Verlässliche Kommunikationsnetze

Beitrag von Michael Düser DEUTSCHE TELEKOM AG

Eine sichere und verlässlich erreichbare Telekommunikationsinfrastruktur ist eine der notwendigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Digitalisierung in Deutschland.

Im Rahmen der Coronakrise hat eine robuste Telekommunikationsinfrastruktur dafür gesorgt, dass Arbeitsprozesse, Dienstleistungen und die Kommunikation im beruflichen, wie privaten Umfeld in kurzer Zeit in digitale Formate überführt werden konnten. Diese Entwicklungen prägen im Sinne eines „New Working“ die Arbeitswelt nachhaltig. Unwetterkatastrophen wie im Ahrtal im Juli 2021 oder der Krieg in der Ukraine führen uns den Wert vor Augen, den gesicherte Kommunikation über Sprache und Datendienste in dieser Situation bietet. Netze und Technik in der Telekommunikation verfügen inhärent über Schutzmechanismen mit der Fähigkeit, Fehlerfälle z. T. in Echtzeit erkennen und beheben bzw. explizite Angriffe auf die Infrastruktur abwehren zu können, ohne die Qualität von Diensten kurz- bis langfristig zu beeinträchtigen. Dienste sollen weiter Ende-zu-Ende lauffähig bleiben. Diese Widerstandsfähigkeit wird als Resilienz (engl. Resilience) bezeichnet. Fehlerfälle treten im Betrieb immer wieder auf, z. B. durch Schäden an Kabeln bei Tiefbauarbeiten, so dass Resilienz eine inhärente Eigenschaft für Telekommunikationsnetze ist.

Resilienz in der Telekommunikation bedeutet eine komplexe Koordination von Konzepten und Maßnahmen auf mehreren, aufeinander aufbauenden Schichten:

  1. Planung & Topologie: Der grundlegende Schutz vor Ausfällen beginnt mit einer entsprechenden Netzplanung für Standorte (Netzknoten, Antennen etc.) und Verbindungslinien (Kabel, Richtfunk, etc.) – dies ist die Topologie. Dies geschieht durch eine hierarchische Gliederung in Kern-, Aggregations- und Zugangsnetzen. Knoten in diesen Netzebenen sind durch Links miteinander verbunden, in vielen Fällen ist ein Knoten physisch oder logisch mit mehreren Knoten verbunden.
  2. Knoten / Vermittlungsstellen / Data Center: viele noch aus der Hochzeit der Telefonie stammende Gebäude wurden ursprünglich als Vermittlungsstellen für Telefoniedienste genutzt und entsprechend gegen Fehlerfälle gesichert. In vielen Fällen ist diese Technologie auch für die heutige Produktion nutzbar. Dies betrifft z. B. den Ausfall der elektrischen Energieversorgung. Für diesen Fall puffern Batterien, an relevanten Standorten zudem Netzersatzanlagen (Notstromaggregate), den Betrieb für einen Zeitraum von wenigen Stunden bis Tagen. Kritische Netzknoten sind bzgl. der kritischen Technologiekomponenten z. T. doppelt aufgebaut und in separaten „Brandabschnitten“ untergebracht. Dadurch ist sichergestellt, dass z. B. im Falle einer Havarie (Wasser, Feuer etc.) der Schaden auf genau einen Brandabschnitt beschränkt werden kann. Für ein deutschlandweites Netz liegt die Anzahl der jeweiligen Standorte für einen Netzbetreiber im Kernnetz in der Größenordnung von > 10, im Aggregationsnetz bei einer Größenordnung von 1000…8000 Standorten [1]. Von dort werden die Zugangsnetze versorgt – die Anzahl der Knoten mit aktiver Technik für Anschlüsse mittels Digital Subscriber Line (DSL) liegt bei einer Größenordnung von ca. 100.000. Gegen den Ausfall der Energieversorgung werden kritische Knoten durch Batterien und ggf. Netzersatzanlagen („Notstromdiesel“) abgesichert.
  3. Kanten / Links: Redundanzen bei der Verbindung von Knoten miteinander und – soweit möglich – disjunkte Wegeführung redundanter Pfade sichern hier den Schutz vor Ausfällen durch Unterbrechungen in der Kabelinfrastruktur. Dies betrifft insbesondere die Verbindungen mittels optischer Nachrichtentechnik mit ihren hohen Peak-Bandbreiten und Kapazitäten auf der physikalischen Netzschicht (s. Beispiel im Einschub). Die Umstellung von Digital Subscriber Line (DSL) auf Fiber to the Home (FTTH) im Rahmen des Breitbandausbaus führt heute und zukünftig zu einer deutlichen Reduzierung der Fehlerhäufigkeit in unseren Zugangsnetzen.
  4. Das heute universell eingesetzte Internet Protokoll (IP) stellt die Konnektivität und Verfahren zur Verknüpfung von Knoten und Kunden mittels logischer Verbindungen zur Verfügung. So entsteht aus einer Topologie von physischen Knoten und Kanten eine logische Architektur des IP-Netzes. Darauf aufsetzend werden heute die meisten Dienste produziert und verteilt. Dies betrifft klassische Dienste wie Sprache/Telefonie und Fernsehen (IPTV) wie auch die gesamte Palette der universellen Breitbanddienste. Dabei handelt es sich z. B. um E-Mail, Webbrowsing, Suchmaschinen, Gaming, Videostreaming, aber auch um zukünftige Dienste wie Metaverse oder Web 3.0. Die in IP-Pakete verpackte Information eines Dienstes wird im IP-Netz dynamisch vom Sender zum Empfänger von IP-Knoten zu IP-Knoten weitergeleitet, ein Routing genanntes Verfahren. Überlastungen von Links mit entsprechenden Verzögerungen in der Laufzeit von Paketen oder gar komplette Ausfälle können dynamisch erkannt und mittels eines Re-Routing in quasi Echtzeit umgangen werden.
  5. Die zunehmende Nutzung einer Software-basierten Produktion von Telekommunikationsdiensten erhöht potenziell die Anfälligkeit entsprechender Infrastrukturen gegenüber Angriffen von außen (Cyberangriffe). Durch die Nutzung softwarebasierter Prinzipien für die Produktion und Steuerung anderer Infrastrukturen wie z. B. Strom, Wasser oder Gas sind kombinierte Angriffe auf die Steuerungsebene wie auch die physische Infrastruktur denkbar. Deshalb ist eine ausgeklügelte Absicherung der entsprechenden Infrastrukturen gegen solche Cyberangriffe notwendig und mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden durchaus möglich. Bereits heute werden pro Tag eine Vielzahl von Angriffen auf unsere Kommunikationsnetze registriert, die in der Regel aber nicht erfolgreich sind. In enger Abstimmung mit staatlichen Stellen werden diese Angriffe genau beobachtet und Verfahren zu einer verbesserten Abwehr entwickelt. Eine aktuelle Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu „Resilienz – Widerstandsfähige digitale Systeme“ adressiert exakt diesen Themenblock in aktuellen Forschungsvorhaben, an denen sich neben der akademischen Forschung auch Unternehmen beteiligen können.
  6. Durch die Energiewende steigt die Anzahl der dezentralen Produktionsstandorte für erneuerbare Energien weiter an. Um bei einer weiteren Reduzierung von Großkraftwerken die Stabilität des Energienetzes zu gewährleisten, sind verteilte und dynamisch adaptierbare Steuerungsmechanismen erforderlich. Um damit auch Standorte für Erzeugung und Verbrauch in der Fläche verlässlich zu erreichen, insbesondere in Ausfallszenarien, ist eine besondere Absicherung der erforderlichen Kommunikationsinfrastruktur notwendig. Ferner sind in der zukünftigen Energieversorgung auch neue kommerzielle und betriebliche Modelle möglich, beispielsweise die Zusammenfassung mehrere regenerativer Energieerzeuger in der Form eines virtuellen Kraftwerks. Gleichzeitig ist eine verlässliche Energieversorgung die Grundvoraussetzung für die reibungslose Funktion der Kommunikationsnetze. Die wechselseitige Abhängigkeit beider kritischer Infrastrukturen ist Gegenstand aktueller Untersuchungen und erfordert industrieübergreifend abgestimmte Konzepte und Schnittstellen sowie einen verlässlichen regulatorischen Rahmen.

