Mit Wolken dem Klimawandel entgegnen

Beitrag von Dr. Fabian Hoffmann, Meteorologisches Institut, Ludwig-Maximilians-Universität München

Unsere tägliche Erfahrung zeigt, dass Wolken das Sonnenlicht reflektieren und dadurch die von ihnen bedeckten Regionen kühlen. Aus der Perspektive des Klimasystems stellt dieser kühlende Einfluss von Wolken ein bedeutendes Element dar, dessen Wechselwirkung mit anderen Teilen des Klimasystems, z.B. den natürlichen und anthropogenen Treibhausgasen, die Temperatur unseres Planeten bestimmt. Veränderungen der Wolken können also die Auswirkungen des Klimawandels verstärken oder abmildern, wenn sie mit einer Zu- oder Abnahme der Bewölkung einhergehen.

Die physikalischen Grundlagen

Die Fähigkeit von Wolken, Sonnenlicht zu reflektieren, wird durch die Anzahl und Größe der Wolkentropfen bestimmt. Der Wassergehalt einer Wolke wird in erster Näherung durch die meteorologischen Bedingungen vorgegeben, die die Temperatur und Feuchtigkeit der Atmosphäre bestimmen. Die Anzahl der Wolkentropfen, auf welche dieses Wasser verteilt wird, wird hingegen durch die Anzahl der Aerosolpartikel in der Luft bestimmt, die als Kondensationskeime der Wolkentropfen dienen. Daher reflektieren Wolken in aerosolreichen Regionen (z.B. über den Kontinenten) tendenziell mehr Sonnenlicht als in aerosolarmen Regionen (z. B. über dem Meer). Dieser Effekt zeigt sich sehr anschaulich, wenn ein Schiff Abgase in eine Wolkenschicht emittiert (Abb. 1). Die im Abgas enthaltenen Aerosole können die Anzahl der Wolkentropfen und damit die Reflektivität der Wolken erhöhen.
Diese Abgasfahnen waren eine Inspiration für John Latham, der 1990 als erster vorschlug, Wolken absichtlich aufzuhellen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dieser Climate- EngineeringAnsatz, der häufig als „Marine Cloud Brightening“ (MCB) bezeichnet wird, basiert nicht auf der Verwendung von Abgas-aerosolen, sondern auf SeesalzAerosolen, die ebenfalls sehr effiziente Kondensationskeime sind. Um diese zu produzieren, soll Meerwasser in die Atmosphäre gesprüht werden, wo dieses in kleinste Tropfen zerfällt. Diese Tropfen verdampfen und lassen SeesalzAerosole zurück. Durch Aufwinde werden diese zu den Wolken gehoben. Hier lassen sie zusätzliche Wolkentropfen entstehen, was schließlich den Reflexionsgrad der Wolken erhöht, wie in Abbildung 2 skizziert ist.
Der ideale Wolkentyp, um die globalen Temperaturen durch MCB zu senken, sind Stratocumulus. Stratocumulus bedecken dauerhaft große Gebiete der westlichen subtropischen Ozeane, wo sie durch das Zusammenspiel sehr stabiler Meeresströmungen und großräumiger Luftbewegungen in geringer Distanz zur Ozeanoberfläche gebildet werden. Die relativ geringe vertikale Ausdehnung dieser Wolken und typischerweise relativ geringe Anzahl natürlicher Aerosole machen es besonders leicht, diese Wolken durch zusätzliche Aerosole aufzuhellen. Letztlich sorgt ihre Nähe zum Äquator dafür, dass der Großteil der global einfallenden Sonnenstrahlung reflektiert werden kann. Während für solch eine Anwendung von MCB ein massiver, international-koordinierter Einsatz nötig wäre, werden auch regionale Anwendungen von MCB diskutiert, die von einzelnen Staaten durchgeführt werden könnten. Diese haben meist nicht das Ziel die globalen Temperaturen zu senken, sondern sollen gefährdete Ökosysteme vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen. Abhängig von der geographischen Lage sind regionale Anwendungen von MCB nicht notwendigerweise auf Stratocumulus beschränkt. Um beispielsweise die Auswirkungen maritimer Hitzewellen auf das Great Barrier Reef vor der Küste Australiens zu mildern, wird derzeit die Anwendbarkeit von MCB zur Reduzierung der Wassertemperaturen in der Region des Riffs evaluiert.

