Der Ursprung des Patentrechts

Beitrag von Dr. Peter Kurz, Patentanwalt; Stuttgart

Lange Zeit war die Gemeinschaft der Technik- und Rechtshistoriker der Ansicht, das erste Patentgesetz der Welt sei das englische „Statute of Monopolies“ von 1624 gewesen. Dabei ging es in diesem Gesetz eigentlich um die Abschaffung der Monopole, welche von der englischen Krone zur Finanzierung des höfischen Lebens eingesetzt worden waren und die Dinge wie die Herstellung von Stahl oder Spielkarten und sogar das Eintreiben von Strafen umfassten. Nach einem Kampf zwischen Krone und Parlament sollte das Statute mit diesen Missständen aufräumen; lediglich für Patente wurde in der Sektion 6 eine Ausnahme gemacht. Dies war also eine Sonderregelung, kein Patentgesetz im eigentlichen Sinn. Und es umfasste nicht nur Erfindungspatente, sondern auch Einführungspatente (Patente auf von anderswo eingeführte Technologien, ein probates Mittel der frühen Neuzeit für den Technologietransfer). Sogar die Dauer der englischen Patente war darauf abgestimmt: 14 Jahre entsprachen zwei Lehrzeiten zu je 7 Jahren, so dass der Patentinhaber zwei Generationen von Lehrlingen ausbilden konnte.

Das erste Erfindungspatent der Welt

Die Situation änderte sich im Jahr 1839, als der deutsche Gelehrte Johann Wilhelm Gaye, der zehn Jahre in italienischen Archiven geforscht hatte, die Ergebnisse seiner Studien über die Korrespondenz italienischer Künstler als Publikation vorlegte. Darunter befand sich auch ein Patent für den Erbauer der Kuppel des Doms „Santa Maria del Fiore“ in Florenz, Filippo Brunelleschi. Bei diesem Patent, erteilt von der Signoria (Rat der Stadt Florenz) am 19. Juni 1421, ging es indes nicht um den Dom selbst, sondern um ein Transportschiff, um Marmor aus den Steinbrüchen in Carrara den Arno aufwärts zur Baustelle des Doms zu transportieren. Es handelt sich um eine originäre Erfindung Brunelleschis, also ein Erfindungspatent und kein Einführungspatent, und wird inzwischen allgemein als das erste Erfindungspatent der Welt angesehen. Interessant sind die Rechte, die Brunelleschi verliehen wurden: Der Stand der Technik wurde nämlich „eingefroren“, d. h. niemand durfte Schiffe einer noch nicht bekannten Bauart bauen – allerdings nur für die Dauer von drei Jahren. Wirtschaftlich war Brunelleschis Schiff allerdings ein Misserfolg: Es sank auf der Jungfernfahrt und kostete den Erfinder ein Drittel seines Vermögens. Ungewöhnlich dürfte es überdies gewesen sein, denn es hieß unter Zeitgenossen „Il Badalone“ (das Monster). Übrigens wurde der Text von Brunelleschis Patent erst im 20. Jahrhundert von der Patentgemeinschaft „wiederentdeckt“, denn Gayes Buch wandte sich ja primär an Kunsthistoriker!

Das erste Patentgesetz der Welt

Auch das erste Patentgesetz der Welt, die „Parte Veneziana“, ruhte viele Jahre im „Archivio di Stato“ in Venedig, bevor es 1936 von dem italienischen Professor Giulio Mandich wiederentdeckt wurde. Venedig hatte in der Tat einen signifikanten Bedarf an technischen Innovationen, seien es Wasser- und Windmühlen, Vorrichtungen zum Ausbaggern der Kanäle oder die Schiffstechnik im venezianischen Arsenal. Nachdem bereits einige Patente bzw. Privilegien erteilt worden waren – u. a. ein Einführungspatent für Johannes von Speyer, der Gutenbergs Buchdruck nach Venedig mitbrachte – entschloss sich der Senat im Jahr 1474, das Patentrecht zu kodifizieren. So entstand das erste schriftlich niedergelegte Patentgesetz der Welt, welches dem Erfinder (oder Technologieimporteur!) einen Rechtsanspruch auf Schutz zusprach. Deshalb ist es gerechtfertigt, von Patenten und nicht von Privilegien zu sprechen. Und es fasst auf einer einzigen Seite alle wesentlichen Elemente zusammen, die im Patentschutz so bis heute verwendet werden: Präambel, Erteilungsvoraussetzungen (Neuheit und Erfindungshöhe; Dauer: 10 Jahre) und die Strafen bei möglichen Patentverletzungen. Das modernere Europäische Patentübereinkommen benötigt hierfür 800 Seiten. Galileo Galilei erhielt übrigens im Jahr 1594 ein venezianisches Patent auf einen Pferdegöpel zum Heben von Wasser.

Literatur

Peter Kurz, Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, Köln 2000

Ross King, Das Wunder von Florenz, München 2003

Association Internationale pour la Protection de la Propriété Intellectuelle, La Legge Veneziana sulle Invenzioni, Milano 1974

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 06/2023 NOV/DEZ

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