Beitrag von Dr. Walter Rathjen
Das Deutsche Museum wurde 1903 gegründet, verzögert durch den 1. Weltkrieg aber erst im Mai 1925 eröffnet. Im Gründungsjahr steckte die Luftfahrt noch in den Kinderschuhen; so ist es verständlich, dass für diesen neuen Technikbereich eine nur mäßig große Ausstellungsfläche vorgesehen wurde. Bei dieser Fläche blieb es auch für die nächsten Jahrzehnte, obwohl angesichts der Entwicklung der Luftfahrt im und nach dem 1. Weltkrieg der Bedarf an Ausstellungsfläche rasch wuchs.
Das Deutsche Museum ist kein Spezialmuseum: Die umfassende Darstellung der Geschichte ist Sache eines nationalen Luftfahrtmuseums. In Deutschland übernahm diese Aufgabe die 1936 gegründete Deutsche Luftfahrt Sammlung Berlin. Deren Gebäude und ein Großteil der Ausstellungsobjekte wurden im 2. Weltkrieg zerstört; nur einige ausgelagerte Flugzeuge überlebten im Krakauer Museum [1]. Auch das Deutsche Museums wurde bombardiert; 80 Prozent der Bausubstanz und 20 Prozent der Ausstellungsobjekte gingen verloren. Unikate von Lilienthal, Wright, Grade und Blériot waren vorher ausgelagert worden und dadurch gerettet. Der Wiederaufbau der Luftfahrtausstellung zog sich bis 1969 hin, dann aber schon ergänzt durch eine Sonderausstellung Weltraumfahrt.
Im Jahre 1970 begann eine neue Phase für die Luft- und Raumfahrt im Deutschen Museum. Am 1. April trat der Architekt Theo Stillger das neu geschaffene Amt des Generaldirektors an. Als erstes großes Projekt nahm er die Neugestaltung der Luft- und Raumfahrtabteilung in Angriff und zwar mit radikal neuem Konzept: Da es kein nationales Luftfahrtmuseum mehr gab, übernahm das Münchner Museum die Aufgabe, die Geschichte der Luft- und Raumfahrt umfassend zu dokumentieren und darzustellen. Dieses Riesenprojekt nahm rund 10 Jahre in Anspruch und kostete gut 50 Millionen DM. Mit Hilfe eines Fachbeirates konnte eine repräsentative Sammlung aufgebaut werden [2]. Am 7. Mai 1984 wurde eine neue, rund 8000 qm große Halle von Bundeskanzler Helmut Kohl, Ministerpräsident Franz Josef Strauß und dem neuen Generaldirektor Dr. Otto Mayr eröffnet.
Die neuen Ausstellungsflächen waren groß genug, um das Wesentliche der Luftund Raumfahrt darstellen zu können. Zu den Aufgaben eines Museums gehören satzungsgemäß aber auch Sammlung und Bewahrung wichtiger Objekte. Die Entwicklung geht ja weiter. Für solchen Bedarf hatte sich das Museum schon einen Hangar auf dem Flugplatz Schleißheim als Depot angemietet. Diese Halle (wegen der von Hugo Junkers entwickelten „geodätischen“ Bauweise JunkersHalle genannt), war aber baufällig und somit nur ein Notbehelf.
Eine faszinierende Chance bot sich, als das Verteidigungsministerium 1980 sein Verfügungsrecht auf dem Flugplatz Oberschleißheim aufgab. Das Museum bewarb sich um das Gelände – mit Erfolg.
Zunächst ging es nur um die Nutzung der Junkers-Halle oder der historischen Flugwerft. Der Flugplatz war 1912 gegründet worden und hatte mit seinen Anlagen im 1. Weltkrieg als Ausbildungsstätte gedient. Gegen Ende des Krieges errichtete man noch eine bautechnisch interessante Werfthalle, deren Dachkonstruktion als Beispiel einer frühen EisenbetonBauweise gilt. Allerdings war die Halle inzwischen arg verfallen. Ein Gutachten bezeugte aber ihre historische Bedeutung. So konnte sie unter Denkmalschutz gestellt und die Restaurierung für förderungswürdig erklärt werden.
Ludwig Bölkow, führender Luftfahrtindustrieller und Vorsitzender des Fachbeirates des Museums setzte sich bei Ministerpräsident Strauß ein. Generaldirektor Dr. Otto Mayr bestätigte das Interesse des Museums, forderte aber eine völlig andere Größenordnung. „Die Flugwerft allein ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Um die neuen Aufgaben des Museums bewältigen zu können, benötige man Hallen von mehreren zehntausend Quadratmetern und eine leistungsfähige Restaurierungswerkstatt, einschließlich der Mitarbeiter im Vorführ- und Aufsichtsdienst und in den Werkstätten.
Besondere Unterstützung leisteten der 1983 gegründete Werftverein, der schon 1987 das Buch „Geflogene Vergangenheit“ herausgab [3] und die Stiftung Messerschmitt, die bei der Restaurierung der Flugwerft finanziell half. Die Luftwaffe und das Heer unterstützten später bei Transport und Montage von Flugzeugen. Ein eigens gegründeter Förderverein „Nationales Zentrum Luft- und Raumfahrt Oberschleißheim (NZO)“ half bei der Beschaffung von Spenden. Realisiert wurde ein erster Bauabschnitt mit 8000 qm Hallenfläche. Das Finanzvolumen betrug gut 53 Millionen DM.
Am 12. September 1992 eröffnete Ministerpräsident Max Streibl die Flugwerft Schleißheim. Seitdem besuchen jährlich rund hunderttausend Menschen aller Altersgruppen und aus allen Ländern der Welt das Museum. Ein besonders geschätzter Gast kam 2008 ins Haus: Chuck Yeager (s. Bild unten mit dem damaligen Leiter der Flugwerft, Gerhard Filchner). Vor 75 Jahren, am 14. Oktober 1947, hatte Yeager als erster Mensch mit dem Raketenflugzeug X1 die Schallmauer durchbrochen und damit eine neue Ära in der Luftfahrt eingeleitet.
Das Museum sah sich nun herausgefordert, der Flugwerft, in Ergänzung zum Haupthaus, ein eigenes Profil zu geben. Die führenden Köpfe, Werner Heinzerling, Leiter der Gesamtabteilung, und Gerhard Filchner, Leiter der Flugwerft, sorgten mit ihren engagierten Mitarbeitern dafür, dass Veranstaltungen und Sonderausstellungen stets Neues und Interessantes boten. Die Besucherzahlen zeugen vom Erfolg [4].
Literatur:
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 04/2022 JUL/AUG