Die neue europäische Schutzoption macht unser Angebot noch attraktiver

Interview mit Eva Schewior, Präsidentin des Deutschen Marken- und Patentamtes.

Technik in Bayern: Welche Auswirkungen oder Veränderungen erwarten Sie für das Deutsche Marken- und Patentamt (DPMA) konkret in Bezug auf das am 1. Juni 2023 in Kraft getretene Einheitspatentsystem, das eine neuartige und ggf. attraktive Möglichkeit für europaweiten Patentschutz bietet?

Eva Schewior: Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft des deutschen Patents und des DPMA – im Gegenteil. Der deutsche Markt ist für die meisten Unternehmen strategisch von herausragender Bedeutung. Und die neue europäische Schutzoption macht unser Angebot eher noch attraktiver. Zum einen, weil sich in Kombination mit den europäischen Optionen auch im deutschen Patentsystem neue Möglichkeiten ergeben. Anmelderinnen und Anmelder können ihre Erfindungen künftig sowohl europäisch als auch national patentieren lassen. Wird ein Patent auf europäischer Ebene juristisch angefochten und für nichtig erklärt, besteht der Schutz in Deutschland fort. Zum anderen bringen die tiefgreifenden Neuerungen zunächst auch Unsicherheiten mit sich: In Deutschland sind durch eine langjährige, gefestigte nationale Rechtsprechung sowohl die Entscheidungskriterien als auch die Entscheidungen selbst transparent und nachvollziehbar. Hier wird das neue Einheitliche Patentgericht Aufbauarbeit leisten müssen. Es wird aber in den ersten Jahren zwangsläufig offene Fragen geben. Da bieten wir mit unserem starken deutschen Patent eine solide und verlässliche Schutzoption. Auch Qualität und Flexibilität des deutschen Verfahrens sprechen für uns: Wir beim DPMA konzentrieren uns bei der Prüfung stark auf den technischen Gehalt der Anmeldung. Zudem erlaubt es das deutsche Patentsystems, ab dem Anmeldetag bis zu sieben Jahre lang ein kostengünstiges Prüfungsverfahren anzustoßen, in dem Anmelderinnen und Anmelder den Schutzbedarf im Rahmen der Ursprungsoffenbarung bis zur Patenterteilung jederzeit anpassen können. Aus meiner Sicht werden sich nationales und europäisches System eher ergänzen als dass sie miteinander konkurrieren.

TiB: Erfindungen im Softwarebereich sind per Gesetz vom Patentschutz ausgeschlossen. Dennoch entstehen die meisten, insbesondere wirtschaftlich relevanten Innovationen mittels Softwareapplikationen, ein Trend, der sich durch künstliche Intelligenz verstärken wird. Wie steht das DPMA zu Softwareerfindungen und gibt es Bestrebungen, Möglichkeiten zum Schutz von Softwareerfindungen zu verbessern?

Schewior: Ich bin dankbar für diese Frage, weil ich so dieses immer noch weit verbreitete Missverständnis aufklären kann: Dass Erfindungen im Softwarebereich per Gesetz vom Patentschutz ausgeschlossen sind, ist so nicht richtig. Bestimmte Erfindungen wie insbesondere mathematische Methoden und Programme für Datenverarbeitungsanlagen sind zwar nicht patentierbar – aber eben nur dann, wenn hierfür als solche Schutz begehrt wird. Ist Software aber Teil von Vorrichtungen oder Verfahren, die der Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln dienen, dann ist sie auch schutzfähig. Das hat der Bundesgerichtshof mit seiner gefestigten Rechtsprechung geklärt.

Dank dieser rechtlichen Klarstellung sind wir auf die immer zahlreicheren computerimplementierten Erfindungen gut eingestellt. Schutzfähig wäre beispielsweise die softwaregestützte Auswertung und Aufbereitung medizinischer Bilddaten zur automatisierten Tumorerkennung als Vorbereitung einer ärztlichen Diagnose. Dass aber auch solche Erfindungen auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik geprüft werden müssen, versteht sich von selbst. Wir sehen hier sehr schön, dass das Patentgesetz der Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof so viel Freiraum lässt, dass wir in der Patentprüfung mit der Zeit gehen und dem jeweils aktuellen Stand der Technik gerecht werden können – auch in Bereichen wie der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz.

TiB: Künstliche Intelligenz spielt bereits in vielen Bereichen eine große Rolle. Wie nutzt das DPMA KI und in welchem Umfang wird das Patentwesen insgesamt durch KI beeinflusst werden?

Schewior: Das Herzstück unserer Arbeitsfähigkeit sind unsere IT-Systeme, die wir stetig verbessern. Durch unsere vollelektronische Arbeitsweise können wir auf die modernste unterstützende Technik zurückgreifen: Neben unserer elektronischen Schutzrechtsakte spielt Künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle für unsere Arbeit. Mit einem KI-gestützten Tool haben wir zuletzt alle in unserer Datenbank verfügbaren chinesischen, japanischen und koreanischen Patentdokumente – immerhin fast 70 Millionen – ins Englische übersetzt. Eine echte Arbeitserleichterung für unsere Prüferinnen und Prüfer. Auch in unserer Eingangsprüfung nutzen wir Künstliche Intelligenz, um Anmeldungen den jeweils richtigen Prüfungsstellen zuordnen zu können. Zudem unterstützt KI Prüferinnen und Prüfer bei ihrer täglichen Recherchearbeit. Hinzu kommt natürlich, dass wir mit den öffentlich zugänglichen vollelektronischen Datenbanken dafür sorgen, dass Schutzrechtsinformationen digital zur Verfügung stehen und mit KI-gestützten Tools weiterverarbeitet werden können. Das ermöglicht ganz neue Analysemöglichkeiten – und natürlich auch neue datenbasierte Geschäftsmodelle. Anders sieht es unserer Ansicht nach in unserem Kerngeschäft, der Patentprüfung, aus. Wir schätzen KI als unterstützendes Werkzeug sehr. Die kognitiven Anforderungen an die Prüfung sind aber so hoch, dass bisher existierende Künstliche Intelligenz das nicht leisten kann. Patentprüfung sich wird auf absehbare Zeit weiter von Menschen durchgeführt – und das ist auch gut so.

