Beitrag von Dr. Berthold Panzner und Wolfgang Zirwas, Nokia Networks, München
Der Mobilfunk blickt auf eine lange und abwechslungsreiche Historie zurück und hat durch seine rasante Weiterentwicklung unser Leben und unseren Alltag in den vergangen zwei Jahrzehnten erheblich verändert. Im folgenden Beitrag möchten wir eine kleine Zeitreise unternehmen, beginnend von den Anfängen des digitalen zellularen Mobilfunks vor mehr als 20 Jahren bis zu den aktuellen Entwicklungen für 5G.
Vor etwa 20 Jahren wurden analoge Mobilfunksysteme der ersten Generation wie das A-, B- oder C-Netz vom neuen digitalen GSM (Global System for Mobile Communications) Standard der zweiten Generation abgelöst. Mit GSM war zum ersten Mal ein länderübergreifendes Mobilfunksystem verfügbar, welches die bis dahin existierende starke Fragmentierung der analogen Vorgängersysteme durch einen gemeinsamen weltweiten Standard ablöste.
Technisch basiert GSM auf einer gemeinsamen europäischen Entwicklung, die die Vorteile eines digitalen Übertragungsverfahrens – in diesem Falle basierend auf dem robusten Gaussian Minimum Shift Keying (GMSK) – deutlich vor Augen führte. Effiziente Nutzung der Kanalbandbreite bei gleichzeitig guter Sprachqualität und Unterstützung von Datendiensten, wie z.B. den im Jahre 1995 eingeführten Short Message Service (SMS), bei gleichzeitig hoher Mobilität und großen Zelldurchmessern waren so überzeugend, dass sich GSM global als der wichtigste Mobilfunkstandard durchsetzen konnte.
Ebenfalls richtungsweisend für spätere Mobilfunkgenerationen war die kontinuierliche Weiterentwicklung (Evolution) des GSM Standards durch die ETSI in sogenannten Releases. So wurde beispielsweise im Laufe der Zeit die Datenübertragungsrate von 9.6 kbit/s (ein GSM Kanal) gesteigert durch Bündelung mehrerer Transportkanäle, bezeichnet als HSCSD (High Speed Circuit Switch Data) auf bis zu 57.6 kbit/s, paketorientierte Übermittlung im Netz genannt GPRS (General Packet Radio Service) auf bis zu 171.2 kbit/s und durch Einsatz von höherwertiger Modulation (8-PSK Phase Shift Keying) mit EDGE (Enhanced Data GSM Evolution) auf 384 kbit/s.
Auch heute noch arbeitet ein kleiner Teil innerhalb der 3GPP (3rd Generation Partnership Project) Standardisierung an der Weiterentwicklung von GSM, z.B. im Release 13 wurde EC-GSM (Enhanced GSM) für schmalbandige IoT (Internet of Things) Anwendungen mit 10 kbit/s Übertragung, hoher Reichweite und niedrigem Energieverbrauch spezifiziert.
Durch den Erfolg von GSM vorangetrieben, begann das in den 90er Jahren gegründete Standardisierungsorgan 3GPP die sogenannte dritte Mobilfunk Generation zu standardisieren, welche offiziell mit dem ersten 3GPP Release 99 im Jahre 1999 UMTS aus der Taufe hob. Aus vielen konkurrierenden Vorschlägen für die Luftschnittstelle der dritten Mobilfunkgeneration (UMTS) setzte sich am Ende das sogenannte W-CDMA (Wideband-Code Division Multiple Access) Verfahren durch und mit dem Begriff Universal Mobile Telecommunications Systems (UMTS) wurde auch bereits der Anspruch auf ein weltweit einheitliches Verfahren unterstrichen.
Einheitliches Entwicklungsziel waren eine erhöhte Datenrate pro Nutzer, eine höhere Kapazität, eine erhöhte spektrale Effizienz, kürzere Latenzzeiten und natürlich eine möglichst direkte Internetanbindung. Der Europäische Vorschlag W-CDMA basiert auf Direct Sequence Spread Spectrum und benutzt Code Division Multiplex für den Mehrfachzugriff auf das Übertragungsmedium, d.h. mehrere Teilnehmer benutzen exakt den gleichen Zeitschlitz sowie Kanal, verwenden allerdings unterschiedliche (orthogonale) Spreizcodes.
Als anschauliches Beispiel kann man sich mehrere Personenpaare in einem Raum vorstellen, welche zugleich jeweils miteinander sprechen, allerdings jeweils unterschiedliche Sprachen benutzen. Der entsprechende Sprachpartner (Empfänger) kann aus dem gleichzeitigen Stimmen-Wirrwarr die für ihn bestimmte Nachricht dekodieren. Da die verwendeten Trägerfrequenzen bei 3G höher als bei GSM waren (3G: 1.9 GHz) und die Sendeleistung auf eine wesentlich höhere Kanalbandbreite aufgeteilt wurde (5 MHz anstatt 200 kHz), war die Reichweite mit 3G geringer als mit GSM. Der Zellradius ist also mit 3G kleiner geworden, was eine dichtere Platzierung von 3G Zellen bedingte, damit aber auch die Netzkapazität steigerte.
Ein neues technisches Thema, welches mit 3G auftauchte und danach dauerhaft im Mobilfunk bestehen blieb, war interworking mit der Vorgänger-Mobilfunktechnologie (beispielsweise im einfachsten Fall ein Anruf von einem UMTS Teilnehmer zu einem GSM Teilnehmer). Entsprechende Schnittstellen wurden mit jeder neuen Mobilfunkgeneration geschaffen und sorgen so für ein nahtloses Zusammenwirken der verschiedenen Mobilfunktechnologien.
