Beitrag von Ute Otterbein Deutsche Flugsicherung DFS
I m deutschen Luftraum ist viel los – im Jahr 2019 kontrollierten die Fluglotsen der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH mehr als drei Millionen Flugbewegungen. Obwohl die Coronakrise den gewaltigsten Einbruch der Luftverkehrszahlen in der Geschichte der Luftfahrt brachte und sich im Jahr 2020 nur noch 1,46 Millionen Flüge im deutschen Luftraum bewegten, bleiben die Aufgaben gleich: Flugzeuge müssen sicher starten, landen und im Streckenflug überwacht werden.
Das Kerngeschäft der DFS ist die Überwachung des sogenannten kontrollierten Luftraums. Doch auch im bodennahen, unkontrollierten Luftraum ist der Andrang groß: Hier steigen jedes Jahr rund 50.000 Privatpiloten in die Lüfte. Hinzu kommen Polizei- und Rettungs-Hubschrauber, die bundesweit permanent im Einsatz sind. Und auch Segelflieger, Fallschirmspringer oder Ultraleichtflieger nutzen den deutschen Luftraum in geringen Flughöhen, in dem auf Sicht geflogen wird. Seit einigen Jahren kommt ein weiterer Luftraumnutzer hinzu: Unbemannte Luftfahrzeugsysteme, umgangssprachlich Drohnen genannt. Der Einsatz ist in vielen Branchen sinnvoll – das Einsatzspektrum reicht von der Landwirtschaft (z. B. Rehkitzsrettung und Maiszünsler) über die Feuerwehr und Rettungsdienste bis zur Inspektion von Strom- oder Gastrassen und schließlich auch für zeitkritische Lieferungen wie den Transport von Blutkonserven, eiligen Medikamenten oder Laborgütern.
Marktübliche Drohnen sind in der Regel zu klein, um von einem Piloten früh genug gesehen zu werden. Auch das Radar der DFS kann Drohnen nicht erfassen, deshalb können sie gerade im Gebiet rund um Flughäfen zur Gefahr für Verkehrsflugzeuge werden. Das belegen die Zahlen des monatlich erscheinenden „Drohnen Reports“ der DFS, in dem auch Meldungen über Drohnensichtungen im Bereich der Flughäfen erfasst werden.
Daher müssen Drohnen vor allem für Fluglotsen und Piloten sichtbar gemacht werden. Nur so können sie sicher und fair in den deutschen Luftraum integriert werden.
Für die Sichtbarkeit der unbemannten Luftfahrt setzt sich die DFS schon seit vielen Jahren ein, denn diese ist die Grundlage für Flugsicherheit. In einem Forschungsprojekt gemeinsam mit der Deutsche Telekom entstand zunächst das sogenannte „hook-on-device“ (HOD), das Drohnen mit einem Mobilfunkchip ausstattet. Vereinfacht gesagt, werden sie so zum fliegenden Smartphone und senden unter anderem ihre Positionsdaten über das vorhandene Mobilfunknetz. Aus dem Projekt entstand im Jahr 2019 das Joint-Venture droniq, das diese Idee seitdem im dynamischen deutschen Drohnenmarkt vermarktet.
Zusätzlich entwickelte die DFS mit dem UAS Traffic Management System (UTM) ein System, das diese Daten nutzbar macht: Dieses Luftverkehrssystem für die Unbemannte Luftfahrt stellt die übertragenen Positionsdaten der unbemannten Luftfahrtsysteme in einem Luftlagebild dar, um die so erfassten Fluggeräte weitgehend automatisiert zu kontrollieren. Angereichert mit Informationen aus den bestehenden Systemen der Flugsicherung, bietet das UTM außerdem zahlreiche weitere wertvolle Informationen, zum Beispiel zu Flugbeschränkungsgebieten oder zum Wetter. Um die Sicherheit auch für den bemannten Flugverkehr zu erhöhen, kann das UTM perspektivisch an die bestehenden Flugsicherungssysteme angebunden werden. Dies würde dem Fluglotsen die für die Erkennung eines potenziellen Konfliktes notwendigen Informationen zur Verfügung stellen. Ebenso ermöglicht ein UTM den Einsatz unbemannter Luftfahrzeugsysteme außerhalb der Sichtweite des Steuerers – erst damit werden viele Einsatzszenarien im kommerziellen Umfeld sowie für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben überhaupt möglich.
