Was dem Planeten schadet, muss weg

Interview mit Yves Durand, Director of Technology bei Thales Alenia Space.

Das Internet verbraucht sehr viel Strom, insbesondere durch aktuelle Technologien wie Blockchain und Data Mining. Wir sprachen mit Yves Durand, Director of Technology bei Thales Alenia Space, über den interessanten Ansatz Datenzentren im Weltall zu installieren.

TiB: Herr Durand, können Sie unseren Lesern erklären, warum es sinnvoll ist, Rechenzentren auf Erdumlaufbahnen zu positionieren?

Yves Durand: Wissenschaftler haben erst vor kurzem das Ausmaß des riesigen Emissionsfußabdrucks der digitalen Industrie erkannt. Dieser Fußabdruck ist in erster Linie mit dem massiven Energieverbrauch verbunden, der schätzungsweise bereits mehr als 10 % des weltweiten Stromverbrauchs ausmacht. Forscher und Forscherinnen sind sich in der Regel einig, dass 30 % dieses Stromverbrauchs auf Computer oder Smartphones, 30 % auf Rechenzentren und 40 % auf die damit verbundenen Netzwerkverbindungen zurückzuführen sind. Das kritischste Problem ist nicht einmal der aktuelle Stromverbrauch, sondern seine Entwicklung, die mit dem Anstieg des weltweiten Internetverkehrs einhergeht, der auf 8 bis 10 % pro Jahr geschätzt wird: eine Verdoppelung alle 10 Jahre.

Die Rechenzentrumsbranche unternimmt große Anstrengungen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, aber der einzige verfügbare Hebel ist die Verringerung der für die Kühlung aufgewendeten Energie (wie die direkte Ableitung der Wärme in Ozeane, die Implementierung in nördlichen Ländern, die Nutzung von kaltem Grundwasser usw.) sowie ein Wettlauf um eine effizientere Elektroniktechnologie. Diese Lösungen können jedoch das exponentielle Wachstum der Datennutzung und den entsprechenden massiven Bedarf an neuen Rechenzentrumskapazitäten nicht ausgleichen.

Die Einrichtung von Internet-Rechenzentren in der Erdumlaufbahn könnte dazu beitragen, dieses Problem zu verringern, da die Energie außerhalb der Erdatmosphäre direkt von der Sonne bezogen, lokal genutzt und die Verlustwärme in den Weltraum abgeleitet würde. Wir müssten lediglich Daten austauschen, was über optische Kommunikation erfolgen kann.

TiB: Zunächst ist eine Machbarkeitsstudie für ASCEND (Advanced Space Cloud for European Net zero Emission and Data Sovereignty) geplant. Wann sind Ergebnisse zu erwarten und welche technischen Strukturen könnten realisiert werden?

Durand: Die ASCEND-Studie der Europäischen Kommission begann im Januar 2023 und soll innerhalb von 16 Monaten Machbarkeitsergebnisse sowie einen Vorschlag für einen Entwicklungsfahrplan liefern. Wenn das Projekt als solide und durchführbar eingestuft wird, könnte ein Demonstrator entwickelt werden, dem ein europäisches Entwicklungsprogramm folgen könnte.

TiB: Welcher Datendurchsatz kann erreicht werden und welche elektrische Leistung ist dafür erforderlich?

Durand: Die Systemarchitektur der Rechenzentren im Weltraum wird im Rahmen der Studie festgelegt werden, aber um einen ausreichenden Einfluss auf die Kohlenstoffneutralität zu haben, sollte eine ausreichende Rechenzentrumskapazität in der Umlaufbahn installiert werden, die mit einer Leistung in der Größenordnung von mehreren hundert Megawatt oder Gigawatt verbunden ist. Der globale Datendurchsatz sollte demjenigen entsprechen, der in den Datenzentren am Boden erreicht wird, wobei die Daten je nach Architektur über mehrere Verbindungen zwischen Weltraum und Erde verteilt werden.

TiB: Wie sollen die Daten von der Erde zum Datenzentrum und zurück gelangen?

Durand: Die Datenkommunikation zwischen Orbitalsystemen und Bodenstationen kann über HF- oder optische Verbindungen erfolgen, die Europa inzwischen gut beherrscht.

TiB: Welche technische Lösung soll für die Abstrahlung der Abwärme verwendet werden?

