Zukunft der Energie

Beitrag von Sasha Disko-Schmidt, Deutsches Museum München

Dass Technik eine große Rolle in Zukunftsvisionen spielte, mag heute niemanden verwundern. Die rasante Entwicklung der Technik Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jh. brachte utopische und dystopische Zukunftsbilder hervor, die vom Verhältnis zwischen Mensch und Technik erzählten. Was im Rückblick erstaunen lässt, ist welche zentrale Rolle die Energieversorgung dabei einnahm.

Rückschau auf vergangene Zukünfte

In seinem Werk ‚Anno 2066‘ macht der holländische Mediziner Pieter Harting einen Zeitsprung von 200 Jahren. Die Reise beginnt in Groß-London, eine von Glasdächern überzogene Stadt. Was wir heute „Wärmewende“ bezeichnen, hat 2066 die „Gesellschaft für die Vertheilung erwärmter Luft“ durch Geo- und Solarthermie und Wärmetauscher längst vollzogen. Die Nutzung von Kohle, u.Ä., verschwand, auch im Verkehrssektor. Den Menschen gelang es, erneuerbare Energien zu speichern und sie als abgasfreie Antriebsmittel einzusetzen: Man legte „der lebenden Kraft, die in unerschöpflichen Mengen da ist, temporäre Fesseln“ an [1].

Eine andere Aussicht bietet Maximilian Plessner in seiner 1893 veröffentlichten Schrift [2]. Auch er betont „die Notwendigkeit der Ersetzung des Dampfes als Betriebskraft durch sensible Naturkräfte“, besonders die Windkraft. Mit Parolen, die einem Fridays-for-Future-Pamphlet entnommen werden sein könnten, appellierte der preußische Hauptmann a.D. an das Gewissen der Menschheit: „Es kann aber nur als verabscheuungswerter Egoismus betrachtet werden, sich um die Geschicke der Nachkommen nicht zu kümmern, und ihnen, im sicheren Gefühle der eigenen Straflosigkeit, die empfindlichsten Nachteile zuzufügen“. Seine Lösung: die „angemessene Dienstbarmachung der lebendigen Naturkräfte“, v.a. die Umwandlung kinetischer Windenergie in elektrische Antriebskraft.

In dem Sammelband ‚Die Welt in 100 Jahren‘, beschäftigt sich der amerikanische Chemiker Hudson Maxim mit neuen Energiequellen. Er stellt sich „eine Art Motor, der die Wärme nutzbar machen kann, die von Sonnenstrahlen ausgeht“ vor. Aber auch die Dienstbarmachung von strahlender Materie soll die Menschheit die Möglichkeit geben, „bis in alle Ewigkeit hinein die Welt damit zu erleuchten, erwärmen und befahren“. Dann würde „die Erde nichts als Spielplatz sein und jedes Land und jedes Meer wird unter der Hand des Menschen und der Führung des menschlichen Hirns pulsieren und vibrieren“[3].

1927 verkündete Anton Lübke, dass „das Zeitalter der Elektrizität“ bis zum Jahr 2000 eintreten würde. Beispielsweise durch die Erzeugung von Energie in Flutkraftwerken, würden „die mit Petroleum betriebenen Motorfahrzeuge … durch elektrisch getriebene Autos und Lastfuhrwerke“ verdrängt. Mit Themen wie „Vulkankraftwerke“ und „Die Aufspeicherung des Sonnenlichtes in Lichtakkumulatoren“ wird in zwei Drittel der Kapitel die Frage des post-fossilen Zeitalters explizit behandelt [4].

Immergrüne Energiedebatten

Wieso war damals Energie ein zentrales Anliegen für die Zukunftsprognostiker? Obwohl das Argument der Ressourcenknappheit klar dominierte, war sie dennoch nicht der einzige Beweggrund für Überlegungen zu neuen Energietechniken. Flüchtig zwar, werden in allen vier Darstellungen die negativen Folgen des Kohleverbrauchs thematisiert. Maxim schreibt: „Aber nicht die Gefahr des Kohlenmangels allein droht uns, wir werden auch, wie es Lord Kelvin prophezeit hat, unsere Luft dabei völlig verbrannt haben […] die Luft würde schon bis zum Ersticken mit Kohlensäure angefüllt sein“. Als Verfechter der Nutzung der „sensiblen Naturkräfte“ schlägt Plessner vor, „einzelne Exemplare aller feststehenden und beweglichen Dampfmotoren in den technischen Museen“ aufzubewahren, „um kommenden Geschlechtern vor Augen zu führen, mit welchen luftverpestenden und auf weite Strecken die Vegetation vernichtenden kinematischen Monstrositäten ihre Vorfahren sich behelfen mussten...“. Somit wird klar: Die Visionen der Vergangenheit haben nichts an ihrer Aktualität verloren.

Literatur

[1] Harting, Pieter, Anno 2066, Weimar 1866, hier S. 9; 21.

[2] Plessner, Maximilian, Ein Blick auf die großen Erfindungen des zwanzigsten Jahrhunderts, Bd. 2: Die Dienstbarmachung der Windkraft für den elektrischen Motorenbetrieb, Berlin 1893, hier S. 25-26; S. 38-39.

[3] Maxim, Hudson, „Das 1000-Jährige Reich der Maschinen“ in Brehmer, Arthur, Die Welt in 100 Jahren, Hildesheim [1910] 2010, hier S. 17-18.

[4] Lübke, Anton, Technik und Mensch im Jahr 2000, München 1927, hier S. 231.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 02/2024 MÄR/APR

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