Satelliten als Teil des Mobilfunknetzes

Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Matthias Geissler IMST GmbH Kamp-Lintfort

Die 5. Generation Mobilfunk wird gerade erst ausgerollt, da haben weltweit schon Forschungsaktivitäten an der 6. Generation – genannt „6G“ – begonnen, mit dem Ziel, im Jahr 2030 die ersten 6G-Produkte und -Systeme auf den Markt bringen zu können. Die EU adressiert 6G als Forschungsthema in mehreren großen Calls und Projekten, auch die deutsche Bundesregierung hat soeben ein breites nationales Forschungs-Programm zu 6G auf den Weg gebracht, in dem große Forschungsverbünde einerseits und große Industriekonsortien andererseits Strategien, Architekturen und Technologien für den zukünftigen Mobilfunk entwickeln.

6G-Forschungsschwerpunkt 3D-Netzwerke

Ein Schwerpunkt der 6G-Forschung ist, dass man neben den klassischen terrestrischen Basisstationen auch „fliegende Netzknoten“ auf verschiedenen Höhen des Luftraums sowie Satelliten in unterschiedlichen Weltraum-Flughöhen in das Mobilfunknetz integrieren möchte, man bezeichnet diesen Forschungs-Ansatz als „3D-Netzwerk“.

Die Integration von Satelliten und fliegenden Plattformen in das Mobilfunknetz ist für die Netzbetreiber von großem Interesse, denn fliegende Basisstationen bieten zusätzliche Netzkapazität, die die terrestrisch verfügbare Kapazität ergänzen kann, die zu Teilen dynamisch und bedarfsgerecht verschiebbar ist und die die Möglichkeit bietet, weiße Flecken in der terrestrischen Abdeckung zu schließen.

Arten und Eigenschaften der fliegenden Netzknoten

Derzeit werden verschiedene Fluggeräte als Plattformen für fliegende Netzknoten in einem solchen „3D“-Netzwerk diskutiert und untersucht:

  • LAPS: Dies sind niedrig fliegende Drohnen mit relativ geringer Funkreichweite und kurzer Einsatzdauer. In erster Linie sollen sie temporäre lokale Netzanbindung realisieren, beispielsweise zur Führung von autonom fahrenden Landmaschinen auf einem Feld.
  • HAPS: Die derzeitigen Überlegungen zu HAPS gehen in die Richtung von Gleitern mit relativ großer Spannweite (>10m), die in der Stratosphäre in ca. 15 km Höhe kreisen. Sie könnten eine oder mehrere Funkzellen am Boden erzeugen und anbinden. Somit wäre es möglich, lokal und zeitlich begrenzt große Kapazität zur Verfügung zu stellen, beispielsweise für ein Musikfestival, ein großes Sportereignis oder in einem Katastrophengebiet bei Ausfall des terrestrischen Mobilfunknetzes
  • LEO- und MEO-Satelliten: Satelliten in niedriger oder mittlerer Flughöhe, also im sogenannten LEO (Low Earth Orbit) oder MEO (Medium Earth Orbit) – z. B. 400 km oder 3000 km - sind ebenfalls in der Lage, ein Mobilfunknetz am Boden zu realisieren oder zu ergänzen. Allerdings bewegen sie sich relativ zur Erdoberfläche, d.h. um ein Gebiet auf der Erde sicher und dauerhaft zu versorgen, benötigt man viele Satelliten bzw. eine globale Satellitenkonstellation. LEO-Satelliten können relativ stattliche Datenraten in dünn besiedelten Gebieten kostengünstig und effektiv bereitstellen, z. B. über der Landmasse von Australien oder auch über den Weltmeeren. Allerdings muss sichergestellt sein, dass ein genügend dichtes Netz von Ankerstationen auf der Erde existiert, um die Satelliten anzubinden, insbesondere benötigt man zur Abdeckung der Ozeane sogenannte Inter-Satellite-Links, die auch Satelliten anbinden, die gerade keine Bodenstation sehen können.
  • GEO-Satelliten: Der große Vorteil von geostationären Satelliten ist Ihre feste Position über der Erdoberfläche. Somit kann man ein großes Ausleuchtgebiet auf der Erde definieren und über einen einzigen Satelliten dauerhaft versorgen. Allerdings ist die effektive Datenrate bei hoher Nutzerzahl limitiert und die große Entfernung von mindestens 36.000 km führt zu hoher Latenz in der Übertragung, die – je nach Dienst oder Applikation – kritisch sein kann.

Anbindung von fliegenden Netzwerkknoten

Ein fliegender Netzknoten muss über eine leistungsfähige, hochdatenratige Kommunikationsverbindung, den sogenannten Backhaul-Link, an das MobilfunkKernnetz angebunden werden (Abb. 1).