Ein vielbeachteter Meilenstein auf dem Weg zur urbanen Mobilität in der Luft ist das Testprojekt „U-Space Reallabor Hamburg“, bei dem die DFS gemeinsam mit ihrem Tochterunternehmen droniq und anderen Partnerorganisationen im Jahr 2021 erfolgreich den deutschlandweit ersten U-Space-Airspace am Hamburger Hafen erprobte. Der U-Space, ein geografisch abgegrenztes Gebiet mit speziellen Verkehrsregeln für Drohnen, ist ein Konzept der Europäischen Kommission und soll von den EU-Mitgliedstaaten bis Anfang 2023 umgesetzt werden. Die Vorgaben des U-Space, insbesondere das Zusammenspiel der einzelnen U-SpaceDienste, erwiesen sich im belebten Luftraum über dem Hamburger Hafen als realitätsnah und geeignet, den Luftraum über einer Stadt sicher zu organisieren.
Die von droniq und der DFS im Rahmen des U-Space Reallabors gewonnenen Erfahrungen und die darauf basierenden Handlungsempfehlungen werden eine Grundlage für die Umsetzung von USpace-Lufträumen in Deutschland bilden. Die ersten U-Spaces sollen perspektivisch ab 2023 in Deutschland entstehen.
Seit Anfang 2022 stellt die DFS für das Bundesverkehrsministerium die Digitale Plattform Unbemannte Luftfahrt online zur Verfügung (www.dipul.de). Die Website bündelt erstmals zentral alle relevanten Informationen für den Drohnenflug. Das sind vor allem kartengestützte Informationen über geografische UAS-Gebiete in einem „Map-Tool“, einer interaktiven Karte, in der Drohnenpiloten ihr geplantes Fluggebiet einzeichnen können. Der Nutzer erhält dann alle wichtigen Informationen zu den relevanten geografischen Gebieten wie Kontrollzonen, Flughäfen und Landeplätze, Industrie- und Hafenbereiche, Autobahnen, Eisenbahnstrecken, Wasserstraßen und Naturschutzgebiete. Die digitale Drohnen-Plattform informiert darüber hinaus über alle aktuellen und geltenden Vorschriften zum Betrieb von Drohnen sowie die Kategorisierung des Drohnen-Betriebs, Luftraum-Regeln und Antragsverfahren für genehmigungspflichtige Drohnenflüge. In diesem Zusammenhang enthält dipul auch einen Überblick über die notwendigen Anträge und eine Auflistung der zuständigen Stellen für Betriebsgenehmigungen, die für Einflüge in Gebiete mit besonderen Luftfahrtregeln benötigt werden.
DIPUL ist ein wichtiger Bestandteil des Aktionsplans der Bundesregierung für Drohnen und Flugtaxis aus dem Jahr 2020 – und leistet damit einen wichtigen Beitrag für die sichere und faire Integration der unbemannten Fliegerei in den deutschen Luftraum.
Auch die Frage, ob Lufttaxis als Lösung bestehender Mobilitätsprobleme realistisch sein könnten, stellt sich den Experten der DFS. Die EU-Drohnenverordnung klassifiziert diese Luftfahrzeuge als „zulassungspflichtig“ im Gegensatz zu den Drohnenkategorien „offen“ für sehr kleine, leichte Drohnen und „spezifisch“ für Drohnen, die beispielsweise für Vermessungsflüge und von Rettungskräften eingesetzt werden können.
Die Regeln, die in der zulassungspflichtigen Kategorie erfüllt werden müssen, umfassen strenge Vorgaben an Fluggerät und Ausfallsicherheit. Damit unterscheidet sich der Betrieb dieser zukünftig unpilotiert betriebenen Luftfahrzeugsysteme nicht wesentlich vom bemannten Flugverkehr. Bei Einsatz dieser Luftfahrzeuge müssen also nicht nur zahlreiche Fragen zum sicheren Einsatz beantwortet werden – auch Fragen der Rentabilität und Kosten bei massenhaftem Einsatz beschäftigen die Expertenwelt – nicht nur in der Flugsicherung.
Die Aufgaben im Zusammenhang mit unbemanntem Luftverkehr sind vielfältig und anspruchsvoll – das Ziel ist jedoch klar: Drohnen müssen sicher und fair in den Luftverkehr integriert werden.
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 04/2022 JUL/AUG