Fernerkundung stellt Vertrauen in CO2 -Zertifikate wieder her

Beitrag von Caroline Busse, M.Sc. Nadar GmbH Leipzig

Die Idee des globalen CO2-Markts ist es, Mittel in die kosteneffizientesten Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen zu lenken, während gleichzeitig ein Preis auf Verschmutzung gesetzt wird und Anreize gesetzt werden, weniger zu emittieren [1].

Aufgrund fragwürdiger Projekte ist der CO2-Markt in den letzten Jahren in Verruf geraten. Zudem machen antiquierte Methoden den globalen Markt träge, da meist nur große Projekte finanzierbar sind. Digitale MRV Anbieter wie Nadar sorgen mittels Satellitendaten für Transparenz und neues Vertrauen im Markt.

Wie funktioniert der freiwillige CO2-Markt?

Der freiwillige CO2-Markt oder auch Voluntary Carbon Market (VCM) besteht neben dem verpflichtenden CO2-Markt (Compliance Market), und ermöglicht es Unternehmen, ihre Emissionen über die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprojekten zu kompensieren. Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) bildet hierfür die Grundlage. Unter den Klimaschutzprojekten gibt es drei Projekttypen mit Waldbezug; Afforestation, Reforestation and Revegetation (ARR), Improved Forest Management (IFM), und Reduced Emissions from Deforestation and Degradation (REDD+).

Alles nur heiße Luft?

In den letzten Jahren ist der VCM vermehrt in die Kritik geraten. Studien und Medienberichte erheben Greenwashing Vorwürfe und bemängeln insbesondere REDD+ Projekte im globalen Süden, bei denen das Entwaldungsrisiko oftmals überschätzt wird, um mehr CO2-Zertifikate auszuschütten; sogenannte „phantom credits” die keine realen Emissionsreduktionen darstellen. Ein prominentes Beispiel ist das Tumring REDD+ Projekt in Kambodscha, bei dem über 37% des Waldes abgeholzt, aber weiterhin CO2-Zertifikate ausgeschüttet wurden.

Ein Kernproblem des VCM liegt in dem Interessenkonflikt von Projektentwicklern, die gleichzeitig verifizieren, wie viel CO2 in den Bäumen gebunden ist und an dem Verkauf von CO2-Zertifikaten verdienen.

Antiquierte Methoden zur CO2-Bestimmung

Ein weiteres Problem des VCM liegt an den antiquierten Methoden, die zur Bestimmung der Biomasse und CO2-Speicherung eines Projekts angewandt werden. Diese Methoden beruhen auf der stichprobenartigen Aufnahme von Forstinventur Daten; es werden Parameter wie Baumhöhe oder Durchmesser manuell im Feld bestimmt und daraus mittels allometrischer Gleichungen die Biomasse bestimmt. Durch Stratifizierung werden diese Daten dann auf die gesamte Waldfläche skaliert. Diese Methoden zur Validierung von Emissionsreduktionen sind meist sehr zeit- und arbeitsintensiv, und es ist unmöglich, mit ihnen große geografische Gebiete zu erfassen [2]. Durch die damit verbundenen hohen Investitionskosten konnten bisher meist nur große Akteure vom CO2-Markt profitieren.

Digitales MRV für mehr Transparenz im VCM

Digitale MRV (Monitoring, Reporting und Verification) Ansätze gehen dieses Problem an und bieten eine digitale Lösung zur Bestimmung der oberirdischen Biomasse. Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von DMRV Technologien ermöglichen die Generierung datengetriebener CO2-Zertifikaten, die die Integrität des globalen CO2-Markts erhöhen und zur Beschleunigung von Waldklimaschutzlösungen führen.

Satellitengestützte Validierung der Biomasse

Ein wesentlicher Bestandteil von dMRV Lösungen ist die satellitengestützte Validierung der Biomasse, die die Bedarf an Felddaten als Referenzdaten auf ein Minimum reduziert, wodurch jedes Waldgebiet auf der Welt kostengünstig überwacht werden kann.

Bei Nadar fusionieren wir optische, Radar und LiDAR Daten aus verschiedenen Quellen zur Bestimmung der oberirdischen Biomasse. Wir nutzen multispektrale Daten zur Bestimmung der Waldfläche, dem Maskieren von gerodeten oder geschädigten Flächen, in Europa beispielsweise durch Borkenkäferbefall oder im globalen Süden durch illegale Entwaldung. Satellitengestützte Datenquellen sind hierbei Sentinel-2 der ESA und Landsat der NASA. RADAR (RAdio Detection And Ranging) Sensoren bieten strukturelle Daten über Wälder unabhängig von Wetterbedingungen wie Bewölkung oder Nebel. Bekannte Missionen sind Sentinel-1 oder ALOS-2/PALSAR-2. LIDAR (Light Detecting and Ranging) Sensoren liefern zudem 3D-Daten über die vertikale Baumstruktur wie die Baumhöhe durch das Aussenden von Laserpulsen. GEDI ist eine satellitengestützte LIDAR Mission.

