Tracking Technologien

Positionsdatenerfassung im Spitzensport

Beitrag von Daniel Linke, LS für Trainingswissenschaft und Sportinformatik, TUM
Redaktionelle Mitarbeit: Fabian Kautz

Für die Erfassung und Auswertung von Daten kommen im Spitzensport verschiedene Systeme zum Einsatz, allerdings sind diese unterschiedlich präzise. In einer Validierungsstudie untersuchte die TU München 2016 die Präzision der einzelnen Systeme. Mehr über die Studienergebnisse und die Funktionsweise der Messsysteme.

Umfangreiche Analysen im Sport

Fußball bewegt Deutschland. Rund 12,7 Millionen Zuschauer verfolgten in der Saison 2016/17 die Partien der Bundesliga live im Stadion, insgesamt erzielten die 18 Vereine in dieser Spielzeit einen Umsatz von 3,24 Milliarden Euro. Wenn im Juni in Russland die Weltmeisterschaft angepfiffen wird, richten sich die Augen auf die 48 Mannschaften, die dort um den Titel kämpfen. Die Analyse in einer Sportart geht längst über das reine Endergebnis hinaus. Nahezu sämtliche Aktionen der Spieler auf dem Feld werden erhoben – von gespielten Pässen über geführte Zweikämpfe bis hin zur Laufstrecke in einer Partie und der Maximalgeschwindigkeit.

Messsysteme zur Erfassung und Analyse von Daten

Für die Strecken und Geschwindigkeitsmessungen werden Positions- und Aktionsdaten erfasst und ausgewertet. Dies kann mit drei unterschiedlichen Systemen erfolgen:

  • Positionserkennungen via Bilderkennung,
  • via Global Positioning System (GPS)
  • und Local Positioning System (LPS).

Doch: Welches System liefert mit der größten Präzision Daten?

Studie zur Validierung der Präzision

An der Technischen Universität München geht das Team von Professor Martin Lames vom Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik unter anderem dieser Frage nach. Dafür wurde beispielsweise im Oktober 2016 im Augsburger Rosenau-Stadion eine Studie zur Validierung der Präzision durchgeführt. Dabei wurden sieben verschiedene Systeme getestet.

Spieldaten werden im Profifußball bisher vornehmlich mit kamerabasierten Tracking-Systemen erfasst, denn das Fußball-Regelwerk des Weltverbandes FIFA gestattet erst seit 2015 das Tragen von Sensoren am Körper während Spielen. Für die Analyse von Trainingsleistungen werden dagegen vermehrt sensorbasierte Lösungen, wie GPS und lokale funkbasierte Technologien eingesetzt.

Positionsdetektion via Bilderkennung

Die sehr etablierte Analyse von Bildern und Aufnahmen statischer Kameras ist aufwändig. Zunächst müssen bis zu 16 Kameras am Stadiondach installiert werden. Die Bilder jeder einzelnen Kamera werden dann synchronisiert, perspektivisch korrigiert und in ein Panoramavideo zusammengesetzt. Im nächsten Schritt wird ein Modell des Fußballfeldes kreiert, mit dem die exakte Position der Kameras, deren Blickwinkel und deren Zoom bestimmt wird. Hieraus wird dann ein virtuelles Modell des Spielfeldes generiert, das die Grundlage für die Errechnung der Positionsdaten jedes einzelnen Spielers in x- und y-Koordinaten ist.

Funktionsweise der Bilderkennung

Um nun Spielerdaten zu sammeln, wird für jedes Objekt (Spieler) ein begrenzender Rahmen erstellt. Dieser umschließt das gesamte Objekt in Form eines möglichst kleinen Rechtecks. Das so entstehende sogenannte „Cluster“ enthält diverse Informationen wie etwa die Anzahl und Farbe der Pixel, die das Objekt auf dem Kamerabild definieren. Um eine möglichst hohe Genauigkeit bezüglich der Positionsbestimmung zu erzielen, arbeiten die Systeme ergänzend mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsalgorithmen. Diese lassen die vorherigen Bewegungen des getrackten Objektes in die aktuelle Positionsbestimmung mit einfließen.

Zudem „lernt“ das System die Farben der beiden Teams und der Schiedsrichter. Dabei wird für jede Mannschaft sowie die Schiedsrichter ein Farbspektrum definiert. Da Trikotkombinationen und Umgebungsbedingungen von Spiel zu Spiel stark variieren, muss der Trackingalgorithmus unmittelbar vor dem Spiel, z. B. während der Vorbereitungszeit oder beim Einlaufen der Teams, trainiert werden.

