5G im Weltraum

Neue Herausforderungen für die Funkverbindung

Beitrag von Reiner Stuhlfauth Rohde & Schwarz

Mit dem Release 17 spezifiziert das Standardisierungsgremium 3GPP die Möglichkeit, 5G über nicht-terrestrische Netze (NTN) zu realisieren. Dies ist als eine langfristige technologische Evolution zu betrachten und inkludiert nicht nur Satelliten als fliegende Netzknoten. Zusammengefasst lässt sich die Entwicklung in diese 3 Phasen unterteilen: Interworking oder Koexistenz zweier unterschiedlicher Kommunikationsnetze, satellitenbasiert oder terrestrisch. Integration, also die Erweiterung terrestrische Netze mit NTN, bis zur finalen Ausbaustufe, der Vereinheitlichung (Unification). Letzteres beschreibt das aktuelle Forschungsthema im Hinblick auf die 6. Generation des Mobilfunks mit dem Schlagwort ML-MD-MB. Dies steht für Multi-Link, also Funkverbindungen in jeglicher Form von der kurzen Distanz über Indoor-Szenarien und Makrozellen bis hin zu geostationären Satelliten (GEO). Multi-Dimension für die Integration einer 3-dimensionalen Netzarchitektur in verschiedenen Orbit-Konstellationen und letztendlich Multi-Band für diverse Frequenzbänder.

Was die Anwendungsfälle betrifft, unterscheidet man grob zwischen IoT-NTN und NR-NTN. Ersteres ist die Erweiterung des Internet der Dinge (IoT) über NTN, also weltweite Verfügbarkeit für geringe Datenraten, Latenzzeit-tolerante und sporadische Funkkommunikation ohne komplexe QoS Serviceanforderungen. NR-NTN bedeutet eine schrittweise Erweiterung der Anwendungen die aus dem Smartphone heraus bekannt sind über NTN. Anfangs wird dies wohl eher nur geringe Datenraten, Notruffunktionalitäten und Basis-Dienste für Internet inkludieren, langfristig wenn höhere Frequenzbänder freigegeben sind, lassen sich auch höhere Datenraten erzielen, besonders durch Verwendung von leistungsfähigeren, quasi-stationären Endgeräten (VSAT).

Herausforderungen für die Luftschnittstelle

Die Einführung von NTN in 5G bedeutet jedoch auch etliche Herausforderungen gerade an die Funkschnittstelle. NTN Signale zwischen Atmosphäre und Erde breiten sich anders aus als im terrestrischen Mobilfunk, d.h. neue Fadingprofile werden diskutiert, die große Distanz zwischen Sender und Empfänger resultiert in einer hohen Pfaddämpfung sowie einer hohen Laufzeit (Latenz). Des Weiteren gibt es nun den Paradigmenwechsel, dass sich gerade durch erdnahe Satelliten (LEO), die Basisstation aus Sicht des Endgerätes nicht mehr stationär verhält, sondern sich schnell bewegt. Konsequenz ist eine Frequenzverschiebung, bekannt als Dopplerverschiebung. Außerdem verursachen die elektrischen Felder in der Atmosphäre eine Verzerrung der Polarisationsrichtung.

NTN-Frequenzen und Wellenausbreitung

Die Bereitstellung von Frequenzen ist die essentielle Voraussetzung für eine Funkverbindung, 3GPP hat mit den beiden Bändern n255 (1626.5 – 1660.5 MHz in Uplink, 1525 – 1559 MHz in Downlink) und n256 (1980-2010 MHz UL, 2170 – 2200 MHz DL) erste Frequenzkanäle in den traditionellen Regionen unter 6GHz freigegeben. Zusätzlich werden höhere Frequenzen diskutiert, beispielsweise im Ka-Band (17-20 GHz DL und 27-30 GHz UL). Da allerdings NTN einen Frequenzduplex FDD aufgrund der hohen Latenzzeit erfordert, sind hierfür weitere Änderungen der Spezifikation notwendig.

Die Wellenausbreitung durch NTN ändert sich, da bei NTN meist eine Sichtverbindung (LOS) angenommen wird und die Funkwelle sich über den größten Teil der Distanz homogen ausbreitet. Mehrwegeausbreitung wie wir sie im terrestrischen Mobilfunk kennen, entsteht eher nur durch die direkte Umgebung des Empfängers. Allerdings kommen mögliche atmosphärisch bedingte Verzerrungen hinzu. Als Konsequenz zur Evaluation der Wellenausbreitung für NTN werden neue Fadingprofile diskutiert, die eine Kombination des terrestrischen Fadings und des atmosphärischen Fadings darstellen.

Pfaddämpfung

Eine der offensichtlich größten Herausforderungen für NTN ist die hohe Pfaddämpfung, bewirkt durch die große Distanz zwischen UE und Satellit. GEO Satelliten in einer Umlaufbahnhöhe von 35 786 km sind hier das Extrembeispiel.

Die Pfaddämpfung setzt sich aus mehreren Teilen zusammen, wobei bei NTN im Wesentlichen die Komponenten der Freiraumdämpfung, in der Literatur als Free Space Path Loss (FSPL) bekannt, relevant sind. Die hierbei wesentlichen Einflussfaktoren sind die Sendeleistung, die Distanz sowie die Gewinne der Empfangs- und Sendeantennen. Die gute Nachricht ist, dass sich gerade durch verbesserte Antennengewinne, beispielsweise erzielt durch Beamforming, die Pfaddämpfung in Dimensionen verändern lässt, die eine Kommunikation zwischen mobilen Endgeräten auf der Erde mit Satelliten ermöglichen. Wie erwähnt, zielt NTN auf Outdoor und LOS Situationen mit einer geringeren Datenrate, dafür allerdings eine weltweite Erreichbarkeit.

