayr interessiert sich nun dafür, wie Personen auf Umleitungsvorschläge einer App reagieren. Dafür hat sie in einer Online-Umfrage mehr als 1.000 FC Bayern Fans befragt, wie sie an der Münchner Freiheit bei einem Fußballevent an- und abreisen.

Erste Ergebnisse zeigen, dass ein Appell an das Gemeinschaftsgefühl unter Fans für die Akzeptanz von Routenvorschlägen besonders effektiv ist. Das gilt auch für farblich markierte Meldungen zur Stauung von Besuchern in einer Karte, die die Menschendichte in den Gängen und Zugängen zeigt. Wichtig für die Empfehlungen der App ist ein spezifischer Algorithmus, der die Umleitvorschläge generiert und den Mayr unter anderem mit Hilfe der Dichtekarten von Schuhbäck spezifizieren konnte. Am effektivsten ist es, die Besucher immer in diejenigen Eingänge zu lotsen, die aktuell die geringste Personendichte aufweisen. In Schuhbäcks Funknetzsimulationen wiederum fließen die Effekte der Personenlenkung ein.

Das Projekt „Leistungsfähigere Verkehrsinfrastrukturen durch robuste Vernetzung“ (RoVer) wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderprogramms Forschung an Fachhochschulen mit dem Förderkennzeichen 13FH669IX6 und läuft von 2018 bis 2023. Projektpartner sind die Stadtwerke München GmbH (Ressort Mobilität), die accu:rate GmbH, Institute for Crowd Simulation, sowie die Technische Universität München, Fakultät für Informatik.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022  SEP/OKT