Offene Fragen

Auf den ersten Blick scheinen viele Aspekte von MCB gut verstanden zu sein. Es gibt jedoch erhebliche Wissenslücken hinsichtlich der physikalischen und technischen Machbarkeit, die geschlossen werden müssen, bevor MCB als Maßnahme gegen den Klimawandel in Betracht gezogen werden kann. Darüber hinaus bestehen berechtigte ethische Bedenken, die bei jeder Form von Climate-Engineering berücksichtigt werden müssen. Diese Punkte sollen in den nächsten Absätzen kurz diskutiert werden.
Zwei Einflussfaktoren sind von herausragender Bedeutung, um die gewünschte Aufhellung einer Wolke zu erreichen: Die Wolkentropfenkonzentration und die Größe der Seesalz-Aerosole. Während wir den ersten Punkt relativ gut verstanden haben, ist der Effekt der Seesalz-Aerosolgröße noch nicht abschließend geklärt. Kleinere Seesalz-Aerosole können zwar aus weniger Meerwasser hergestellt werden und benötigen somit weniger Energie für das Versprühen, allerdings sind diese nur bei ausreichend starken Aufwinden gute Kondensationskeime, was zu einer potentiell geringeren Anzahl zusätzlicher Wolkentropfen und folglich auch geringerer Aufhellung führt. Größere Aerosole wachsen schneller zu Wolkentropfen heran, sie begünstigen aber auch Niederschlag und können so eine Wolke auflösen. So eine „Verdunkelung“ muss ausgeschlossen werden, damit sich MCB nicht ins Gegenteil verkehrt.
Obwohl viele dieser Probleme durch adäquate Technik gelöst werden können und es bereits verschiedene Ansätze gibt, müssen diese für MCB angepasst werden. Zusätzlich müssen diese Ansätze eine große Skalierbarkeit für die beabsichtigte globale Anwendung zulassen. Grundlegende Fragen sind hier: Wie kann der Sprühprozess so weiterentwickelt werden, dass die benötigte Anzahl an Seesalz-Aerosolen in der gewünschten Größe produziert wird? Wie viel Energie wird für diesen Prozess benötigt und kann diese auf nachhaltige Weise bereitgestellt werden? Kann das Sprühen automatisiert werden? Wie groß ist der Wartungsaufwand bei so einem Unterfangen?
Aus klimatischer Sicht müssen unbeabsichtigte Folgen großflächiger Wolkenaufhellung verstanden werden. Klimamodelle deuten darauf hin, dass MCB das Potenzial hat, globale Windsysteme und Niederschlagsmuster zu verändern, inklusive der Möglichkeit, Dürren auszulösen. Auch wenn solche Ergebnisse mit Unsicherheiten versehen sind, müssen diese Auswirkungen bei der Beurteilung von MCB berücksichtigt werden, da sie das Potenzial haben, die Lebensgrundlage der Menschen und die Ökosysteme in den Regionen, die nicht direkt von MCB profitieren, substantiell zu verändern.
Diese Probleme stehen im direkten Zusammenhang mit einigen ethischen Fragen, die in Bezug auf MCB und Climate-Engineering gestellt werden. Unter der Grundannahme, dass Climate-Engineering nur angewendet werden würde, wenn ein Großteil der Menschheit dadurch profitiert, muss die Frage gestellt werden, wie so ein Unterfangen den Teilen der Menschheit gerecht werden kann, die unverhältnismäßig unter Climate-Engineering leiden würden, z.B. durch eine regionale Reduzierung des Niederschlags. Dies erfordert ein multilaterales Abkommen über Climate-Engineering, welches durch die große Zahl der Beteiligten und ihre möglicherweise unterschiedlichen Präferenzen nur schwer vorstellbar wäre. Auch wenn sich die Menschheit gegen Climate-Engineering entscheidet, muss die Frage beantwortet werden, wie wir mit den Schäden umgehen, die der Klimawandel bereits verursacht hat und in der Zukunft verursachen wird, wenn keine oder nur unzureichende Gegenmaßnahmen durchgeführt werden. Letztlich muss sichergestellt werden, dass jegliches Engagement in Climate-Engineering, sei es die bloße Erforschung oder die tatsächliche Umsetzung, nicht dazu führen darf, dass Bemühungen um die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen – und damit der Ursache des Klimawandels – eingestellt werden.

Versuch eines Fazits

Derzeit ist es nicht möglich, ClimateEngineering zur Abmilderung des Klimawandels im Allgemeinen und MCB im Besonderen zu empfehlen. Gleichzeitig sollte auch nicht pauschal davon abgeraten werden. Zu viele und möglicherweise folgenschwere Nebenwirkungen wurden bis jetzt nur unzureichend untersucht, einschließlich der Gefahren, die mit dem Nichtanwenden von Climate-Engineering einhergehen. So bleibt nur der Appell, verstärkt Forschung am Thema durchzuführen, inklusive der Entwicklung notwendiger Technologien. Dabei ist festzuhalten, dass das so generierte Wissen nur eine Entscheidung für oder gegen Climate-Engineering unterstützen kann, aber nicht automatisch zu einer Entscheidung führt. Allerdings gibt diese Forschung der Menschheit die Option, aktiv den Folgen des Klimawandel entgegenzuwirken, falls dies erforderlich werden sollte und sich die Menschheit für ein solches Unterfangen entscheidet.

Quellen

Feingold, G., V. P. Ghate, L. M. Russell, P. Blossey, W. Cantrell, M. W. Christensen, M. S. Diamond, A. Gettelman, F. Glassmeier, E. Gryspeerdt, J. Haywood, F. Hoffmann, C. Kaul, M. Lebsock, A. C. McComiskey, D. T. McCoy, Y. Ming, J. Muelmenstaedt, A. Possner, P. Prabhakaran, P. K. Quinn, S. Schmidt, R. A. Shaw, C. E. Singer, A. Sorooshian, V. Toll, J. Wan, R. Wood, F. Yang, J. Zhang, and X. Zheng, 2024: Community Consensus on Physical Science Research Needs to Evaluate the Viability of Marine Cloud Brightening. Science Adv., 10(12), doi:10.1126/ sciadv.adi8594.
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Latham, J., 1990: Control of global warming? Nature, 347(6291), 339-340, doi:10.1038/347339b0.
National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine, 2021: Reflecting sunlight: Recommendations for solar geoengineering research and research governance. Doi: 10.17226/25762.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2024 NOV/DEZ