Latenzzeiten bzw. Signallaufzeit (Round-Trip-Time RTT)

Die große Distanz zwischen Satelliten und terrestrischen UE bewirkt neben der Pfaddämpfung auch eine hohe Signallaufzeit, bei GEO liegt diese bei 544 ms einfach. Das bedeutet, dass ggf. zeitkritische Anwendungen nicht über NTN geroutet werden können bzw. dass höhere Protokollschichten diese Latenz berücksichtigen, beispielsweise durch eine Verlagerung oder Aussetzung einer Paketwiederholung (HARQ Prozesse) oder durch Verlängerung von Timer-Werten. Auf der Luftschnittstelle sind gerade zwei Aspekte der Laufzeitverlängerung wesentlich, je nach Betrachtungswinkel: Aus Sicht des Satelliten, unter der Annahme einer großen Versorgungsfläche (beam footprint), bewirkt allein die geometrische Konstellation, ein UE im Zentrum des Beams ein anderes UE am Rande des Beams, unterschiedliche Distanzen und deshalb unterschiedliche Signallaufzeiten.

Aus Sicht des Endgerätes UE entsteht gerade bei LEO Satelliten ein „Sonnenaufgang-Sonnenuntergang“-Szenario. Der LEO Satellit wird erst sichtbar, nachdem er einen minimalen Elevationswinkel am Horizont überschritten hat. In dem Moment ist die Distanz zum UE am größten, einige Zeit später, wenn der Satellit senkrecht über dem UE steht ist die Distanz am kürzesten und anschließend wird die RTT wieder größer werden. Wir erkennen eine zeitvariante RTT in der Form einer Parabel über die Verbindungsdauer hinweg. Somit ergeben sich zwei Anforderungen an NTN durch die hohe RTT, zum einen eine gewisse Toleranz der Protokollschichten um eine erhöhte Latenz zu tolerieren, sowie eine Synchronisation des Senders durch das Timing Advance (TA) Verfahren um ein gleichzeitiges Eintreffen aller Uplink Signale am Satelliten zu erwirken. Synchronisation in Uplink Richtung wird dadurch erreicht, dass die Basisstation individuell an das UE einen Zeitversatz signalisiert, um den der Sendezeitpunkt (TA) zeitlich verschoben wird, bei NTN geschieht dies durch eine hybride Signalisierung, ein allgemeiner TA-offset für alle UEs in der Zelle plus ein individueller TA pro UE.

Frequenzverschiebung, Doppler Shift

Die Tatsache, dass sich die Satelliten relativ zum UE bewegen, bewirkt den sogenannten Dopplereffekt, eine Frequenzverschiebung. Ähnlich wie bei der Latenzzeitbetrachtung erleben wir ein zeitvariantes Verhalten, die Frequenz verändert sich ähnlich einer S-Kurve über die Zeitdauer der Verbindung, aufgrund der relativen Bewegung des Satelliten auf das UE hinzu sowie von ihm entfernt. Als Kompensation überträgt die satellitengestützte Basisstation ihre Bahndaten (Ephemeris), das UE bestimmt auf Basis von GNSS die eigene terrestrische Position und eine Vorabkompensation des Dopplerversatzes kann durchgeführt werden. GNSS bedeutet „Global Navigation Satellite System“ und ist der Sammelbegriff für Einzelsysteme wie GPS, Galileo etc.

Polarisation in NTN (Faraday-Effekt)

Als Polarisation wird in der Funktechnik allgemein die Orientierung des elektrischen Feldes der Funkwelle relativ zur Erde bezeichnet. Im Mobilfunk weit gebräuchlich sind lineare Polarisationen (horizontal und/oder vertikal). Aufgrund der Anzahl an Elektronen in der Atmosphäre kommt es zu einer Verschiebung der Polarisation, ein Effekt der als Faraday-Effekt bekannt ist. Konsequenz sind mögliche Empfangsverluste durch Fehlanpassung. Eine Möglichkeit diesen Effekt zu reduzieren ist die Verwendung einer zirkularen Polarisation, was aber dann möglicherweise eine neue Antenne am Endgerät bedeuten würde, also die Komplexität erhöht oder man entscheidet sich eben weiterhin, eine linear polarisierten Antenne zu verwenden und einen Anpassungsverlust in Kauf zu nehmen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Erweiterung des 5G Mobilfunks auf NTN beinhaltet doch einige Herausforderungen für die Luftschnittstelle. Trotzdem sind sich die Experten sicher, dass viele dieser Herausforderungen lösbar sind und NTN somit den terrestrischen Mobilfunk komplementär erweitern wird, als langfristiges Ziel gilt es dreidimensionale, einheitliche und organische Netzstrukturen zu verwirklichen. Release 17 ist hier nur als Kickstart zu betrachten, wir erleben eine Konvergenz der Ökosysteme Satellitenkommunikation und Mobilfunk um gemeinsam das Ziel von NTN zu realisieren. Rohde & Schwarz als führender Hersteller in Test and Measurement und Satellitenkommunikation freut sich mit seiner Expertise diese Entwicklung zu begleiten.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 02/2023 MÄR/APR