Der weltweite Erfolg von GSM und dem Internet löste um die Jahrtausendwende einen regelrechten Hype im Mobilfunkmarkt aus, der leider auch mit überzogenen Erwartungen an neue Geschäftsmodelle für 3G einherging. Vor allem waren sowohl die Netze als auch die Endgeräte anfangs nur eingeschränkt internetfähig. Dies verzögerte den Erfolg der 3. Generation, der sich erst 2007 mit dem Erscheinen des ersten iPhones durch Apple einstellte.
Bei LTE (Long Term Evolution) als Synonym für 4G war das Ziel eine sehr flexible und sehr leistungsfähige Luftschnittstelle einzuführen, die Datendienste wie das Internet von Anfang an optimal unterstützt und sich perfekt an den Kanal anpasst. OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplex) ist eine Multiträger Technik und benutzt separate Einzelträger (bei LTE mit voller 20 MHz Systembandbreite 1200 Einzelträger), die im Frequenzbereich orthogonal sind, wobei jeder Träger mehrwertig QAM modulierte Symbole überträgt. Damit kann die drahtlose Übertragung bei LTE sehr effektiv an die Frequenzselektivität des drahtlosen Übertragungskanals angepasst werden.
Die Kombination von OFDM mit neuesten Turbo Kodierungsverfahren kommt für Einzelverbindungen sehr nahe an das theoretische Maximum (gegeben durch das Shannon-Limit des Kanals) heran. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Orthogonalisierung von OFDM ist die vereinfachte Implementierung von MIMO-Verfahren (Multiple Input Multiple Output). MIMO erlaubt die räumliche Mehrfachnutzung des verfügbaren Spektrums für mehrere Nutzer bzw. Datenströme und wurde daher von Anfang an als zentrales LTE Merkmal festgelegt.
LTE benutzt unterschiedliche Systembandbreiten (1.4, 5, 10, 15, 20 MHz) bei unterschiedlichen Trägerfrequenzen (42 Frequenzbänder sind spezifiziert; populär in Deutschland sind 800 MHz, 2.1 GHz und 2.6 GHz) und kann sowohl als Frequenzmultiplex-Technik (LTE mode 1) als auch als Zeitmultiplex-Technik (LTE mode 2) eingesetzt werden. Dabei ist LTE ein sogenanntes Frequency Reuse 1 System, bei dem alle Zellen das gesamte Spektrum gleichzeitig nutzen dürfen.
Obwohl LTE noch über viele Jahre die Basis des Mobilfunks sein wird, hat man frühzeitig die Initiative für die Erarbeitung der nächsten Mobilfunkgeneration 5G ergriffen [1-4]. Während vorangegangene Generationen des Mobilfunks primär dazu dienten, Menschen miteinander zu verbinden, wird 5G verstärkt den Fokus darauf setzen, Dinge miteinander zu verbinden (IoT).
Inzwischen ist die Entwicklung für 5G in vollem Gange und wird unter europäischer Federführung im 5G PPP (Public Private Partnership) vorangetrieben. 5G tritt mit dem Ziel an, die Kapazität des LTE Netzes (Stand 2012) um den Faktor 1000 zu übertreffen. Neben dieser drastischen Steigerung der Leistungsfähigkeit werden viele neue Anwendungsoptionen erschlossen, wie die optimale Unterstützung von Sensornetzen oder die Carto-Car Kommunikation und das mit höchster Zuverlässigkeit und gleichzeitig extrem kurzen Latenzzeiten unterhalb 1ms.
Interessant ist auch ein Blick auf die Veränderungen im täglichen Leben, die sich seit den ersten Anfängen mit GSM ergeben haben. Zu Beginn war die einfache Idee, vorhandene Festnetztelefone weltweit mobil zu machen, d.h. es ging vornehmlich um mobile Sprachkommunikation. Spätestens mit UMTS kam die Idee, jederzeit überall mit allem verbunden zu sein, d.h. speziell jederzeit Zugriff auf jedwede Information aus dem Internet zu haben.
Mit LTE haben sich die Endgeräte zu multifunktionalen Alleskönnern weiterentwickelt die neben Kamera, Musik, Video und Internetanbindung vor allem Zugriff auf Plattformen der sozialen Medien bereitstellen, mit denen jederzeit weltweit interagiert werden kann. Das Smartphone ist heute unser täglicher Begleiter geworden und hat unsere Lebensweise in so kurzer Zeit verändert, wie es nur sehr wenige Technologien zuvor vermocht haben.
Referenzen:
[1] Berthold Panzner, Wolfgang Zirwas, Von LTE zur nächsten Mobilfunkgeneration, Technik in Bayern,
März 2014, S. 8-9
[2] Werner Mohr, 5G Forschung und Entwicklung (5G Kommunikationsnetz Teil 1), VDE Dialog 02/2016,
ITG News, S. 4-7
[3] Joachim Sachs, Michael Meyer, 5G Standardisierung (5G Kommunikationsnetz Teil 2), VDE Dialog 02/2016,
ITG News, S. 8-10
[4] Thomas Hock, 5G Technologie: Start in ein neues Zeitalter, VDE Dialog 02/2016, S. 36-37
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2018 September/Oktober