Die Regulierungsbehörden sehen für diese Anbindung ein Band im Bereich von 39 GHz vor. Prinzipiell erlaubt dieses Band hohe Datenraten, erfordert aber zur Überbrückung der Funkdistanz hochbündelnde Antennen. Da sich die fliegenden Knoten relativ zur Ankerstation bewegen, müssen sowohl die Ankerstationen als auch die Flugobjekte mit nachführbaren Antennen ausgestattet werden.

Die Nachführung der Antenne kann z. B. mittels eines mechanischen Mehrachsen-Drehsystems erfolgen. Solche mechanischen Systeme unterliegen jedoch Abb. 1: Anbindung von fliegenden Netzknoten an das Mobilfunk-Corenetz dem Verschleiß und sind insbesondere bei ständiger Bewegung unter stratosphärischen oder Weltraumbedingungen in ihrer Lebensdauer limitiert.

Eine elegante Alternative zur Mechanik sind Planarantennen mit elektronischer Strahlsteuerung (Abb. 2): Das abgebildete Antennenarray besteht aus einer kartesischen Anordnung von kleinen Hohlleiterstrahlern, wobei jedes Element mit je einem Verstärker und einem elektronischem Phasensteller versehen ist. Die Nachführung des Antennenbeams erfolgt durch Änderung des elektronischen Phasenbelags, ohne dass eine mechanische Bewegung erforderlich ist. Dieses „Phased Array“ ist modular aufgebaut, d.h. es gibt ein Grundmodul mit 8x8 Strahlerelementen bei einer Größe von 7 x 7 x 2 cm³. Ein solches Modul reicht möglicherweise schon zur Anbindung von LAPS aus. Will man HAPS oder Satelliten anbinden, so kann man durch Kombination von Modulen zu einem großen Array die Strahlungsdichte (EIRP, equivalent isotropically radiated power) steigern. Dabei profitiert man bei einer Arrayvergrößerung quasi doppelt, weil sowohl die Aperturgröße als auch die Anzahl der Verstärker wächst. Eine Verdopplung der Arraygröße verbessert das EIRP also nicht nur um 3dB sondern um 6dB! 

Auf diese Weise erreicht man mit 9 Modulen eine EIRP von ca. 45 dBW. Somit kann man mit dieser Technologie kompakte und leistungsfähige Antennen für Backhaullinks zu fliegenden Netzknoten realisieren.

 

Vision: 3D-Mobilfunk-Netzwerk

Nimmt man alle Netzwerk-Strukturideen und alle diskutieren Flugobjekte zusammen, so ergibt sich die Vision eines 3DNetzwerks für 6G mit allen Arten von terrestrischen und fliegenden Knoten, idealerweise koordiniert von einem leistungsfähigen Netzwerk-Management unter Nutzung von künstlicher Intelligenz (Abb. 3). Das Netzwerkmanagement soll auch dafür sorgen, dass die Kommunikationslinks je nach Ressourcenlage automatisch und ohne dass der Benutzer es merkt, über terrestrische oder nichtterrestrische Knoten geroutet werden.

Man mag diese Vision für sehr ambitioniert halten, sie ist aber nicht unrealistisch, insbesondere wenn man sich klar macht, dass überall dort, wo es terrestrische Netzabdeckung gibt, diese auch dominant und erste Wahl sein wird. In den weißen Flecken auf den Kontinenten und insbesondere auf den Weltmeeren sind fliegende Netzknoten jedoch die notwendige und perfekte Ergänzung, die Satellitenkommunikation ist also die ideale Komplementärtechnologie zum terrestrischen Netz hin zum Ziel des lückenlosen, weltumspannenden, hochperformanten 6G-Netz!

Literatur

„6G-TAKEOFF“, Forschungsprojekt zu Holistischen 3D-Mobilfunknetzen für 6G im Rahmen der Hightech-Strategie 2025 der deutschen Bundesregierung, Projektlaufzeit 2021-2024, Förderkennzeichen 16KISK061

6G-SKY’, EU-Projekt im Rahmen Celtic-Next zu 3D-Netzwerkarchitekturen im 6G-Mobilfunk. https://www.celticnext.eu/project-6g-sky/

‚SANTANA-AERO PHASE 2‘, Forschungsprojekt zu Planarantennen mit elektronischem Beamforming bei der deutschen Raumfahrtagentur im DLR, Bonn, Projektlaufzeit 2020-2023, Förderkennzeichen 50RK1925

DeSK, Deutsches Zentrum für Satellitenkommunikation e.V., Backnang, www.desksat.com

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 02/2023 MÄR/APR