Vom Rain-Maker zur Klimabeeinflussung

Beitrag von Frank Dittmann

Der Wunsch, das Wetter zu beeinflussen, ist ein alter Menschheitstraum. Es war aber nicht nur ein Thema von Schamanen sondern auch von Erfindern, wie eine große Anzahl von Patenten zeigt. Eines von 1914 bezeichnet als Erfindung den Rain-Maker [1]. Angesichts des Klimawandels werden heute die Möglichkeiten einer gezielten Beeinflussung des Klimas erneut diskutiert. 1976 prägte der italienische Physiker Cesare Marchetti dafür den Begriff Geoengineering. Weil darunter aber auch weiträumige Veränderungen der Landschaft durch den Menschen, etwa das Umleiten von Flüssen, gefasst wurde, setzte sich Climate Engineering für Maßnahmen durch, die entweder auf das Strahlungsmanagement (RM = radiation management) oder auf die CO2-Entnahme (CDR = carbon dioxide removal) abzielen. Durch letzteres wird die Ursache des Klimawandels nicht beseitigt, nämlich die Emission von Treibhausgasen, sondern deren Folge, also der Temperaturanstieg der unteren Atmosphäre, verringert.

Klimabeeinflussung als Utopie

Eine frühe Beschreibung von Klimaveränderung findet sich in Jules Vernes Roman „Der Schuss am Kilimandscharo“ von 1889 [2]. Hier planten die Protagonisten, die Erdachse senkrecht zu stellen und damit die Jahreszeiten abzuschaffen. Damit könnten sich Menschen Wohnorte in ihnen angenehmen Klimazonen wählen. Vor allem würde das Abschmelzen des Polareises riesige Kohlevorräte in der Arktis, die damals als Landmasse betrachtet wurde, zugänglich machen. Die Verschiebung der Erdachse sollte durch den Rückstoß einer Riesenkanone erreicht werden. Hatten zunächst viele Menschen diesen Plan unterstützt, schlug die Stimmung um, als die verheerenden Auswirkungen bekannt wurden, wie das Steigen des Meeresspiegels, das Verschwinden von Meeren oder die Überschwemmungen weiterer Gebiete. Den massiven Protesten zum Trotz, wurde die Kanone dennoch gebaut und gezündet. Allerdings – oder zum Glück – scheitert der Plan. Aufgrund eines Flüchtigkeitsfehlers – statt 40.000 km Erdumfang hatte man bei der Berechnung 40.000 m angesetzt – war die Kanone viel zu klein und die Erdachse blieb wo sie war.


Bereits 1841 hatte der US-amerikanische Meteorologe James Espy in einem viel beachteten Buch [3] vorgeschlagen, Regenwolken durch große Feuer zu erzeugen, die eine starke Konvektion bewirken sollten. Da bereits damals Widerstand gegen solche weitreichenden Eingriffe aufkam, musste er seine Versuche selbst finanzieren. Im Sommer 1848 ließ er große Holzhaufen entzünden, aber das Experiment scheiterte. Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861 bis 1865) war Edward Powers aufgefallen, dass oft wenige Tage nach starkem Artilleriefeuer Regen aufkam [4], was aus heutiger Sicht an dem erheblichen Eintrag von Kondensationskernen liegen könnte. 1923 schlug der deutsche Raketenpionier Hermann Oberth einen weltraumgestützten Ansatz zur großräumigen Beeinflussung des Wetters vor. Ein Weltraumspiegel von 100 km Durchmesser, positioniert auf einer geostationären Bahn, sollte Sonnenlicht auf einzelne Regionen der Erdoberfläche konzentrieren und damit etwa die Schifffahrtsrouten nach Spitzbergen oder zu den nordsibirischen Häfen eisfrei halten. Zudem wäre es möglich, einen angenehmen Lebensraum für viele Menschen zu schaffen und sogar Obst- und Gemüseernten vor Nachtfrösten zu bewahren [5]. Oberth wies aber auch auf Einsatzmöglichkeiten im Kriegsfall hin.

Von der Vision zur Realität

Neben den offensichtlichen Visionen ging man in einigen Ländern auch den Schritt zur Realisierung. So wurde 1932 in Leningrad, heute St. Petersburg, ein einschlägiges Institut gegründet, dass 1934 bis 1939 Experimente zur Impfung von Wolken mit Kalziumchlorid durchführte. Auch in den USA gab es entsprechende Untersuchungen, zuerst bei General Electric. Dabei erwiesen sich Trockeneis und Salzkristalle, vor allem Silberjodid, als geeignete Impfmaterialien.
Das Militär führte die Untersuchungen fort. 1962 bis 1983 fanden im Project Stormfury Versuche zur Abmilderung oder Umleitung von Hurrikanen statt. Allerdings war oft keine Kausalität zwischen Maßnahme und Ergebnis erkennbar, dafür aber beträchtliche Nebenwirkungen.


