Composites im Gitarrenbau

Simulation von Klangeigenschaften

Beitrag von Michael Geitner B.Sc., Dr.-Ing. Kheirollah Sepahvand und Prof. Dr.-Ing. Steffen Marburg, Lehrstuhl für Akustik mobiler Systeme TU München

Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich die sechssaitige Akustikgitarre aus Holz, nun finden auch Faserverbundwerkstoffe mehr und mehr Einzug in den Gitarrenbau. Auch erste Carbon-Gitarren sind bereits auf dem Markt erhältlich. Im folgenden Beitrag erfahren Sie, welche Vor- und Nachteile die Composites im Gitarrenbau haben.

Alternative Werkstoffe für Akustikgitarren

Bei der Fertigung von Akustikgitarren spielen die Materialeigenschaften eine entscheidende Rolle. Die Hersteller achten besonders auf die Qualität der verwendeten Hölzer. Die ausgeprägte Feuchte- und Temperatursensitivität von Holz führt jedoch wiederholt zu Rissen und Verzügen. Alternative Werkstoffe wie die faserverstärkten Kunststoffe sollen die Form- und Tonstabilität erhöhen, ohne den Klang des traditionellen Instruments aus Holz negativ zu beeinflussen.

Klangentstehung und -beschreibung

Den Ausgangspunkt der Tonerzeugung akustischer Gitarren bilden die Gitarrensaiten, die ihre Energie zunächst an die Deckenplatte weitergeben. Der Ton wird je nach Frequenzbereich einerseits direkt durch Körperschallschwingungen der Decke an die Umgebung emittiert, andererseits mit Hilfe des angeregten Luftvolumens im Korpus über das Schallloch und die Bodenplatte ausgestrahlt. Außer der angeregten Saite können auch andere Saiten und deren Obertöne (Vielfache der Grundfrequenz) mitschwingen. Ein Gitarrenton ist daher ein Frequenzgemisch aus mehreren Partialtönen.

Mittels Kriterien wie Lautstärke, Tragkraft und Gleichmäßigkeit lässt sich der Klang des Instruments beschreiben. Einige werden spezifischen Frequenzbereichen zugeordnet wie beispielsweise das Volumen (50– 400 Hz), die Klarheit/Offenheit (800–1200 Hz) oder die Helligkeit/Brillanz (2000– 5000 Hz) der Akustikgitarre.

Modellbildung & Simulation

Die Deckenplatte (inkl. Beleistung) stellt das zentrale Element des Energieflusses und der Schallabstrahlung dar. Deshalb ist die Reduktion eines Simulationsmodells auf dieses wesentliche Bauteil zulässig, sofern entsprechende Randbedingungen an den Verbindungsstellen vorgesehen werden. Für Instrumente aus Faserverbundmaterialien sind so qualitative Aussagen über den Einfluss konstruktiver Parameter (wie Faser- und Matrixwerkstoff, Faserorientierung) auf den Klang möglich.

Anhand einer Modalanalyse können die Eigenformen und -frequenzen der Deckenplatte ermittelt werden. Eine harmonische Frequenzganganalyse dient der Bestimmung der Strukturantwort auf eine harmonische Belastung – ähnlich wie durch eine schwingende Saite verursacht. Dazu wird eine sinusförmig zeitvariable Kraft modelliert. Für ein bestimmtes Intervall von Anregungsfrequenzen simuliert das FEM-Programm die auftretenden Antwortgrößen (z.B. Verschiebungen). Über der Frequenz werden Resonanzen in der Übertragungsfunktion sichtbar, mit deren Hilfe auf einige Klangkriterien geschlossen werden kann. Viele Resonanzen in tiefen Frequenzbereichen weisen auf einen basslastigen Gitarrenklang mit viel Volumen hin, während hochfrequente Resonanzen für mehr Klarheit bzw. Helligkeit sprechen.

Zum Vergleich lassen sich Simulationsmodelle klassischer Holzdecken aufbauen: Da im Gitarrenbau streng auf die Faserorientierung der Holzzuschnitte geachtet wird, können hier orthotrope Werkstoffeigenschaften angenommen werden.

Tauglichkeit von Composites im Gitarrenbau

Akustikgitarren aus Faserverbundwerkstoffen sind nahezu unempfindlich gegenüber Temperatur- und Witterungseinflüssen. Thermoplastische Matrixwerkstoffe sind schweißbar, sodass anfällige Leimverbindungen minimiert werden können. Damit steigen Stabilität und Flexibilität des Designs. Die gute Reproduzierbarkeit sowie die gezielte Steuerbarkeit des Schwingungsverhaltens und Klangs von Composites sind ein entscheidender Vorteil.

Holz dagegen bringt als natürlich wachsender Rohstoff Streuungen in seinen Eigenschaften mit sich. Jedoch durchläuft Holz anders als Composites über seine Lebensdauer einen weiteren Reifeprozess mit meist positivem Einfluss auf den Gitarrenklang. Trotz des frühen Stadiums der Composite-Gitarren sind bereits vergleichbare Klangeigenschaften zu Holzinstrumenten realisierbar. Daher sind in der Zukunft weitere zahlreiche Entwicklungen zu erwarten.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 September/Oktober