Innovative Technologien: Anfang oder Ende vom Unternehmenserfolg?

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Beitrag von Michael Sauer Co-Founder & CSO, Motius GmbH

Rapider technologischer Wandel ist oft Chance und Bedrohung zugleich. Erst der (richtige) Umgang eines Unternehmens mit Innovationen entscheidet über dessen zukünftige Relevanz. Es ist der Grund, weshalb heute jeder vom Amazon oder Tesla spricht – und niemand mehr über Quelle oder Kodak.

Das Dilemma ist nicht unbekannt. Doch richtig vielversprechende Lösungsansätze gibt es nicht, zumindest nicht in 2013, dem Gründungsjahr von Motius. Ich und meine Mitgründer studierten an der TUM und entdeckten jeden Tag neue, spannende Technologien. In unseren Werkstudentenjobs und Praktikumsstellen sah die Realität aber ganz anders aus. Statt großer Innovation war eher große Ratlosigkeit.

Die Fähigkeit eines Unternehmens technische Innovation für sich zu nutzen ist der Schlüssel zum nachhaltigen Unternehmenserfolg. Aber besonders den etablierten Firmen fällt digitale Transformation schwer. Uns fiel auf, dass sie zu groß sind, um neue Technologien schnell zu adaptieren. Zudem ist die schiere Anzahl neuer Technologien gigantisch. Heute noch deutlich mehr als in unserem Gründungsjahr. Es verschlingt immense Ressourcen, den Überblick zu behalten und zu beurteilen, was sich durchsetzen wird und was nicht. Keine Innovation ist aber auch keine Lösung.

Forschung und Entwicklung 2.0

Das war dann auch die Idee für unser Start-up Motius. Wir wollten Forschung und Entwicklung neu definieren und zeitgemäß machen. Schnell und trotzdem tiefgründig sein. Denn Technologiebereiche wie KI oder Robotik entwickeln sich nicht nur rasant, es braucht auch Fachwissen, um sie wertschöpfend für sich zu nutzen.

Das war übrigens nicht unsere ursprüngliche Idee. Unsere Wege kreuzten sich bei Manage & More, einem StipendiumProgramm der UnternehmerTUM. Jeden Tag fiel uns ein neues Produkt ein. Ein intelligentes Routenplanungssystem für Handwerker. Roboter für automatisierte Apotheken-Warenlager. Monatelang versuchten wir zu evaluieren, welche Technologie sich am ehesten durchsetzen würde. Welche Anwendung würde den größten Nutzen bringen? Bis uns auffiel, das größte Potenzial liegt darin, zu wissen, welche Technologie wo anwendbar ist. Zu erkennen, wo neue Technologien eingesetzt werden können, um nachhaltigen Mehrwert zu generieren.

Mit Tech Innovationen Schritt halten

Das große Fragezeichen: Wie bleiben wir auf Dauer nah an den neusten Technologien dran? Wir würden ja nicht ewig Studenten bleiben, die den aktuellsten Wissensstand an der Uni mitbekommen. Außerdem gab es schon 2013 mehr vielversprechende Innovationen, als wir zu fünft in der dafür notwendigen Tiefe abdecken konnten.

Unser Lösungsansatz ist eine fluide Struktur. Bei Motius gibt es ein über 100-köpfiges Kernteam aus festangestellten Projektleitern, Innovationsberatern sowie Soft- und Hardwareentwicklern. Ergänzend dazu, gibt es den Motius Experten Pool. Er erneuert sich alle 3 - 5 Jahre und besteht aus unabhängigen Tech-Spezialisten, Promovierenden und Studierenden, die besonders nah an der Forschung sind und über tiefes Fachwissen in bestimmten Nischen verfügen. So können wir auch auf Fachexpertise von eher frühphasigen Technologien zugreifen – bevor sie Mainstream werden. Oder auch nicht. Denn nicht jede Technologie setzt sich durch.

Innovation in der Praxis

Unsere einzigartige Struktur ermöglicht uns, die ganze technologische Bandbreite abzudecken. Gleichzeitig macht sie uns agil und schnell. So konnten wir mit unserem Kunden Optimate, einer Ausgründung von Trumpf, innerhalb von drei Monaten eine KI-basierte Potenzialerkennung für die Optimierbarkeit von Blechbauteilen entwickeln.