Die Bedeutung einer hoch verfügbaren Kommunikationstechnik als Grundbaustein der weiteren Digitalisierung ist erkannt und führt derzeit zu vielfältigen Aktivitäten, um technisch, kommerziell, aber auch politisch/regulatorisch die Rahmenbedingungen für die kommenden beiden Jahrzehnte zu setzen. Die kommenden Jahre halten vielfältige neue Herausforderungen bereit, seien dies zunehmende Unwetterereignisse als Folge des Klimawandels, die Bestrebungen zur Umstellung unserer Energieversorgung auf regenerative Quellen, Folgen einer Pandemie oder politische Unsicherheiten. Wir profitieren dabei von einem bereits hohen Niveau an Schutz und eingeübten Verfahren zur raschen Wiederherstellung im Fehler- oder Katastrophenfall. Diese werden beständig weiterentwickelt und an zukünftige Herausforderungen angepasst. Diese Entwicklungen als Reaktion auf neue Bedrohungen vollziehen sich allerdings in der Zeitspanne von Jahren, da in der Regel komplexe und verteilte Infrastrukturen betroffen sind. Die erfolgreiche Umsetzung in die Praxis erfordert eine frühzeitige Identifikation der kritischen Herausforderungen und eine daraus abgeleitete, vorausschauende Planung. Diese muss neben allen technischen, prozeduralen und regulatorischen Aspekten auch den wirtschaftlichen Betrieb von Kommunikationsnetzen im Blick haben. Die Erweiterung bestehender Maßnahmen setzt zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und Personal voraus, die im Nachgang wieder refinanziert werden müssen. Die Unternehmen der Kommunikationsbranche gehen bereits heute gemeinsam mit ihren Partnern in Industrie, Wirtschaft und Politik die notwendigen Schritte, um auch zukünftig die Sicherheit und den verlässlichen Betrieb unserer Kommunikationsinfrastruktur sicherzustellen.

In der optischen Weitverkehrstechnik sind heute Übertragungsraten von 100…400 Gbit/s pro Wellenlänge möglich. Verfahren des optischen Wellenlängenmultiplex bieten heute die Möglichkeit, eine Vielzahl von Wellenlängen (Kanälen) auf einer einzelnen Faser zu bündeln. Für ein Beispiel mit 48 Kanälen à 400 Gbit/s liegt die Kapazität einer einzelnen Faser bei 19.2 Tbit/s. Im Rahmen eines Glasfaseranschlusses beim Endkunden mittels FTTH (Fiber to the Home) sind heute maximale Bitraten von 1…10 Gbit/s möglich.

 

Anmerkung

[1] Unter Berücksichtigung des Übergangs von Anschlüssen mit Digital Subscriber Line (DSL) auf Glasfaser (Fiber-to-the-Home, FTTH)

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022  SEP/OKT