Vor- und Nachteile des kamerabasierten Trackings

Die entsprechenden Statistiken werden dann entweder mit hohem Personalaufwand live erfasst oder sind erst einige Tage später verfügbar. Von einem vollautomatischen Betrieb sind alle Systeme derzeit weit entfernt. Denn Probleme bei der optischen, kamerabasierten Erkennung treten beispielsweise bei Eckbällen auf, wenn sehr viele vorab definierte Objekte (Spieler) auf engem Raum sind – und dabei auch noch kreuzende Wegstrecken haben.

Kommerzielle Anbieter reagieren hierauf mit hohem Personalaufwand. Beispielsweise kontrollieren Mitarbeiter während der Partie, ob Spieler (noch) korrekt zugeordnet sind und korrigieren Fehler. Für die Datenerhebung benötigt man somit mehrere gut geschulte Analysten, die dafür sorgen, dass alle kritischen Aktionen (z.B. Zweikämpfe) fehlerfrei codiert werden. Das – und die Tatsache, dass mehrere Kameras auf dem Stadiondach installiert werden müssen – macht die Methode teuer. Insgesamt ist das Tracking-Vorgehen damit weder effizient noch robust.

Ein Vorteil ist dagegen, dass durch das Video-Tracking keine zusätzlichen Sensoren am Körper getragen werden müssen und die Methode damit den Athleten nicht beeinflusst und auch das Verletzungsrisiko nicht erhöht.

Positionsdetektion via Global Positioning System (GPS)

Eine zweite Möglichkeit, Daten zu erheben, besteht in der GPS-Messung.

Im Sport kommen GPS-Systeme vorwiegend im Training zum Einsatz. Frühere Versuche mit 1 bzw. 5 Hz Systemen zu arbeiten führten aufgrund der hohen Ungenauigkeit dazu, dass mittlerweile hauptsächlich Systeme mit einer Erhebungsfrequenz von 10 Hz verwendet werden. Doch obwohl die FIFA seit 2015 entsprechende Systeme auch während Spielen gestattet, werden diese von Profi-Teams bisher ausschließlich im Training eingesetzt.

Ein entscheidender Grund dafür ist mitunter, dass die Signalqualität von GPS Systemen in modernen Stadien deutlich schlechter ist als auf weitflächigen Trainingsgeländen. Dennoch zählen GPS Systeme aufgrund ihrer einfachen Handhabung und vergleichsweise günstigen Anschaffungs- und Betriebskosten zu den am häufigsten im Einsatz befindlichen Trackingtechnologien im Sport.

Positionsdetektion via Local Positioning System (LPS)

Das LPS ermöglicht es, die Position von Objekten (Sendern) mit Hilfe elektromagnetischer Wellen innerhalb eines definierten Raumes (Koordinatensystem) zu bestimmen.

Dabei wird die Entfernung des Senders über die Laufzeit des Signals zur Empfangsantenne ermittelt. Die Empfangsantennen werden um das zu beobachtende Spielfeld installiert und sind somit mit „lokalen“ Satelliten vergleichbar. Die Funktionsweise von LPS ist damit vergleichbar mit der des GPS, wobei LPS eine lokale Infrastruktur verwendet. Dies bietet den Vorteil, dass LPS sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien angewendet werden kann. Das Sendersignal wird über Antennen, welche sich zusammen mit dem Sender in einer Weste befinden, übertragen und limitiert die Bewegung des Athleten nicht.

Neuere Systeme können aufgrund kleinerer Bauweise und integrierter Antennen fast überall am Körper angebracht werden (z.B. Kinexon, RedFIR).

Validierungsstudie

Aufgrund der ständig steigenden Relevanz von Tracking-Daten für Trainerteams und Sportwissenschaftler stellt die Überprüfung der Genauigkeit und Präzision dieser Tracking-Systeme einen wichtigen Beitrag dar. Deshalb wurden von der TU München im Rahmen einer groß angelegten Validierungsstudie die Qualität von diversen auf dem Markt befindlichen Tracking Systemen mittels eines millimetergenauen Referenzsystems (VICON motion capture system) analysiert.

Es stellte sich heraus, dass GPS Systeme die Position eines Sportlers im Raum auf etwa 1 m genau bestimmen können, wohingegen die Video- und Radartechnologie eine Präzision von ca. 50 cm, bzw. 20 cm erreichen – und somit vorteilhaft sind. Allen Technologien gemein ist, dass die so erhobenen Spieldaten eine Vielzahl an sportwissenschaftlichen Erkenntnissen (z.B. Beschleunigungen, Laufwege) ermöglichen, auf deren Grundlage taktisches Verhalten, individuelle Spielstärken/-schwächen oder die Dynamik des Wettkampfs valide rekonstruiert und später im Trainingsprozess gezielt optimiert werden kann.

Darüber hinaus kann durch die gewonnenen Daten eine für den Zuschauer interessantere mediale Berichterstattung gestaltet werden. Denn Fußball bewegt Deutschland.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2018 März/April