Beitrag von Dr. Klaus Funk und Prof. Manfred Broy, Zentrum Digitalisierung.Bayern
Das Internet of Things und Industrie 4.0 eröffnen neue Chancen - doch was wird benötigt, um IoT und Industrie 4.0 zu ermöglichen? Und wie geht es damit weiter?
R. Shah und P. T. Ward [1] verstanden vor 10 Jahren Lean Production als ganzheitliche Produktionsorganisation. Kaizen war und ist eine Denkweise, welche perfektionierte Prozesse zum Ziel hat und sich diesen in kontinuierlichen Verbesserungsschritten annähert.
Große Fortschritte bei den Mikrosystemen und dem Echtzeit-Computing ermöglichen inzwischen eine situative und dynamische Steuerung. Insoweit sind das Internet of Things und die Industrie 4.0 die konsequente Fortführung dieser Denkweise, umfasst aber mit der Vernetzung aller Bereiche das gesamte Unternehmen, ja gesamte Wertschöpfungsnetzwerke und wird speziell in Deutschland von immer mehr Herstellern als Chance gesehen. Aber was kommt auf uns zu?
Möglich sind IoT und Industrie 4.0 durch die Verfügbarkeit von
Produktseitig wird der digitale Anteil der Wertschöpfung immer größer und mit ihm werden die Produkte nochmals komplexer.
Da die Digitalisierung automatisierte Entscheidungen im Prozess ermöglicht, ja im Sinne einer Komplexitätsreduzierung auch verlangt, steigt der Bedarf an Zustandsbeschreibungen und Simulationen und damit der Bedarf an Sensoren und Aktoren sowie eingebetteten Systemen weiter an.
Das Engineering muss zwingend in die Produktions- und Geschäftsprozesse integriert werden. Die Anwendung im industriellen Umfeld wird erst vollkommen, wenn die vertikalen Werteströme und Informationsketten vom Shopfloor bis zum OfficeFloor, d. h. von den Maschinenkomponenten bis zur Rentabilitätsrechnung mitsamt der vorgelagerten Supply Chain und den nachgelagerten Dienstleistungen bis hin zum Kunden medienbruchfrei und formatkompatibel durchgängig sind.
Es ist unbestritten, dass die Engineeringleistungen integraler Bestandteil der Wertschöpfung sind und sich im Zuge der Digitalisierung von einer stufenweise eingefrorenen Produktentwicklung zu einer kontinuierlichen Produktpflege mit Updates verfeinert haben.
Produktdaten von der Invention über den Entwicklungsprozess hin zur Produktion und bis zur Inbetriebnahme und späteren Anwendung werden als Digitaler Zwilling zur Verfügung stehen. Dieser beschreibt das Verhalten eines Systems unter zukünftigen und wechselnden Randbedingungen in der Produktion oder in der Kundenanwendung. So können Varianten in der Entwicklung oder auch detektierte Störungen im Produktionsprozess mit allen Konsequenzen simuliert werden, was bis heute nicht in dem notwendigen Maße und nicht in einem offenen, skalierbaren System möglich ist.
Der Digitale Zwilling ermöglicht eine wesentlich schnellere Entwicklung des Produktes, aber auch die Optimierung der Produktionsmittel unter dynamischen und realen Kundenbedingungen. Die deutlich vermehrte Komplexität und der größere Engineeringanteil am Produkt ist der Preis für die gewonnene Flexibilität und eine weitere Stufe der Optimierung hinsichtlich Qualität und Produktivität, Lieferzeit und Präzision, aber auch Time-to-Market.
Literatur
[1] R. Shah, P. T. Ward: Defining and developing measures of lean production. In: Journal of Operations Management. 25, 2007, S. 785 ff.
[2] Broy, agendaCPS: Integrierte Forschungsagenda Cyber-Physical Systems (acatech STUDIE), 2012.
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 September/Oktober