Automatisierungstechnik

Eine Schlüsselkompetenz der Ingenieurausbildung

Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Dirk Jacob, Vizepräsident Lehre und Qualitätsmanagement, Hochschule Kempten

Die Automatisierungstechnik steht durch die fortschreitende Digitalisierung der Produktion vor großen Umbrüchen und wird immer entscheidender für die Wettbewerbsfähigkeit. Genau deshalb sollte sie in keiner produktionsorientierten Ingenieurausbildung fehlen. Im Beitrag wird die Relevanz von Automatisierungstechnik als Modul in der Lehre verdeutlicht und für eine Anpassung der Studieninhalte plädiert.

Veränderung von Arbeit- und Lebensweise

Die Automatisierung verändert unsere Arbeitsweise und in zunehmendem Maße auch die Art, wie wir leben. Automatisierung verbessert die Produktivität und ermöglicht es Unternehmen und Nationen, wettbewerbsfähig zu bleiben oder zu werden. Sie ermöglicht neue Geschäftsmodelle, die auf die Bereitstellung neuer Waren und Dienstleistungen ausgerichtet sind, und hilft Unternehmen, die Effizienz und Flexibilität bei der Bereitstellung dieser Waren und Dienstleistungen zu verbessern. Automatisierung in der Produktion stellt dabei sowohl in westlichen Staaten als auch in Fernost, wie bspw. China, die Schlüsselkompetenz dar, um Produkte effizient und in hoher Qualität zu erzeugen.

Im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung in der Industrie sollte somit insbesondere die Automatisierungstechnik in Studiengängen, bei denen die Absolventen einen Bezug zur Produktion haben könnten, als zentraler Bestandteil in das Curriculum der Studiengänge integriert werden.

Automatisierung im Umbruch

Die Digitalisierung in der Produktion stellt die Industrie vor große Herausforderungen [1]. Bis vor wenigen Jahren war Automatisierungstechnik überwiegend darauf beschränkt, Sensoren und Aktoren auf Feldebene über SPS anzusteuern und minimale Informationen mit der übergeordneten Ebene auszutauschen. Resultat war die klassische Automatisierungspyramide mit einer starren hierarchischen Struktur.

Durch den Einsatz von neuen Kommunikationsstrukturen kann dieses Modell aufgebrochen werden, womit die Informationen aus der Produktion jederzeit im gesamten Firmennetzwerk zugängig gemacht werden kann [2]. Durch diese Veränderungen ergeben sich neue Möglichkeiten im Umfeld der Produktion, die durch die derzeitigen Ausbildungsinhalte von Studiengängen mit Schwerpunkten im Bereich der Produktions- und Automatisierungstechnik nicht oder nur teilweise abgedeckt werden.

Der erheblich erhöhte Anteil der Informationstechnik in zukünftigen Systemen der Produktion findet in den aktuellen Studiengängen häufig ebenso wenig Beachtung wie die durchgängige Vernetzung der Teilgebiete der Automatisierungstechnik, beginnend bei der Mechanik über Aktoren und Sensoren zur Elektrotechnik und Elektronik weiter bis zur Informationstechnik und künstlichen Intelligenz.

Vernetzender Studieninhalt

Durch die Integration des Moduls Automatisierungstechnik in unterschiedliche Studienrichtungen werden die Studentinnen und Studenten für die neuen Möglichkeiten, die sich durch neue Kommunikationsstrukturen sowie den vermehrten Einsatz von Software ergeben, sensibilisiert.

Sowohl Studierende der Fachrichtung Maschinenbau als auch der Mechatronik und der Elektrotechnik können sich dadurch in die vielfältigen Aspekte des Themengebiets Automatisierung einarbeiten. Idealerweise können die Veranstaltungen von Studierenden aus unterschiedlichen Fachrichtungen besucht werden, so dass ein gemeinsames Verständnis entsteht und die Aufgaben zwar zusammen in einer Gruppe, aber mit den unterschiedlichen Fachkompetenzen im Hintergrund bearbeitet werden. Dadurch wird das fachübergreifende Verständnis aller Beteiligten gefördert, das für erfolgreiche Automatisierungsprojekte maßgeblich ist.

Um dies noch weiter zu vertiefen, werden Projekte durchgeführt, in denen die Inhalte der Vorlesungen im Team an realen Aufgaben angewendet werden.

Vorreiter Systems Engineering

Der Studiengang Systems Engineering, der gemeinsam durch die Hochschulen Augsburg, Kempten und Neu-Ulm angeboten wird, stellt für die interdisziplinäre Ausbildung auch im Bereich der Automatisierungstechnik ein Musterbeispiel dar.

In dem Studiengang werden die informationstechnischen Inhalte, die für die Digitalisierung der Produktion grundlegend sind, mit den Ingenieurwissenschaften verknüpft. Für eine praxisnahe Ausbildung werden die Inhalte der Theoriemodule in jedem Semester durch ein Projekt mit realitätsnahen Aufgabenstellungen auch aus der Industrie ergänzt. Die Absolventen haben damit ideale Voraussetzungen, die anstehenden Veränderungen und die fortschreitende Automatisierung in der Industrie aktiv zu gestalten.

Fazit

Für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ist die Automatisierungstechnik eine Kernkompetenz und stellt eine Schlüsselrolle in der ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung dar. Durch die anstehenden Veränderungen aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung ist dabei interdisziplinäres Vorgehen gefordert. Hier sind die Hochschulen gefordert, Studieninhalte anzupassen und vernetztes Arbeiten zu fördern.

Literatur:

[1] A. Roth (Hrsg.), Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0, DOI 10.1007/978-3-662- 48505-7_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016, S.3.
[2] Kleinemeier, M.: Von der Automatisierungspyramide zu Unternehmenssteuerungs-Netzwerken. In: Handbuch Industrie 4.0 1. Teil ISBN 978-3-662-45278-3, S. 219-226

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2019 Mai/Juni