Nader‘s digitale MRV Lösung

Unser Fokus bei Nadar liegt in der Qualität unserer Analysen, die wir an das jeweilige Ökosystem maßschneidern. Es bestehen unterschiedliche Anforderungen an ein REDD+ Projekt von 100.000 Hektar im brasilianischen Regenwald versus ein IFM Projekt in der Schweiz von ein paar 100 Hektar. Diese Komplexität kommt bei den großen Standards leider zu kurz; bei Verra existiert nur eine einheitliche Methodik zur Bestimmung von oberirdischer Biomasse mittels Fernerkundung [3], ungeachtet der Größe der Waldfläche.

Für kleine Waldgebiete in Europa haben wir eine innovative Methodik zur Bestimmung der Biomasse auf Einzelbaumebene entwickelt. Durch Künstliche Intelligenz können wir mittels Luftbildern oder hochaufgelösten Satellitenbildern die einzelnen Baumkronen segmentieren,Nadel- und Laubbäume klassifizieren sowie die einzelnen Baumarten erkennen. Durch Fusion mit hochaufgelösten Airborne Laserscanning (ALS) Daten mit einer hohen Punktdichte generieren wir die Baumhöhe und leiten daraus die Biomasse mittels allometrischer Gleichungen baumartenspezifisch ab.

Mit dieser innovativen Methodik haben wir die Biomasse in einem Wald in der Schweiz auf Einzelbaumebene bei einem Meter räumlicher Auflösung mit einem Bestimmtheitsmaß (R2) von über 0.8 bestimmt. Laut unserer Analyse speichert der Wald nur knapp 100 Tonnen Carbon pro Hektar aufgrund der durch Borkenkäferbefall bedingten Kahlflächen. Unsere Berechnungen fielen deutlich niedriger aus als die der landesweiten Forstinventur, die die Biomasse aus Inventurdaten abschätzt. Als Resultat dürften die Förster eigentlich gar nicht die bestehende Menge an Holz abholzen, um die Senkenleistung der Wälder aufrechtzuerhalten.

Der Vorteil unserer Methodik liegt in der genaueren Verifizierung der Menge an gespeichertem CO2, was wiederum zu einer genaueren Ableitung der Anzahl an verkauften CO2-Zertifikaten führt. Dadurch werden „phantom offsets” vermieden und es können nur so viele Zertifikate erworben werden, wie reales CO2 in Wäldern gebunden ist. Auf diese Weise können wir das Vertrauen in den Markt stärken, wodurch Gelder in realen Klimaschutz sowie in nachhaltige Aufforstung und Waldschutz fließen.

 

Digitale Entwicklungen im globalen CO2-Markt

Als Reaktion auf die negativen Entwicklungen im CO2-Zertifikate Markt sind in den letzten Jahren neue Standards entstanden, wie der Ecosystem Restoration Standard, der von Anfang an auf digitale MRV Lösungen zur Validierung von Biomasse setzt. Zudem sind neue Radar Sensoren geplant, wie die Biomass Mission der ESA, die in Zukunft eine noch genauere Bestimmung von Biomasse mittels Satellitendaten ermöglichen werden.

Literatur

[1] Bayon, R. et al.: Voluntary Carbon Markets An International Business Guide to What They Are and How They Work. In: Routledge (S. 3-4), London, 2007.

[2] Lu, D. et al.: A survey of remote sensing-based aboveground biomass estimation methods in forest ecosystems, International Journal of Digital Earth, 2016.

[3] Verra.: VT0005 Tool for Measuring Aboveground Live Forest Biomass using Remote Sensing, v1.0, 2015.

[4] Stevens. J. (Nasa Earth Observatory) et al.: GEDI sees to, and through, the trees in South Carolina, 2019. Abgerufen am 20.11.2023 unter: https://earthobservatory.nasa.gov/images/144818/returnof-the-gedis-first-data

[5] Bundesamt für Landestopografie swisstopo: swissSURFACE3D, 2020.

 

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 02/2024 MÄR/APR

Hier finden Sie weitere Beiträge zum Thema "Technologien der Zukunft"