Relaisstation auf geostationärer Umlaufbahn

Beitrag von Frank Dittmann

I m Jahre 1929 erschien das heute kaum bekannte Buch Das Problem der Befahrung des Weltraums [1]. Dort wird auf 188 Seiten der Bau von Raketen und die Möglichkeiten zur Realisierung von Raumstationen diskutiert. Diese sollten aus drei Modulen bestehen, einem Kraftwerk, das über Parabolspiegel aus der Sonnenstrahlung Energie erzeugt, weiterhin aus einem Observatorium und einem „Wohnrad“, das durch Rotation eine künstliche Schwerkraft erzeugt.

Vision der geostationären Bahn

Den „stationären Umlauf“ beschreibt der Autor Hermann Noordung wie folgt: „Unter den unzählig vielen, überhaupt möglichen freien Umlaufbahnen um die Erde haben für unseren vorliegenden Zweck nur die wenigstens annähernd kreisförmig verlaufenden Bedeutung und hiervon wieder sind jene besonders interessant, deren Halbmesser (Abstand vom Erdmittelpunkt) 42.300 km beträgt […]. Richten wir es nun außerdem noch so ein, daß die Umlaufbahn genau in der Äquatorebene liegt, dann würde der Körper dauernd über ein und demselben Äquatorpunkt stehen, und zwar in 35.900 km Höhe über der Erdoberfläche […]“ [1, S. 98].

Hermann Noordung war das Pseudonym von Herman(n) Potočnik. 1892 in Pola, heute Pula/Kroatien, geboren, schlug er in der k. u. k. Monarchie die Offizierslaufbahn ein und kämpfte im Ersten Weltkrieg. Aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung in den Ruhestand versetzt, studierte er von 1918 bis 1922 an der TH Wien Maschinenbau und Elektrotechnik und befasste sich anschließend mit Raumfahrttechnik, zu deren Pionieren er zählt. Potočnik starb 1929 verarmt im Alter von nur 36 Jahren an Lungenentzündung, konnte aber das Erscheinen seines einzigen Buchs noch erleben, das 1935 ins Russische, 1986 ins Slowenische und 1999 ins Englische übersetzt wurde.

Relaisstation im All

Der Vorschlag, eine Relaisstation im All zu errichten, stammt von dem britischen Physiker und Science-Fiction-Schriftsteller Arthur C. Clarke. Bekannt wurde er nicht zuletzt durch den Filmklassiker 2001: Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick, der auf einer Kurzgeschichte von Clarke beruht und dessen Drehbuch beide gemeinsam geschrieben hatten.

1945 hatte Clarke in einer wissenschaftlichen Zeitschrift einen visionären Artikel veröffentlicht, in dem er die Frage stellt, ob eine Station im Weltall den Funkdienst über große Gebiete abdecken könne [2]. Ausgangspunkt war, dass man für einen guten Fernsehempfang in einem Land ein Netz von Sendestationen braucht. Die Übertragung von Programmen in andere Länder erfordert eine Kette von Relaisstationen und wäre damit sehr teuer. Eine Übertragung über Ozeane hinweg wäre hingegen kaum möglich. Clarke schlug vor, eine „space-station“ einzurichten. Die Entwicklung der V2 hätte gezeigt, dass man entsprechende Raketen bauen kann, die dann auf eine Umlaufbahn um die Erde geschickt werden. Mit Bezug auf das obige Buch von Noordung bzw. Potočnik argumentiert er, dass der erste Orbit jener mit einem Radius von ca. 42.000 km wäre, d. h. eine geostationäre Bahn. Die Relaisstation im All könnte die nötige Energie aus der Sonne beziehen, etwa über Dampfmaschinen oder direkt mittels thermo- bzw. photoelektrischer Elemente. Am Ende des Beitrags fasst Clarke seine Thesen noch einmal zusammen und unterstreicht im Anhang unter dem Stichwort „Rocket Design“, dass der Bau dieser Raketen realistisch sei. Unter der Überschrift „Atomic Power“ geht Clarke auf die Kosten ein: In etwa 20 Jahren könnte es atombetriebene Raketen geben, die den Transport ins All kostengünstig ermöglichen. Realisiert wurde die Übertragung von Fernsehbildern über den Atlantik 17 Jahre nach Clarkes visionärem Aufsatz mit dem Start von Telstar 1 am 10. Juli 1962. Der erste Satellit auf einer geostationären Umlaufbahn war der am 19. August 1964 gestartete Syncom 3 (Synchronous Orbit Communications Satellite).

Literatur

[1] Hermann Noordung: Das Problem der Befahrung des Weltraums. Der Raketen-Motor. Berlin, 1929

[2] Arthur C. Clarke: Extra-terrestrial Relays. Can Rocket Stations Give World-wide Radio Coverage? In: Wireless World Oct. 1945, S. 305-308

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 02/2023 MÄR/APR