Beitrag von Dr. rer.nat. Michael Bauer Munich Aeroacoustics UG
Es gibt ein zunehmendes Interesse an der sogenannten urbanen Mobilität, wobei hier im Wesentlichen zwei- oder viersitzige „Flugtaxis“ mit elektrischen Antrieben gemeint sind. Die Luftfahrt- und sogar die Automobilindustrie, aber auch Startup-Unternehmen die speziell für diese neue Technologie gegründet wurden, zeigen wachsende Aktivitäten.
Alle Flugtaxis haben neben dem elektrischen Antriebskonzept gemeinsam, dass entweder Propelleranordnungen oder verteilte Antriebsaggregate verwendet werden (Stichwort: Distributed Electric Propulsion). Solche elektrischen Antriebe bedeuten aber immer noch aerodynamisch generierte Geräusche (tonal und breitbandig), zu denen sich noch weitere, u. U. besonders störende Komponenten aufgrund der spezifischen Installationssituation addieren können. In jedem Fall wird ein gewisser Fluglärm am Boden wahrnehmbar sein, der im operativen Einsatz beim Überflug über bebaute Bereiche, in oder am Rande größerer Städte, aber auch darüber hinaus einwirkt. Bei den zu erwartenden Einsatzszenarien werden dabei auch besiedelte Gebiete mit diesem neuartigen Fluglärm beaufschlagt werden, wo es zurzeit kaum nennenswert Geräusche von der kommerziellen Luftfahrt gibt.
Aufgrund der unterschiedlichen FlugtaxiDesigns hat jedes Flugzeugkonzept seine spezifische Geräuschcharakteristik. Daher erfordern zukünftige Untersuchungen zur Lärmbelastung von Städten und Gemeinden durch Urban Air Mobility (UAM) eine genauere Beschreibung des realen Flugzeugs, das dann unter realistischen Bedingungen betrieben wird. Jede Untersuchung – ob einzelner Überflug oder komplexe Mehrfachereignisse am Vertiport – erfordert die Kenntnis der Lärmemission der Flugzeuge, die z. B. durch Schallleistung und Richtwirkung beschrieben werden kann. Beides wird – je nach technischem Konzept des Flugtaxis – eine Funktion von Zeit und Position des Flugzeugs auf seiner Flugbahn sein.
Klar umrissene Überflugsituationen stellen den einfachsten Fall dar, um erste Indikatoren zu entwickeln, wie sich Flugtaxis im Allgemeinen, aber auch wie sich die verschiedenen Taxitypen im Speziellen akustisch verhalten werden. Da – insbesondere für die Zertifizierung nach ICAO – das Flugtaxi einen Beobachter direkt überfliegt, werden Simulationen Standardmetriken, wie den sogenannten „Sound Exposure Level“ (SEL) oder den „Effective Perceived Noise Level“ (EPNL), liefern. Dies sind etablierte Metriken für die Lärmzertifizierung von Flugzeugen, einschließlich Hubschraubern. Aber in Bezug auf die Flugtaxis gilt nur eine Übergangsregelung, bis die behördlichen Vorschriften und Verfahren an Flugtaxis u. U. angepasst wurden. Da bislang keine verwertbaren Geräuschwerte für Flugtaxis vorliegen, wird deshalb oft mit generischen, aber durchaus realistischen Konzepten und Geräuschkennwerten gerechnet.
Der beobachtete Wertebereich für die Schalldruckpegel am Boden, der aus einzelnen Überflugs-Ereignissen für diese Fluglärm-Metriken resultiert legt nahe, dass die zukünftige Vorhersage von neuartigem Fluglärm beides erfordert: die Kenntnis der akustischen Eigenschaften von Flugtaxis und die Zusammensetzung zukünftiger Flugtaxi-Flotten. Eine weitere wichtige Frage wird sein, wie diese Flotten im Flugverkehr betrieben und geleitet werden. Neben ersten Hinweisen auf einen Unterschied von Flugtaxisystemen hinsichtlich ihrer Lärmimmission in komplexeren Verkehrsszenarien kann erwartet werden, dass die Anzahl von Flugtaxibewegungen ein entscheidender Faktor für die Vorhersage und die zukünftige Akzeptanz dieses neuartigen Fluglärms sein wird. Gleichzeitig – und deutlich sichtbar in der dargestellten Lärmkarte – legt die Einwirkung von Fluglärm in besiedelten Gebieten, in denen derzeit wenig Fluglärm beobachtet wird, die Notwendigkeit genauerer Studien zu Flugtaxis als fliegende Geräuschquellen nahe, insbesondere während der Abend- oder sogar Nachtstunden, da hier gesonderte Zuschläge von bis zu 10 dB zur Geltung kommen. Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass selbst beim Einsatz „geräuschintensiverer“ Fluggeräte, durch gezieltes Verkehrsmanagement und die Schaffung von Flugkorridoren die Gesamtzahl der vom neuen Fluglärm betroffenen Bevölkerung zwar insgesamt erhöht wird, der Anteil, welcher störenden oder gar kritischen Schalldruckpegeln ausgesetzt sein wird aber deutlich reduziert werden kann. Entscheidend wird jedoch immer die Gesamtbetrachtung der auf gewissen Flugstrecken eingesetzten Flugtaxi-Flotte sein, da deren Zusammensetzung aus z. T. sehr unterschiedlichen Fluggeräten die Fluglärmsituation am Boden beeinflussen kann. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass eine Variation der Flottenzusammensetzung, die einmal erzielte Reduzierung der von bestimmten Schalldruckpegeln betroffenen Einwohnerzahl erneut und zum Teil erheblich variieren lässt. Darüber hinaus sind durchaus Verkehrsszenarien möglich, in denen sich die Geräuschsituation am Boden wieder verschlechtert. Als Konsequenz könnte damit eine Veränderung der Fluglärmsituation in der Umgebung eines Vertiports eintreten, falls im Laufe der Zeit auch signifikante Änderungen in der dort betriebenen Flugtaxi-Flottenzusammensetzung eintreten würden. Neben der Betrachtung der reinen Lärm- und Beurteilungspegel dürften allerdings auch Untersuchungen zur Akzeptanz in der Bevölkerung einen wachsenden Stellenwert in der zukünftigen Forschung einnehmen. Weitere Studien, insbesondere auf dem Gebiet der Auralisierung einzelner Flugtaxis, aber auch ganzer Flotten, werden sicher wichtige Instrumente im Zusammenhang mit UAM-Lärm darstellen.
Abschließend muss klar gesagt werden, dass das einzelne Flugtaxi durchaus „leise“ sein kann, d.h. weniger Fluglärm verursachen wird als beispielsweise ein kleiner und leichter Helikopter.
Es wird in der Zukunft deshalb in erster Linie auf die Anzahl der Flugbewegungen und die Betriebsbedingungen wie Flughöhe und Geschwindigkeit ankommen.
Quellen
Topografische Karte: Bayerische Vermessungsverwaltung – www.geodaten.bayern.de, Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY 3.0 DE).
Verkehrszahlen: ROLAND BERGER GMBH (publisher), Urban air mobility - The rise of a new mode of transportation, Munich, Germany, November 2018.
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 04/2022 JUL/AUG