Im Handumdrehen vom Massenspektrometer zum Geruchs-Sensor

Beitrag von Petra Romero, Plasmion GmbH

Für viele geht am Montagmorgen in der Arbeit der erste Gang zur Kaffeemaschine. Puh, die Milch stand wohl das ganze Wochenende nicht im Kühlschrank? Riecht aber noch gut. Die geht noch.

Was für uns Menschen dank unserer sensiblen Nase eine Selbstverständlichkeit ist, stellt die Lebensmittelindustrie oft vor große Probleme. Um Verunreinigungen oder abweichende Produktqualitäten anhand von schlechtem oder zumindest „unerwünschtem“ Geruch erkennen zu können, bedarf es komplizierter technischer Geräte, wie z. B. eines Massenspektrometers.

Massenspektrometrie ist ein Verfahren zur Bestimmung der Zusammensetzung von Stoffen oder Stoffgemischen auf Basis der chemischen Masse von Molekülen oder Atomen. Sie wird bislang zum Beispiel in der Chemie, Biochemie oder auch Medizin eingesetzt. In der Regel wird dafür eine Probe in einem Chromatographen aufbereitet, wodurch sie in ihre einzelnen molekularen Komponenten aufgetrennt wird. Durch die anschließende Ionisierung können die separierten Moleküle mittels des Massenspektrometers „gewogen“ werden. Das fachkundige Personal kann dann die analysierte Probe auswerten. Um die genaue Zusammensetzung einer Probe zu analysieren, braucht man daher in der Regel einen Chromatographen für flüssige (LC) oder gasförmige Stoffe (GC), eine Ionenquelle und ein Massenspektrometer (LC-MS oder GC-MS). Und natürlich entsprechend ausgebildetes Personal, das die Geräte fachkundig bedienen und die jeweiligen Ergebnisse auswerten kann.

Probe einfach davorhalten

Aufgrund dieses komplexen Aufbaus gilt die Massenspektrometrie immer noch als reine Labormethode. Analysen mit dieser Technik sind material-, arbeits- und personalintensiv und deshalb mit hohen Kosten verbunden. Plasmions Ziel ist es, die Anwendbarkeit stark zu vereinfachen und dadurch Massenspektrometrie einem breiteren Markt zugänglich zu machen.

Gelungen ist das dem Team durch die Entwicklung einer universellen „Plug & Play“ Ionisationsquelle für Massenspektrometer (MS). Die SICRIT®-Ionisationsquelle kann direkt an jedes AtmosphärendruckMS gekoppelt werden und verwandelt es dadurch im Handumdrehen in einen Echtzeit-Sensor, der direkt Umgebungsatmospähre analysiert. Der umständliche Prozess der Probenvorbereitung und die Aufspaltung mittels Chromatograph werden dadurch in vielen Fällen überflüssig. Anhand eines Beispiels erklärt: Um die über 300 Aromastoffe einer Kaffeebohne analysieren zu können, wurde Kaffee bislang im Labor gemahlen, gelöst, verdünnt, extrahiert und anschließend im Chromatographen für flüssige Stoffe (LC) aufgetrennt. Ein Prozess, der mehrere Stunden oder sogar Tage in Anspruch nehmen kann. Mit SICRIT® kann die Kaffeebohne einfach direkt vor die an das MS gekoppelte Ionisationsquelle gehalten werden und man erhält nach dem Prinzip einer „elektronischen Nase“ in Echtzeit und dank der leistungsstarken Massenspektrometrie eine sehr genaue Analyse aller in der Bohne befindlichen Aromen. Oder, um beim Beispiel vom Anfang zu bleiben: eine Probe mit Milch einfach vor den Sensor halten und auf dem Bildschirm ist ersichtlich, ob die Milch sauer ist.

Auf zu neuen Gewässern: der Einsatz der Massenspektrometrie in der Industrie

SICRIT ist nun seit ca. 5 Jahren am Markt und wird bislang vorrangig im Labormarkt genutzt, der von weiteren Vorteilen der Quelle profitiert, wie: höherer Sensitivität, weicher Ionisation bzw. Vermeidung von Fragmentierung der Analyten, der Möglichkeit polare und nicht-polare Proben mit demselben MS und derselben Ionenquelle zu messen und schließlich der flexiblen Kopplung an jedwede Chromatographie, sei es GC, LC oder SFC. Doch das Potenzial von SICRIT reicht noch viel weiter. Mit einem „all-in-one“-Produkt, dem HaVoc®, erschließen sich dem Unternehmen auch industrielle Märkte, in denen die Massenspektrometrie zur Untersuchung von gasförmigen Stoffen (VOCs – Volatile Organic Compounds) bislang nur selten eingesetzt wird. Im HaVoc® ist die Ionenquelle bereits an einem Massenspektrometer installiert und kann in Verbindung mit einer eigens entwickelten Software in Echtzeit, z. B. an einem Fließband von Lebensmittelproduktionen Proben auf Verunreinigungen untersuchen und benutzerfreundlich auswerten. Weitere Einsatzmöglichkeiten des HaVoc® sind z. B.: die Überwachung von Emissionen oder Reinräumen, der Einsatz in der medizinischen Atemanalyse zur frühzeitigen Erkennung von Krankheiten mittels Biomarkern, das Aufspüren von Sprengstoffen oder anderen forensisch relevanten Komponenten, Qualitätskontrolle in der Pharmazie, oder bei der Herstellung von Duftstoffen und Kosmetika. In vielen Industriezweigen besteht ein großer Bedarf an empfindlichen und zugleich einfach handhabbaren Methoden der Spurenanalytik. Bislang war die InlineProzesskontrolle mittels Massenspektrometrie aufgrund des hohen instrumentellen und menschlichen Aufwands bei der Probenvorbereitung schwierig und nicht lukrativ. Deswegen war eine Echtzeitmessung von flüchtigen Substanzen und Emissionen nicht möglich.