Erste Versuche, Wettermodifikationen als Waffe einzusetzen, fanden im Vietnamkrieg statt. Zwischen 1967 und 1972 waren die Spezialflugzeuge des U.S. Air Weather Service im Einsatz, um mittels Wolkenimpfen Starkniederschläge herbeizuführen, die die vietnamesischen Nachschubwege, insbesondere den Ho-Chi-Minh-Pfad, unpassierbar machen sollten. Letztlich blieb der militärische Nutzen aber unklar: Es gab zwar starke Regenfälle und Überschwemmungen, die zu großen Verlusten nicht zuletzt unter der Zivilbevölkerung führten, aber zielgenaue Einsätze waren kaum möglich. Gestoppt wurde die geheime Mission, nachdem die New York Times ihr zugespielte Papiere zu dieser Form der Kriegsführung veröffentlichte. Bereits in den 1960er-Jahren war die Idee aufgekommen, die Kriegsführung durch Wettermodifikation, gezielte Umweltverschmutzung oder Klimaveränderungen zu verbieten. 1974 brachte die Sowjetunion einen Vertragsentwurf bei der UN-Vollversammlung ein, was schließlich 1978 in die völkerrechtliche ENMOD-Konvention (Convention on the Prohibition of Military or Any Other Hostile Use of Environmental Modification Techniques) mündete.

Die neue Initiative: Climate Engineering

Zwischen Mitte der 1970er-Jahre und 2006 verschwand das Thema Geoengineering, wie es damals noch hieß, weitgehend aus dem öffentlichen Diskurs. 2006 griff der Nobelpreisträger Paul Crutzen – er prägte auch den Begriff Anthropozän für das jetzige Erdzeitalter – den Vorschlag des sowjetischen Klimawissenschaftlers Michail Budyko von 1974 auf, durch Aerosoleintrag in die Stratosphäre den Klimawandel einzudämmen. Crutzen betonte zwar, dass die Reduktion von Treibhausgasen unbedingt Priorität haben müsse, war aber skeptisch bezüglich des Erfolgs dieses Weges. Seitdem wird intensiv über die Methoden des Climate Engineering bezüglich ihrer ethischen, sozialen, ökonomischen und politischen Aspekte debattiert. Dabei geht es vor allem um unerwünschte Nebenwirkungen des Strahlungsmanagements (RM) auf das Klima als Ganzes und die verschiedenen komplexen Ökosysteme auf der Erde. Mit den zunehmend sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels wird der Ruf nach Forschungsarbeiten im Bereich Climate Engineering lauter. Längst ist das Thema in der populären Literatur angekommen. So legte im vergangenen Jahr der BestsellerAutor Mark Elsberg einen Thriller von 600 S. vor [6]. Der Roman beginnt damit, dass die chinesische Regierung beschlossen hat, das Weltklima zu retten, weil der Westen es nicht hinbekommen hat. Flugmaschinen, sog. Große Libellen, bringen Aerosole in die Atmosphäre ein, so dass ein „Sonnenschirm“ entsteht. Doch bald tauchen weitere Akteure auf, die eigene Interessen verfolgen – mehr soll hier nicht verraten werden. Der Roman breitet viele verschiedene naturwissenschaftlich-technische, wirtschaftliche, soziale und politische Aspekte aus und bindet diese in einer spannungsreichen Geschichte zusammen. Elsberg zeigt dabei das Für und Wider tiefgreifender Eingriffe ins Weltklima und mögliche Reaktionen verschiedener Akteure. Wie es mit Climate Engineering weitergeht, bleibt also offen.
 

Literatur
[1] US Patent 1.103.490, J. M. Cordray, Los Angeles, Rain-Maker, July 14, 1914
[2] Verne, Jules: Der Schuß am Kilimandscharo. Werke Bd. 8, Frankfurt a. M. 1967
[3] Espy, James P.: The Philosophy of Storms. London 1841
[4] Powers, Edward: War and the Weather, or The Artificial Production of Rain. Chicago 1871
[5] Oberth, Hermann: Die Rakete zu den Planetenräumen. München, Berlin 1923, 3. Aufl., 1960, S. 86f.
[6] Marc Elsberg: °C – Celsius. München 2023
[7] Lozán, José L. et al. (Hrsg.): Warnsignal Klima. hilft Technik gegen die Erderwärmung? Hamburg 2023; Kapitel 1.3
[8] Keith, David W.: Geoengineering the climate: History and Prospect. In: Annual Review of Energy and the Environment 25 (2000), S. 245-284, zur Geschichte: S. 249-259
[9] Caldeira, Ken et al.: Reflecting on 50 years of geoengineering research. In: Earth’s Future 5 (2017), S. 10-17

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2024 NOV/DEZ