Durand: Da es keine Umgebungsluft gibt, die eine Wärmeregulierung durch natürliche oder erzwungene Konvektion gewährleisten könnte, werden für Raumfahrtsysteme routinemäßig verschiedene Wärmeregulierungstechnologien eingesetzt, um die dissipativen Einheiten in einem bestimmten Temperaturbereich zu halten, der hauptsächlich auf der Abstrahlung der Energie durch die dem kalten Raum zugewandten Kühlkörperflächen beruht. Bei großen Strukturen und/oder hohen Verlustleistungen sind mechanisch gepumpte Kreisläufe erforderlich, um die Flüssigkeitszirkulation zwischen den dissipativen Bereichen und den Abstrahlelementen zu erzwingen und so eine hohe Leistung zu gewährleisten.

Europa ist führend bei mechanisch gepumpten Kreislaufsystemen mit hoher Leistung, die jetzt routinemäßig auf den Hochleistungs-Telekommunikationssatelliten von Thales Alenia Space eingesetzt werden. So erhielt Thales Alenia Space von der ESA den Auftrag für den entfaltbaren Strahler des künftigen bemannten Moduls IHab, der aus 8 Paneelen von etwa 4 m2 besteht, deren beide Seiten in den Weltraum abstrahlen.

TiB: Die Hardware eines solchen Rechenzentrums muss für die Anwendung im Weltraum qualifiziert sein. Ist das nicht mit sehr hohen Kosten verbunden?

Durand: Weltraumtaugliche Elektronik ist in der Regel mit hohen Kosten verbunden, aber die Situation ändert sich mit der zunehmenden Verwendung kommerzieller Komponenten, die bereits für die Weltraumumgebung getestet wurden, und auch mit größeren Stückzahlen, welche die Kosten senken. Weltraumcomputer und die Datenspeicherung an Bord von Satelliten stützen sich zunehmend auf Standardtechnologie. Für orbitale Datenzentren würde die Anzahl der Elektronikplatinen beispielsweise dem entsprechen, was derzeit für Bodensysteme benötigt wird, was um mehrere Größenordnungen höher wäre als die Stückzahlen bei typischen aktuellen Raumfahrtsystemen. Damit könnte man die Kosten für Datenzentren im Orbit in die Nähe der Kosten für jetzige von-der-Stange Datenzentren bringen.

TiB: Wie kann man sich ein Wartungskonzept für die Hardware vorstellen?

Durand: Derartige große Infrastrukturen für Weltraumdatenzentren werden zwangsläufig aus mehreren modularen Elementen bestehen, die schrittweise erweitert und nach Ablauf der Lebensdauer oder bei Ausfall ersetzt oder stillgelegt werden können. Montage, Inspektion, Wartung und Reparatur in der Umlaufbahn, die für künftige große Infrastrukturen erforderlich sind, werden durch die jüngsten Fortschritte in der W e l t ra u m ro b o t i k und der KI-basierten Anomalieerkennung möglich. Die nachhaltige Nutzung des Weltraums sowie die Wartungsanforderungen werden die Strategie für den Einsatz in Verbindung mit Wartung, Recycling und Stilllegung bestimmen.

TiB: Wie sieht die Strategie für den Transport der Datenzentren in den Weltraum aus und wie soll die Entsorgung funktionieren?

Durand: Ein Schlüsselelement der Machbarkeitsstudie basiert auf der Tatsache, dass Europa ein Trägersystem entwickeln kann, das in der Lage ist, große Mengen an Material wirtschaftlich und mit begrenzten Auswirkungen auf die Umwelt in die Umlaufbahn zu bringen. Zu den derzeitigen Konzepten für künftige europäische wiederverwendbare Trägersysteme gehört die Fähigkeit, Nutzlasten in eine niedrige Erdumlaufbahn zu befördern und sie zur Erde zurückzubringen. In der Studie werden neue Konzepte untersucht, wie z. B. die Verwendung von Lagerumlaufbahnen in Verbindung mit Servicefahrzeugen, die Nutzlasten in die Betriebsumlaufbahn bringen können, wo sie dann zusammengebaut werden. Module, die repariert oder recycelt werden müssen, werden in die Lagerumlaufbahn transportiert, um dann mit einer wiederverwendbaren Trägerrakete auf die Erde zurückgebracht zu werden.

Die Fragen stellten Silvia Stettmayer und Fritz Münzel

Originalsprache Englisch, übersetzt von DeepL und Fritz Münzel

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2023 MÄR/APR