TiB: Das Rückgrat der Innovationstätigkeit in Deutschland sind kleine und mittelständische Unternehmen, deren Ressourcen für Patentschutz begrenzt sind. Welche Möglichkeiten bietet das DPMA, um diese Unternehmen beim Schutz ihrer Erfindungen zu unterstützen?

Schewior: Zweifelsfrei sichern kleine und mittlere Unternehmen mit ihrer Innovationskraft den Wohlstand in Deutschland. Als Deutsches Patent- und Markenamt sehen wir die vielen leistungsfähigen und innovativen KMU als eine ganz wichtige Kundengruppe. Seit Jahrzehnten informieren wir sie auf Messen und Kongressen, bieten Räumlichkeiten, in denen Erfindererstberatungen stattfinden können. Zudem arbeiten wir seit langer Zeit mit den Patentinformationszentren in den Bundesländern zusammen, die die Information über Schutzrechte in die Fläche tragen. Auch sie legen einen starken Fokus auf die Arbeit mit KMU. Wir freuen uns sehr, dass wir die Arbeit für kleine und mittlere Unternehmen nun deutlich ausweiten können. Seit Januar 2022 hat das DPMA erstmals ein gesetzliches Mandat, die Öffentlichkeit und insbesondere KMU, über Rechte des geistigen Eigentums und deren Schranken sowie über die Wahrnehmung und Durchsetzung dieser Rechte zu informieren. Ein neuer Arbeitsbereich in unserem Informationsund Dienstleistungszentrum Berlin ist nun zentraler Ansprechpartner für das Thema und koordiniert alle Aktivitäten. Wir entwickeln dort Informationsangebote und klären darüber auf, wie KMU Schutzrechte strategisch für sich nutzen können. Sie unterstützen die Unternehmen auch, wenn sie Förderprogramme in Anspruch nehmen wollen. Informationen zu den vorhandenen Fördermöglichkeiten gibt es auch im KMU-Informationsbereich auf unseren Internetseiten.

TiB: Welche Maßnahmen planen Sie, um das DPMA für die Zukunft fit zu machen und den Patentstandort Deutschland weiterhin attraktiv zu halten?

Schewior: Wichtige Impulse zum Wohle des Innovationsstandorts hat das 2022 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts gegeben. Den erweiterten Informationsauftrag des DPMA habe ich schon erwähnt. Aber auch die Modernisierung unserer Verfahren hat positive Wirkung – etwa die neu geschaffene Möglichkeit, online per Videokonferenz an Verhandlungen, Anhörungen und Vernehmungen teilzunehmen. Ein Schlüsselfaktor für die Attraktivität des Patentstandorts ist ganz sicher auch die Patentqualität. Die von uns erteilten Schutzrechte erfüllen im internationalen Vergleich höchste Standards. Das erwarten unsere Kundinnen und Kunden von uns, denn nur valide Patente stärken die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Diese Qualität ist unser Trumpf und wir wollen sie weiter ausbauen. Dabei setzen wir auf zwei Faktoren: den menschlichen, also unsere Patentprüferinnen und Patentprüfer, und den technischen, also unsere IT. Zu unseren modernen IT-Systemen habe ich ja schon einiges gesagt. Wir bemühen uns aber natürlich auch um hoch kompetentes Personal: Wer bei uns anfängt, hat ein abgeschlossenes Universitätsstudium in Ingenieurs- oder Naturwissenschaften und in der Regel fünf Jahre einschlägige Berufserfahrung. In einer dreijährigen Qualifizierung unter Anleitung erfahrener Mentorinnen und Mentoren lernen die Prüferinnen und Prüfer ihr Handwerk.

Eine fast schon existenzielle Aufgabe wird nun darin bestehen, weiter hoch qualifizierte Fachkräfte zu uns zu lotsen. Wir stehen im Wettbewerb mit international tätigen Hightech-Unternehmen – und behaupten uns bisher sehr gut. Denn wir bieten sehr attraktive orts- und zeitflexible Arbeitsmodelle, damit unsere Kolleginnen und Kollegen ihre Aufgaben bei uns bestmöglich mit ihren individuellen Lebensumständen vereinbaren können. Unseren Prüferinnen und Prüfer werden in der Regel als Beamte eingestellt und profitieren von guten Beförderungsmöglichkeiten. Informationen dazu und eine Dauerausschreibung für die Einstellung als Patentprüferin oder Patentprüfer gibt es auf unseren Internetseiten.

Die Fragen stellten Silvia Stettmayer und Manuel Soria Parra

Informationen

Eva Schewior ist Juristin und seit dem 1. Februar 2023 Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts

www.dpma.de

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