Wasserkunst in Nymphenburg

Zeitlos schön

Beitrag von Dr. Michael Eckert, Deutsches Museum

Der Schlosspark in Nymphenburg ist nicht nur eine Attraktion für Liebhaber der Gartenkunst, sondern auch ein bemerkenswerter Schauplatz der Technikgeschichte.

Für die barocken Springbrunnen und Wasserbassins wurden Kanäle mit Schleusen angelegt, die den Wasserbau-Ingenieuren vor mehr als dreihundert Jahren einiges an hydraulischem Können abverlangten. Um das Wasser in imposanten Fontänen in die Höhe schießen zu lassen, waren weitere Ingenieursleistungen über Rohrströmungen und Wasserhebeanlagen gefragt. Man bediente sich dabei einer auch in städtischen „Brunnhäusern“ bewährten Technik: Mit der Kraft aufgestauter Kanäle wurden Wasserräder in Drehung versetzt, die über Kurbeln und Pumpen Wasser in hochgelegene Reservoirs beförderten, um es von dort mit dem aus dem Höhenunterschied resultierenden Druck zu den Brunnen zu leiten. In Nymphenburg wurden mit dieser Technik schon im frühen 18. Jahrhundert die barocken Springbrunnen betrieben.

Die Fontänen in Nymphenburg werden auch heute noch mit Wasserkraft aus aufgestauten Kanälen in die Höhe getrieben. Allerdings sind dafür keine Wassertürme mit hochgelegenen Reservoirs mehr nötig. Mit der Gusseisentechnik des beginnenden Industriezeitalters konnte man das Wasser auf andere Weise unter hohen Druck setzen, um es dann aus Fontänendüsen in die Höhe schießen zu lassen. Anstatt es in hochgelegene Reservoirs zu pumpen, presste man es in sog. Windkessel, wo die über dem Wasser eingeschlossene Luft komprimiert wurde und für den gewünschten Fontänendruck sorgte.

Das Prinzip des Windkessels war seit langem bekannt – man kann es schon in den Heronsbrunnen der Renaissance erkennen, wo die in einem geschlossenen Behälter komprimierte Luft das darin eingeschlossene Wasser unter Druck setzt. Zur praktischen Anwendung kam das Prinzip auch in mobilen Feuerlöschwagen, bei denen Wasser mit Muskelkraft in einen meist aus Kupfer gefertigten Windkessel gepumpt wurde, aus dem es dann in den Schlauch zur Feuerspritze geleitet wurde. Durch den zwischen Pumpen und Austrittsschlauch eingeschalteten Windkessel wurde der im Rhytmus des Pumpenhubs schwankende Druck abgefedert, so dass ein weniger stark pulsierender Wasserstrahl auf das Feuer gelenkt werden konnte. Für die mächtigen Fontänen in Schlossgärten benötigte man aber Windkessel aus Gusseisen, das erst im Gefolge der industriellen Revolution breitere Verwendung fand. Auch für die Wasserversorgung von Städten bediente man sich des Windkessels. Ein eindrucksvolles Exemplar dieser Art wurde 1788 für die Wasserversorgung von Paris in einem von Dampfmaschinen angetriebenen Pumpwerk installiert: Der gusseiserne zylindrische Windkessel der „Pompe de Chaillot“ war mehr sechs Meter hoch (20 Fuß) und hatte einen Durchmesser von fast zwei Metern (6 Fuß).

Im Grünen Brunnhaus und im Johannisbrunnhaus des Nymphenburger Schlossparks werden die Fontänen auf der Parkseite und auf der Stadtseite vor dem Schloss auch heute noch mit Wasserkraft angetrieben. Wie in einem Freiluftmuseum lassen sich dort die mit dem aufgestauten Wasser der Kanäle in Gang gesetzten Wasserräder, Pumpen und Windkessel bestaunen. Diese Anlagen gehen auf Joseph von Baader zurück, der die industrielle Revolution bei mehrjährigen Aufenthalten in Großbritannien kennengelernt hatte. Der erste gusseiserne Windkessel, den Baader 1803 im Grünen Brunnhaus installiert hat, besitzt zwar nicht die gewaltigen Ausmaße des Windkessels von Chaillot, doch anders als das Pariser Monster ist er immer noch in Betrieb und erinnert auf eindrucksvolle Weise an die Anfänge des Industriezeitalters – in einer Umgebung, die von den rauchenden Schloten, Dampfmaschinen und anderen Erzeugnissen der industriellen Revolution nicht weiter entfernt sein könnte.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022 Januar/Februar