Der Erfolg gibt der Genialität recht

Die Idee zu dieser neuartigen Ionenquelle entwickelte Dr. Jan-Christoph Wolf (CTO) während seiner Post-Doc-Stelle an der ETH Zürich. „Schon während meiner Promotion habe ich mich intensiv mit Massenspektrometrie beschäftigt und mir immer wieder die Frage gestellt, ob das nicht auch simpler und smarter gehen kann. Der Gedanke hat mich irgendwann nicht mehr losgelassen und nach meiner Post-Doc-Zeit war klar, dass ich die Idee einer einfach handhabbaren und für jedermann zugänglichen Massenspektrometrie weiterverfolgen muss.“

Dr. Thomas Wolf (CEO) folgt seinem Bruder in die Selbstständigkeit und ist von Anfang an von der Genialität der Erfindung begeistert, die sich auch am Erfolg von Plasmion widerspiegelt: „Bereits die ersten Prototypen der Ionenquelle wurden gleich von Kunden gekauft. So konnten wir mit etwas Produktoptimierung zügig ein Unternehmen aufbauen, das schon nach kurzer Zeit profitabel am Markt bestehen kann. Momentan arbeiten wir an weiteren Prototypen und Entwicklungen, die ebenfalls schon sehnsüchtig am Markt erwartet werden.“

Das Ziel, die Massenspektrometrie industrietauglich zu machen, kommt am Ende auch den Verbrauchern zugute. Wird die Technik in Lebensmittelbetrieben eingesetzt, sinkt die Wahrscheinlichkeit drastisch, dass verunreinigte oder „schlechte“ Lebensmittel beim Verbraucher landen. Doch ob die Milch nach einem Wochenende ohne Kühlung noch gut ist, wird wohl auch in Zukunft die menschliche und nicht die elektronische Nase entscheiden müssen.

Einsatzgebiete HaVoc®

Überwachung von Emissionen

  • Überwachung von Luftqualität und Verschmutzung (z. B. Leckageerkennung, Arbeitsplatzsicherheit oder Reinraumüberwachung)
  • Messung von Abgasemissionen in Echtzeit (z. B. während Motortestzyklen)
  • Überwachung von Fencelines zur Sicherstellung und Einhaltung von Vorschriften

Sicherheit & Forensik

  • Aufspüren von Sprengstoffen, Betäubungsmitteln, Drogen und chemischen Kampfstoffen an Personen, Gepäck oder in Containern
  • Identifizierung forensischer Spuren, z. B. Rückstände von Schießpulver, Brandbeschleuniger oder VOC-Signaturen von Personen

Medizin & Atem

  • Identifizierung spezifischer Biomarker in ausgeatmeter Atemluft, z. B. Asthma, Corona, Diabetes, Lungenentzündung, parodontale Erkrankungen, Lebererkrankungen, Parkinson-Krankheit, usw.
  • Überwachung der Dosierung und Anwendung von Therapeutika und Anästhetika bei Operationen

Pharmazeutika

  • Kontrolle der gesamten Herstellungsprozesse von Arzneimitteln, um die Abwesenheit von schädlichen Verunreinigungen oder Nebenprodukten (z. B. Nitrosamine) sicherzustellen 
  • Überwachung und Optimierung von Herstellungsprozessen in Bioreaktoren zur Verbesserung der Produktionseffizienz und Qualität

Duftstoffe und Kosmetika

  • Sicherstellung des idealen Mischungsverhältnisses der einzelnen Duftkomponenten
  • Erkennen von Spuren unerwünschter Verunreinigungen, z. B. krebserregende Stoffe in Sonnenschutzmitteln

Lebensmittel-/Aroma-industrie

  • Identifikation von Kontaminationen oder jegliche Art von gefährlichen Substanzen, z. B. Pestizide
  • Validierung der Produktauthentizität auf der Grundlage eines molekularen Fingerabdrucks, um Lebensmittelbetrug zu verhindern
  • Bestimmung und Vorhersage der Haltbarkeitsdauer eines beliebigen Produkts durch OnlineMessung
  • Echtzeit-Prozesskontrolle beim Kaffeerösten zur Optimierung der Aromakomposition
  • Vermeidung von Verunreinigungen, Fehlaromen in Produkten oder Verpackungen
  • Unterstützung bei sensorischen Panel-Entscheidungen durch einen objektiven und datengesteuerten Sensor zur Sicherstellung von Qualitätsstandards über verschiedene Produktionsstätten

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 03/2023 MAI/JUN