Patentrecherchen, Marktanalyse und Benchmarking

Beitrag von Steve Aurin, Integrate-IP GmbH

Wofür benötigt man eine Patentrecherche? Wie funktioniert eine Patentrecherche und welchen Nutzen bietet sie? Im Gebiet des geistigen Eigentums werden Patentrecherchen häufig eingesetzt, um das Potenzial von Erfindungen abzuschätzen. Regelmäßig werden auf der Grundlage von Patentrecherchen richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Dies gilt insbesondere im industriellen Umfeld.

Häufig gehen Erfinder davon aus, dass ihre aktuelle Idee brandneu und innovativ sein müsste. Es kommt jedoch nicht selten vor, dass einige Erfindungen und deren technische Merkmale bereits aus dem Stand der Technik bekannt sind. Ob eine Erfindung tatsächlich neu ist, wird daher häufig mittels einer professionellen Neuheitsrecherche bestimmt. Eine Neuheitsrecherche bezieht sich auf Informationen von weltweit zugänglichen Patentdatenbanken (Patentliteratur), so wie Informationen aus Nicht-Patentliteratur, wie beispielsweise wissenschaftliche Veröffentlichungen, Fachzeitschriften usw. Die gesammelten Informationen in Bezug auf die Erfindung werden analysiert und ausgewertet. Mittels dieses Rechercheergebnisses kann eine Einschätzung zur Patentfähigkeit einer Erfindung getätigt werden. Somit können kostenintensive Fehlinvestitionen in ein aussichtsloses Patentierungsverfahren vermieden werden. Somit kann eine Neuheitsrecherche insgesamt eine wertvolle Grundlage für einen Innovationsprozess bilden. Für den durchführenden Rechercheur einer derartigen Recherche besteht also im ersten Schritt die Herausforderung die Funktion einer Erfindung zu verstehen und die für diese Funktion essentiellen technischen Merkmale zu identifizieren. Auf Basis dieser technischen Merkmale beginnt dann die Suche nach dem sogenannten nächstliegenden Stand der Technik.

Einen völlig anderen Blickwinkel auf die Bedeutung von Recherchen bieten sogenannte zweiseitige Verfahren. Beispielsweise kommt sehr häufig die Situation vor, dass ein erteiltes Patent eines Wettbewerbers der kommerziellen Nutzung eines eigenen Produktes negativ im Wege steht. Im schlimmsten Fall drohen Schadensersatzansprüche gegen den Patentverletzenden, was hohe Kosten verursachen kann. Um die Rechtsbeständigkeit eines erteilen Patentes infrage zu stellen, stehen beispielsweise das Einspruchsverfahren oder das Nichtigkeitsverfahren vor den jeweiligen Ämtern zur Verfügung. In Vorbereitung auf ein solches Verfahren sollte eine Patentrecherche (auch Rechtsbeständigkeitsrecherche oder Validitätsrecherche genannt) durchgeführt werden. Im Vergleich zur Neuheitsrecherche ist eine derartige Patentrecherche für den durchführenden Patentrechercheur deutlich anspruchsvoller und mit einem höheren Aufwand verbunden, da insbesondere auch Nicht-Patentliteratur berücksichtigt werden sollte. Häufig arbeiten Rechercheure hier eng mit einem Patentanwalt zusammen, welcher dann auf Basis der Rechercheergebnisse die Rechtsbeständigkeit eines Patents einschätzen kann.

Neben den aufgeführten Recherchen bestehen noch zahlreiche weitere Arten von Patenrecherchen. Beispielsweise sind hier sogenannte FTO-Recherchen zu nennen. FTO steht hierbei für Freedom to Operate. Eine Freedom to Operate Recherche kann auch wie eine Art Verletzungsrisikorecherche verstanden werden. Das Ziel einer FTO-Recherche ist es Schutzrechte Dritter zu identifizieren, welche einer Herstellung oder einer Nutzung eines Produktes entgegenstehen. FTO-Recherchen gewinnen heutzutage immer mehr an Bedeutung: Beispielsweise müssen Zulieferer im Bereich der Automobilindustrie immer häufiger nachweisen, dass Ihr Produkt frei von Rechten Dritter ist und das Risiko einer Patentverletzung weitestgehend ausgeschlossen werden kann.

Besonders spannend: Eine Kombination aus Marktanalyse & Patentrecherche & Wettbewerbsanalyse!

Eine große Schwäche klassischer Patentrecherchen liegt in der Qualität der Basisinformationen. Zwar gibt es professionelle Recherchetools, welche auf nahezu jede Registerdatenbank weltweit zugreifen können. Jedoch werden Patentinformationen per Gesetz erst 18 Monate nach dem ersten Anmeldetag (Prioritätstag) in den Registerdatenbanken publiziert. Dies hat zu Folge, dass Patentinformationen weltweit erst mit einer entsprechenden Verzögerung von 18 Monaten recherchierbar werden. Für viele Fragestellungen eine ungenügende Antwort? Insofern könnte man die gesetzlichen Vorgaben als einen offensichtlichen Mangel der Datenqualität der Registerdatenbanken betrachten.

Fraglich ist somit, ob die Patentregister eine ausreichende Datenquelle für alle richtungsweisenden Entscheidungen darstellen. Hier bestehen durchaus große Zweifel. In jedem Fall besteht zumindest in Bezug auf die Aktualität von Daten ein Interesse zur Verbesserung.

Interessant ist hierbei die Idee tagesaktuelle Marktinformationen und Wettbewerbsinformationen mit Patentrecherchen kombiniert zu analysieren.

Klassische Markt- und Wettbewerbsanalysen bilden einen Teilbereich der Marktforschung. Beispielsweise werden täglich aktuelle Informationen zu Zielmärkten, wie Größe, Wachstum, Eintrittsbarrieren, Wettbewerbern aber auch zu deren Aktivitäten, Kooperationen und Innovationen publiziert. Durch die gezielte Kombination von Informationen aus diesen unterschiedlichen Datenquellen, lassen sich Nachteile in der Datenqualität einzelner Datenquellen größtenteils kompensieren.

Insgesamt verlässt der Rechercheur damit das klassische Gebiet der Patentrecherche und baut eine hochspannende Brücke zwischen Patentliteratur und Marktdaten. Beispielsweise lassen sich detaillierte Informationen zu Big Trends und New Technologies gewinnen, welche sich durch die skizzierte Kombination verschiedener Datenquellen erarbeiten lassen. Dies ist eine wertvolle Datenbasis um beispielsweise im industriellen Umfeld oder im Rahmen von M&A-Projekten richtungsweisende Entscheidungen treffen zu können.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 06/2023 NOV/DEZ

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