Künstliche Intelligenz

Eine Übersicht über aktuelle Entwicklungen und Anwendungen

Beitrag von Jörg Bienert, Vorsitzender Bundesverband KI

Ein bedeutender Moment, oft als der „iPhone-Moment der KI“ bezeichnet, ereignete sich im November 2022. OpenAI stellte ChatGPT vor, einen auf dem Large Language Model GPT-3.5 basierenden Chatbot, der in der KI-Gemeinschaft und darüber hinaus rasch für Aufsehen sorgte. Ohne große Marketingaktivitäten erreichte dieser Dienst innerhalb weniger Wochen eine Nutzerbasis von 100 Millionen Menschen und wurde damit zum am schnellsten wachsenden Service aller Zeiten.

ChatGPT wurde unter Verwendung einer enormen Datenmenge trainiert, die unter anderem einen fast vollständigen Abzug des Internets umfasste, und nutzte dabei einen der schnellsten Supercomputer der Welt. Obwohl das System im Grunde nur statistisch Wörter aneinanderreiht, beeindruckt es durch sein tiefes Wissen, auch wenn dieses nicht immer fehlerfrei ist und gelegentlich zu sogenannten „Halluzinationen“ führen kann.

Parallel dazu haben sich im vergangenen Jahr die Modelle zur Bildgenerierung enorm weiterentwickelt. Systeme wie Midjourney, Stable Diffusion und Dall-e 3 erzeugen Bilder in fotorealistischer Qualität, basierend auf Texteingaben.

Aktuelle Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz

Ein herausragendes Ereignis in der jüngsten Geschichte der KI war die Vorstellung von GPT-4 durch OpenAI im Februar 2023. Besonders bemerkenswert ist die multimodale Fähigkeit des Modells, die es ihm ermöglicht, Inhalte und Kontext aus Bildern zu erkennen und verbal zu beschreiben.

Im November 2023 kündigte OpenAI weitere Verbesserungen in der Performance von GPT-4 an. Zusätzlich zu diesen Leistungssteigerungen wurden neue Funktionen vorgestellt, darunter die Möglichkeit für Nutzer, eigene Modelle auf Basis von GPT-4 zu entwickeln.

Wirtschaftliche Potenziale der Künstlichen Intelligenz

Schätzungen von Goldman Sachs zeigen auf, dass durch den Einsatz generativer KI-Technologien ein zusätzliches Wachstum des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) um etwa 7% erzeugt werden könnte. Diese Zahlen verdeutlichen das enorme Potenzial der KI, nicht nur als technologische Innovation, sondern auch als bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Im Unternehmenseinsatz kann KI in drei Hauptbereichen Mehrwerte schaffen:

  • Effizienzsteigerung von Prozessen: KI-Anwendungen können in allen Branchen und über alle Bereiche der Wertschöpfungskette hinweg zur Effizienzsteigerung beitragen. Beispiele hierfür sind die Automatisierung von Routineaufgaben, die Optimierung von Lieferketten, die Verbesserung der Produktionsprozesse und die intelligente Datenanalyse, die zu schnelleren und fundierteren Entscheidungen führt.
  • Entwicklung neuer KI-basierter Produkte und Geschäftsmodelle: Unternehmen nutzen KI, um innovative Produkte zu entwickeln und neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Dies reicht von personalisierten Dienstleistungen bis zu intelligenten Produkten.
  • Verbesserung der Kundenkommunikation und des Services: KI ermöglicht eine personalisierte und effiziente Kundenkommunikation. Chatbots und virtuelle Assistenten bieten beispielsweise rund um die Uhr Kundensupport.

Die KI-Technologie ermöglicht Unternehmen, schneller, effizienter und kundenorientierter zu agieren, was wiederum zu einem nachhaltigen Wachstum und Wettbewerbsvorteilen führt.

Regulatorik und Ethik – Der European AI Act

Am 8.12.23 wurde in Brüssel der European AI Act verabschiedet. Ziel ist, dass die auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebrachten und verwendeten KI-Systeme sicher sind und die bestehenden Grundrechte und Werte der Europäischen Union wahren.

Zur Förderung von Investitionen in KI soll Rechtssicherheit gewährleistet sein und die wirksame Durchsetzung des geltenden Rechts zur Wahrung der Grundrechte, sowie die Sicherheitsanforderungen an KI-Systeme müssen gestärkt werden. Die Konstruktion des AI Acts basiert hauptsächlich auf der Regulierung von KI-Anwendungen, die in Risikoklassen kategorisiert werden. Einige wenige Anwendungsarten wie z.B. Social Scoring fallen in die Kategorie der Verbotenen Applikationen von KI. Die meisten Anwendungen werden wahrscheinlich als Low Risk, oder Minimal Risk eingestuft. Hierfür müssen keine oder lediglich geringe Dokumentationspflichten erfüllt werden.

Besonderes Augenmerk erfordert die Klasse der High-Risk Anwendungen zu denen z.B. KI Software in der Personalauswahl und der Einsatz in kritischen Infrastrukturen gehören. Hier sind umfangreiche Maßnahmen zur Qualitätssicherung, zum Testen und zur Dokumentation erforderlich.

Obwohl die Maßnahmen erst in 24 Monaten greifen, müssen Unternehmen sich bereits jetzt darauf vorbereiten und eine AI Governance etablieren. Diese soll den Umgang mit KI-Applikationen regeln und eine umfassende Verwaltung aller Applikationen sowie deren Risikoeinschätzungen und Dokumentationen sicherstellen.

Ausblick – Zukünftige Entwicklungen und Handlungsbedarf

Die Entwicklung der KI schreitet in atemberaubendem Tempo voran und wird derzeit vor allem von Unternehmen aus den USA und China dominiert, die massive Investitionen in diesem Bereich tätigen. Diese Dynamik birgt das Risiko, dass Europa in der KI-Technologie ins Hintertreffen gerät und in ähnlicher Weise wie im Bereich der Cloud-Services von Anbietern aus Übersee abhängig wird. Um die digitale Souveränität Europas zu wahren, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir eigene, wettbewerbsfähige europäische FoundationModelle entwickeln. Es gibt bereits einige vielversprechende Ansätze, z.B. durch deutsche Startups wie Aleph Alpha und Nyonic, das französische Unternehmen Mistral und Open-Source-Modelle wie Bloom und OpenGPTX.

Diese europäischen Initiativen stehen jedoch vor Herausforderungen: Die Investitionen in diese Unternehmen sind im Vergleich zu ihren amerikanischen und chinesischen Pendants noch gering. Oft mangelt es an Zugang zu den erforderlichen Rechenkapazitäten auf Supercomputern.

Vor diesem Hintergrund hat der KI Bundesverband die Initiative LEAM (Large European AI Models) ins Leben gerufen. Das Ziel dieser Initiative ist es, in Deutschland eine eigene dedizierte KI-Supercomputing-Infrastruktur zu schaffen. Dieser Schritt ist entscheidend, um die Entwicklung von Hochleistungs-KI-Modellen in Europa zu unterstützen und die Abhängigkeit von nicht-europäischen Technologien zu verringern.

Um in der globalen KI-Landschaft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen europäische Länder und Unternehmen nicht nur in Forschung und Entwicklung investieren, sondern auch die erforderliche Infrastruktur aufbauen. Dies umfasst nicht nur technische Ressourcen wie Supercomputer, sondern auch die Schaffung eines förderlichen regulatorischen und finanziellen Umfelds, das Innovationen unterstützt und zugleich ethische und gesellschaftliche Aspekte berücksichtigt.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 02/2024 MÄR/APR

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