Durch die Optimierung des Designs von Blechbauteilen können Fertigungskosten gespart werden, ohne dabei die Produktqualität und -funktionalität zu beeinflussen. Diese Verbesserungen erfordern viel Expertise und werden von erfahrenen Designern manuell durchgeführt. Das Ziel des Projektes war es, mittels KI zu erkennen, welche Blechbauteile Optimierungspotenzial bieten. Doch welcher KI-Ansatz würde den größten Mehrwert bieten? Eignet sich Reinforcement Learning am besten? Oder doch eher Supervised Learning? Durch unsere breite Expertise konnten wir fundiert entscheiden, welche Machine Learning Variante am vielversprechendsten war. Außerdem konnten wir innerhalb von zwei Wochen ein Projektteam mit den dafür nötigen Kompetenzen zusammenstellen. Die Projektleitung und ein Machine Learning Experte kamen aus unserem Kernteam. Beim Feature Engineering und der Erarbeitung mehrerer Ansätze unterstützte ein Data Scientist aus unserem Experten Pool. Zur Visualisierung der Ergebnisse entwickelten unsere UX-Designer und Developer zudem eine Demonstrationsanwendung.

Oft wird aus solchen initialen Projekten dann auch eine langjährige Zusammenarbeit. So war es mit Optimate, aber auch mit vielen anderen Unternehmen, wie Siemens, MTU oder BMW. Das ist natürlich besonders schön, weil es zeigt, dass wir mit unserem Geschäftsmodell an der richtigen Stelle ansetzen.

Gründen und Wachsen

Motius ist „gebootstrapped“, wir haben also bewusst auf Fremdfinanzierung verzichtet. Wir wollten, dass Motius aus eigener Kraft wächst. Das hieß aber auch, dass wir damals penibel auf die Ausgaben achten mussten. Da wurde schon mal zu fünft im Gründerkreis besprochen, ob wir 500 oder 1000 Flyer bestellen sollten. (Es war mit Sicherheit von Vorteil, dass Motius ein dienstleistungsorientiertes Start-up ist, das keine hohen Vorabinvestitionen benötigte. Außerdem waren wir damals in der privilegierten Situation, als Studenten mit wenig privaten Fixkosten und hoher Flexibilität zu agieren.)

Nachdem wir über Jahre eigenständig und profitabel gewachsen sind, ist 2019 ein externer Investor mit eingestiegen. Es war die Grundlage für langfristigere Von Robotik bis KI: Die Mitarbeiter der Motius GmbH sind auf Zukunftstechnologien und deren wertschöpfende Implementierung spezialisiert Visionen. Zum Beispiel unseren Venture Capital Fond Spacewalk, der Start-ups unterstützt, die auf frühphasigen Technologien basieren. Es ermöglichte uns aber auch, ambitioniertere Wachstumsziele anzuvisieren sowie zusätzliche Standorte in Serbien und Stuttgart zu eröffnen.

Zehn Jahre Motius

Für uns ist diese Strategie aufgegangen, wir feiern dieses Jahr unser zehnjähriges Firmenjubiläum. Inzwischen arbeiten 110 technologie-begeisterte Mitarbeiter bei Motius. Wir unterstützen Marktführer bei der Nutzung von technischen Innovationen. Somit sind wir kein junges Start-up mehr. Doch der Alltag bei Motius fühlt sich trotzdem so an. Dank unserer fluiden Struktur sieht kaum ein Tag wie der andere aus und das möchten wir auch in Zukunft so beibehalten. Besonders stolz sind wir auf unsere Auszeichnung als Arbeitgeber mit den am besten ausgebildeten Mitarbeitern im IT-, Hardware- und Software-Bereich im deutschlandweiten CASE Arbeitgeber Ranking 2022. Das heißt, wir sind unserer UnternehmensVision treu geblieben. Die lautet nämlich: Der beste Arbeitgeber für Techies zu sein.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 03/2023 MAI/JUN